Auf dem Wahlzettel stand Trump in Kanada nicht – trotzdem mischte der US-Präsident die Parlamentswahl im Nachbarland auf. Den liberalen Sieger Carney sehen die Kanadier als stärkeren Gegenspieler.
Liberale Partei von Premier Carney gewinnt Wahl in Kanada

Laut ersten Prognosen hat die liberale Partei von Premierminister Mark Carney die Parlamentswahl in Kanada gewonnen. Die Regierungspartei hat bei der Abstimmung mehr Mandate errungen als die Konservativen von Herausforderer Pierre Poilievre, berichtet der öffentliche Sender CBC.
Es ist die vierte aufeinanderfolgende kanadische Parlamentswahl, die die Liberalen gewinnen können, was in der Geschichte des G7-Landes sehr ungewöhnlich ist. Ob es für eine absolute Mehrheit der Liberalen ausreichen würde, war zunächst unklar. Dafür wären mindestens 172 Sitze im Parlament in der Hauptstadt Ottawa erforderlich, was der absoluten Mehrheit der Mandate für die 343 Wahlkreise entspricht.
Die Parlamentarier werden durch Direktwahl bestimmt. Etwa 29 Millionen Bürger waren in dem nördlichen Nachbarland der USA und dem flächenmäßig zweitgrößten Land der Welt mit sechs Zeitzonen zur Wahl aufgerufen.
Konservative führten scheinbar uneinholbar – doch dann kam Trump
Carney, ein liberaler Wirtschaftsexperte, übernahm die Positionen des Parteivorsitzenden und Premierministers erst vor kurzem nach einer internen Abstimmung von Justin Trudeau, der Anfang des Jahres seinen Rückzug ankündigte, nachdem seine Beliebtheit in rund zehn Jahren im Amt gesunken war. Carney wurde auch zum ersten Mal in das Parlament gewählt.
Die Parlamentswahl wurde durch die aggressive Zollpolitik und Annexionsdrohungen von US-Präsident Donald Trump beeinflusst. Am Wahltag forderte Trump die Kanadier erneut auf, einer Eingliederung in die USA zuzustimmen. Die Einmischung des US-Präsidenten hatte einen großen Einfluss auf den Wahlkampf in Kanada: Obwohl die oppositionellen Konservativen in Umfragen lange Zeit vorne lagen, rückten die Kanadier im Widerstand gegen Trump zusammen und unterstützten größtenteils Carney.
Erfahrener Krisenmanager gegen «Canada First»-Kandidat
Der 60-Jährige verfügt über nationale und internationale Krisenerfahrung. Während der Finanzkrise war der Politiker aus Alberta ab 2008 Leiter der kanadischen Zentralbank. Von 2013 bis 2020 war Carney während der turbulenten Brexit-Phase Zentralbankchef in Großbritannien und anschließend bis Januar dieses Jahres UN-Sondergesandter für Klimaschutz. Er setzt sich für eine engere Zusammenarbeit mit Europa und Asien ein, um die Handelsabhängigkeit von den USA zu verringern. Laut Umfragen trauen die meisten Kanadier Carney am ehesten zu, Trump die Stirn zu bieten.
Der politische Stil des konservativen Spitzenkandidaten Poilievre trägt dagegen klare Trump-Anleihen. So sprach der 45-Jährige, der für niedrige Steuern und Kürzungen bei Staatsausgaben steht, ebenfalls von Fake-News, einer woken Ideologie linksradikaler Kräfte und versprach, Kanada immer an erste Stelle setzen zu wollen – «Canada First». Das kam lange gut an – doch dann kam Trump.
Wahl auch unter dem Eindruck von tödlicher Autofahrt in Vancouver
Weitere wichtige Themen im Wahlkampf waren der deutliche Anstieg der Lebenshaltungskosten, steigende Mieten, der Zugang zu erschwinglichem Wohnraum sowie Gesundheitsversorgung und Migration.
Die Wahl fand auch unter dem Eindruck eines tragischen Vorfalls in der Westküstenmetropole Vancouver am Wochenende statt: Bei einem Straßenfest der philippinischen Gemeinde fuhr ein Mann mit einem Auto in eine Menschenmenge und tötete mindestens elf Menschen. Ein verdächtiger 30-Jähriger wurde festgenommen. Die Polizei zeigte sich überzeugt, dass es sich nicht um einen Terrorakt handele.