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Wunsch vs. Realität: Terminplan für Bundeshaushalt geplatzt

Finanzminister Lindner zieht die Notbremse: Die Verhandlungen über Ausgabenwünsche seiner Kabinettskollegen im kommenden Jahr sind festgefahren. Droht der Grundsatzstreit die Arbeit nun lahmzulegen?

Finanzminister Christian Lindner (FDP) sieht bei den Etatplänen noch Diskussionsbedarf.
Foto: Julian Weber/dpa

Wochenlang haben sie verhandelt und teils öffentlich gestritten, jetzt ist der Haushaltskonflikt in der Bundesregierung eskaliert: Finanzminister Christian Lindner kann den vorgesehenen Zeitplan für den Etat 2024 nicht einhalten. Der FDP-Politiker hat den eigentlich für die kommende Woche geplanten Kabinettstermin auf unbestimmte Zeit verschoben. Ganz bewusst nennt er keinen neuen Stichtag. «Wir werden im Kabinett noch einmal gemeinsam über finanzielle Realitäten sprechen müssen», sagte Lindner der Deutschen Presse-Agentur.

Auseinandersetzungen über den Haushalt sind in der Bundesregierung zwar nicht ungewöhnlich: Fast in jedem Jahr wollen die Fachminister mehr Geld, als der Finanzminister ihnen zugestehen will. Nun aber liegen die Vorstellungen Lindners und gleich mehrerer seiner Kabinettskollegen so weit auseinander, dass der Finanzminister noch einmal grundsätzlich reden will.

Totalblockade befürchtet

Das gab es selten – und es könnte im Extremfall die Arbeit der rot-grün-gelben Bundesregierung lahmlegen. Denn dauert der Streit über die Einzeletats länger, fehlt die finanzielle Basis für Gesetzesvorhaben. Die oppositionelle Union fordert deshalb ein Machtwort von höchster Ebene. «Kanzler Scholz muss jetzt umgehend eingreifen, um die Haushaltsblockade aufzulösen», sagte der Chef der CSU-Bundestagsabgeordneten, Alexander Dobrindt, der dpa.

Scholz selbst zeigte sich gelassen: In den vergangenen Jahren sei die Vorstellung der Eckwerte «immer wieder mal verschoben worden, auch in der Zeit, als ich Finanzminister war», sagte er in München. «Das hat eigentlich nie große Aufregung ausgelöst, jetzt auch nicht, also jedenfalls bei mir nicht.» Auch Wirtschaftsminister Robert Habeck bemühte sich darum, die Wogen zu glätten. «Das ist kein großes Drama», sagte der Grünen-Politiker. «Wir haben einfach ein objektives Problem im Haushalt.» Das versuche man gemeinsam zu lösen.

Ausgabenwünsche Milliarden über Finanzplan

Seine Ministerkollegen haben bei Lindner Ausgabenwünsche angemeldet, die rund 70 Milliarden Euro über dem bisher vereinbarten Finanzplan lagen. Allein der neue Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) wollte zehn Milliarden Euro mehr für die Truppe. Lindner ist nicht abgeneigt, den Wehretat etwas aufzustocken, forderte aber dafür Einsparungen an anderer Stelle.

Debattiert wird auch über neue Förderprogramme nach dem von Habeck vorangetriebenen Verbot neuer Öl- und Gasheizungen ab 2024 und zahlreiche weitere Projekte. In diversen Verhandlungsrunden gelang es zwar, die Differenz zwischen Lindners Vorstellungen und den Wünschen seiner Kollegen etwas zu reduzieren – an anderer Stelle riss die Lücke aber wieder auf.

Höhere Kosten durch Zinsen und Ukraine-Krieg

Denn die Kosten für den Bund werden im kommenden Jahr nach den Erwartungen des Finanzministeriums deutlich steigen. Das liegt unter anderem an der Belastung durch Zinsausgaben, die sich innerhalb von zwei Jahren von 4 auf rund 40 Milliarden Euro verzehnfacht haben. Im Ministerium werden auch die laufenden Tarifverhandlungen bei der Bundeswehr und anderswo im öffentlichen Dienst genannt, deren Ergebnis Milliarden verschlingen könnte. Auch die Militär- und Finanzhilfen für die Ukraine schlagen zu Buche.

«Die hohe Zinslast ist ein klares Signal, die Verschuldung des Staates zu bremsen», betonte Lindner. Steuererhöhungen für mehr Einnahmen erteilte er zugleich eine deutliche Absage: Die Bürgerinnen und Bürger zahlten bereits heute hohe Steuern.

Lindner lehnt Tricks ab

In den vergangenen Jahren fand sich bei Etat-Verhandlungen auch deshalb immer ein Kompromiss, weil entweder genügend Mittel zu verteilen waren oder Schulden aufgenommen wurden. Inzwischen aber sind die Rücklagen aufgebraucht und Lindner pocht auf Einhaltung der Schuldenbremse. Die Regelung im Grundgesetz schreibt dem Bund eine strenge Kreditobergrenze vor, die nur in Notlagen ausgesetzt werden darf – das war etwa in der Corona-Pandemie der Fall.

Haushalterische Tricks wie etwa die Umwidmung nicht ausgegebener Mittel für die Gas- und Strompreisbremse für andere Vorhaben lehnt der FDP-Chef ebenfalls kategorisch ab. «Wir müssen also lernen, mit dem zur Verfügung stehenden Finanzrahmen auszukommen», mahnt er. Das bedeute Prioritäten zu setzen, «weil nicht alles gleichzeitig finanzierbar ist».

Briefwechsel von Habeck und Lindner

Genau diese Prioritätensetzung ist in der Bundesregierung höchst umstritten, wie zuletzt ein Briefwechsel zwischen Lindner und Habeck zeigte. Der Wirtschaftsminister beklagte sich darin, Lindner setze Prioritäten einseitig und nannte Pläne wie Umsatzsteuerermäßigungen für die Gastronomie und die Finanzierung der Bundeswehr. Die Grünen dagegen pochen darauf, dass bereits jetzt die Weichen für die ab 2025 geplante Kindergrundsicherung gestellt werden, die Leistungen vom Kindergeld über den Kinderzuschlag bis hin zur finanziellen Unterstützung für Klassenfahrten bündeln soll.

Wie es mit der Haushalts-Aufstellung nun weitergeht, ist völlig unklar. Es werde weiter gesprochen, hieß es aus dem Finanzministerium. Denkbar wäre auch eine Haushaltsklausur, bei der die Minister in großer Kabinettsrunde begründen müssten, wo sie mehr ausgeben – und bei welchem ihrer Kollegen sie dafür streichen würden.

Eckpunkte nur erster Schritt – Gesamtzeitplan bis Dezember

Ob die aktuelle Verschiebung die Verabschiedung des Haushalts insgesamt verzögern wird, ist ebenfalls noch offen. Die Vorlage der Eckpunkte ist nur ein erster Schritt. Der endgültige Regierungsentwurf soll nach bisherigem Plan erst am 21. Juni vom Kabinett abgesegnet werden. Danach wäre der Bundestag am Zug. Hier wird ein Beschluss erst für den 1. Dezember angestrebt. Noch ist also Zeit für die Quadratur des Kreises zwischen milliardenschweren Zusatzwünschen und einem Finanzminister, der das Geld zusammenhält.

dpa