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María Corina Machado erreicht Oslo nach abenteuerlicher Reise

Die Oppositionsführerin überwindet Geheimhaltung und Gefahren, um den Friedensnobelpreis entgegenzunehmen.

Die Friedensnobelpreisträgerin María Corina Machado ist mit Verspätung in Oslo eingetroffen.
Foto: Stian Lysberg Solum/NTB/dpa

Die bedeutende Nachricht ist, dass sie tatsächlich hier ist: Nach mehr als einem Jahr im venezolanischen Untergrund ist es der Friedensnobelpreisträgerin María Corina Machado auf abenteuerliche Weise gelungen, nach Oslo zu gelangen. Die Oppositionsführerin erschien um 2.24 Uhr in der Nacht auf Donnerstag auf einem Balkon des Grand Hotel im Zentrum der norwegischen Hauptstadt.

Danach begrüßte die führende Widersacherin des autoritären Staatschefs Nicolás Maduro auf der Straße vor dem Hotel ihre Anhänger. Diese hatten zuvor die venezolanische Nationalhymne angestimmt und «libertad, libertad» (Freiheit, Freiheit) skandiert.

Eine innige Umarmung

Mit ihrem Eintreffen in Norwegen knapp zwölf Stunden nach der offiziellen Nobelpreisverleihung erreicht Machados beeindruckende und streng geheime Reise vorerst ihren Höhepunkt.

Laut einem Medienbericht gelang es ihr verkleidet und mit Perücke, zusammen mit Begleitern, an zahlreichen Militärposten vorbei von einem Vorort der Hauptstadt Caracas an die venezolanische Küste zu gelangen. Anschließend wurde sie mit einem Fischerboot zur Karibikinsel Curaçao gebracht und schließlich mit einem Privatflugzeug über die USA nach Norwegen geflogen.

Die 58-Jährige berichtete am folgenden Morgen von einem emotionalen Wiedersehen mit ihren drei erwachsenen Kindern. Viele Wochen lang habe sie sich danach gesehnt und sich gefragt, wen der drei sie als Erstes umarmen würde, sagte Machado auf einer Pressekonferenz mit dem norwegischen Ministerpräsidenten Jonas Gahr Støre. «Ich habe dann alle drei gleichzeitig umarmt, und es war einer der außergewöhnlichsten, ergreifendsten Momente meines Lebens», sagte sie. 

Keine Demokratie ohne Freiheit

Eines der drei Kinder, Tochter Ana Corina Sosa Machado, nahm den Friedensnobelpreis am Mittwoch bei einer feierlichen Zeremonie im Rathaus von Oslo in ihrem Namen entgegen. Sie verlas auf der Veranstaltung auch die Nobelrede, die Machado für den Anlass geschrieben hatte. «Dieser Preis hat eine tiefgreifende Bedeutung: Er erinnert die Welt daran, dass Demokratie für Frieden unerlässlich ist», betonte sie in der Rede.

Diese Botschaft wiederholte Machado am Folgetag auch persönlich. «Unsere Erfahrungen in Venezuela liefern der Welt ein Zeugnis dafür, dass man für Frieden Demokratie benötigt», sagte sie. «Demokratie ist das System, das Frieden in einer Gesellschaft ermöglicht. Aber ohne Freiheit kann es keine Demokratie geben.»

Treibende Kraft der Opposition 

Machado ist die führende Persönlichkeit der venezolanischen Opposition. Im vergangenen Jahr war sie maßgeblich an der Wahlkampagne des Oppositionskandidaten Edmundo González beteiligt, der laut Regierungsgegnern und vielen Drittstaaten die Präsidentschaftswahl gewonnen hat. Trotz Vorwürfen des Betrugs erklärte sich der autoritäre Präsident Maduro selbst zum Sieger. Daraufhin ging González ins Exil nach Spanien. Viele andere Oppositionelle sind ebenfalls längst ins Ausland geflohen.

Das norwegische Nobelkomitee hatte dann in diesem Oktober verkündet, dass Machado in diesem Jahr mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wird. Das Komitee sprach ihr den wichtigsten politischen Preis der Erde «für ihren unermüdlichen Einsatz für die demokratischen Rechte des venezolanischen Volkes und für ihren Kampf für einen gerechten und friedlichen Übergang von Diktatur zur Demokratie» zu.

Seitdem wurde gelegentlich Kritik an Machado laut, weil sie die unter Präsident Donald Trump erhöhte US-Militärpräsenz in der Karibik nicht verurteilte, die mit tödlichen Angriffen auf Boote einherging. Auf die Frage, ob sie eine Intervention des US-Militärs in Venezuela begrüßen würde, antwortete sie nun, dass einige Leute von der Bedrohung eines Einmarsches in Venezuela sprechen würden. Es seien bereits russische und iranische Agenten sowie Terrorgruppen wie die islamistische Hamas ins Land eingedrungen, wo sie gemeinsame Sache mit der Maduro-Regierung machten.

Hinzu kämen Guerillas und die Drogenkartelle. «Das hat Venezuela zum kriminellen Zentrum Amerikas gemacht», sagte Machado. «Wir bitten die Welt um Hilfe, um die Einnahmen (der Maduro-Regierung) aus illegalen Aktivitäten zu blockieren. Das ist es, was die Unterdrückungs-Struktur des Regimes stützt.»

Wie geht es für Machado weiter?

Vor ihrer Reise nach Oslo lebte Machado aus Angst um ihr Leben seit mehr als einem Jahr weitgehend im Untergrund. Die venezolanische Staatsanwaltschaft hatte zuletzt angekündigt, Machado als flüchtig zu betrachten, sollte sie das Land verlassen. Bei einer Rückkehr nach Venezuela drohen ihr schwerwiegende Folgen wie die Verhaftung oder ein Einreiseverbot.

Die große Frage ist deshalb, wie es mit Machado nach ihrer Zeit in Oslo weitergehen wird. Das «Wall Street Journal» berichtete, dass es Machados Plan sei, sich zunächst auszuruhen und anschließend durch Europa zu reisen, um Unterstützung für die Opposition in Venezuela zu mobilisieren. Demnach ist auch ein Besuch in der US-Hauptstadt Washington geplant – und schließlich die Rückkehr nach Venezuela.

Machado selbst äußerte sich in Oslo nur vage zu ihren Plänen. Sie schaue von Tag zu Tag, wolle nun aber zunächst einige Stunden mit Kollegen, Freunden und ihren Kindern verbringen, sagte sie. Auch Arztbesuche stünden nach der langen Zeit im Untergrund an. Einige Treffen könnten «sehr nützlich sein» – bevor sie so bald wie möglich nach Venezuela zurückkehren werde, versicherte sie. «Ich werde zurück in Venezuela sein. Daran habe ich keine Zweifel.»

Im Falle der Rückkehr wartet angesichts der Drohungen der Staatsanwaltschaft ein Showdown mit der Maduro-Führung auf Machado. Diese kritisierte die Nobelpreiszeremonie als politische Show. Vizepräsidentin Delcy Rodríguez sagte im Staatsfernsehen: «Das sah aus wie eine Totenwache, es war ein totaler Misserfolg. Die Show ist gescheitert, denn die Dame (Machado) ist nicht erschienen.» Die Auszeichnung für die venezolanische Oppositionsführerin bezeichnete Rodríguez als einen «mit Blut befleckten Preis».

dpa