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Hohe Rückkehrquote ins Bürgergeld nach Arbeitseinstieg,Arbeitsminister sieht dennoch Erfolge bei Integration von Arbeitslosen

Arbeitsminister Heil verteidigt Bürgergeld trotz hoher Rückkehrquote. Strukturelle Faktoren als Hauptgrund für Langzeitbezug genannt.

Hubertus Heil verteidigt das Bürgergeld (Archivfoto).
Foto: Sebastian Gollnow/dpa

Rund jede zweite Person in Deutschland mit Bürgergeld ist ein halbes Jahr nach der Aufnahme einer Arbeit weiter oder wieder auf staatliche Unterstützung angewiesen. Parteigründerin Sahra Wagenknecht, die die Zahlen bei der Regierung angefragt hatte, bewertet diese Quote als «inakzeptabel». Es könne nicht sein, «dass nach nur sechs Monaten Arbeit jeder Zweite zurück im Bürgergeld ist», sagte Wagenknecht der «Bild», die zuerst darüber berichtet hatte. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sieht das Bürgergeld dagegen im Grundsatz richtig aufgestellt, damit Arbeitslose langfristig wieder in Lohn und Brot kommen.

Macht Bürgergeld träge?

«Die These, dass das Bürgergeld träge mache, stimmt so nicht», sagte ein Sprecher Heils der Deutschen Presse-Agentur. Zum Beleg führt er aktuelle Daten an: Die Mehrheit der Menschen mit Bürgergeld, die in Arbeit integriert werde, bleibe auch weiterhin beschäftigt. Sechs Monate nach einer Jobaufnahme sei dies bei fast zwei von drei Betroffenen der Fall – bei rund 64 Prozent. «Diese Quote ist in den letzten Jahren stabil geblieben und sogar gestiegen», sagte der Ministeriumssprecher.

Wagenknecht, deren Partei BSW bei ostdeutschen Landtagswahlen Erfolge feierte, bemängelt, dass die Zahlen «die entscheidende Frage» nicht beantworteten: «Liegt es an den Betroffenen, die schlicht keine Motivation zu arbeiten haben? Liegt es an miesen Arbeitsbedingungen und unfairer Bezahlung? Oder bieten die Unternehmen immer noch viel zu viele befristete Stellen an beziehungsweise feuern nach Ablauf der Probezeit?»

Wagenknecht fordert Sanktionen «für diejenigen, die sich lieber im Modell Bürgergeld plus Schwarzarbeit einrichten möchten». Für Alleinstehende war das Bürgergeld Anfang des Jahres um 61 auf 563 Euro im Monat gestiegen. Bezahlt werden in der Regel zudem Wohnen und Heizung. 2025 gibt es eine Nullrunde bei der Entwicklung der Regelsätze. 

Viele brauchen aufstockende Leistungen

Dient das Bürgergeld also auch als zentraler Baustein für Menschen, die sich ihren Alltag möglichst so zusammenbasteln, dass sie ohne großen Aufwand gut durchkommen? Heils Sprecher stellt fest: «Es gibt keine Hinweise darauf, dass das Bürgergeld Menschen dazu verleitet, nach kurzer Zeit wieder in den Leistungsbezug zurückzukehren.» Ausschlaggebend dafür, dass Menschen weiterhin auf Bürgergeld angewiesen seien, seien vielmehr «strukturelle Faktoren». Angeführt werden etwa niedrige Löhne und Teilzeitarbeit.

Was ist der Hauptgrund für den längerfristigen Bezug von Bürgergeld? «Dies liegt oft daran, dass das Erwerbseinkommen nicht ausreicht, um die Hilfebedürftigkeit der gesamten Bedarfsgemeinschaft zu überwinden», sagte der Ministeriumssprecher. Viele Personen, die arbeiten, seien schlicht weiterhin auf aufstockende Leistungen angewiesen – wegen niedriger Löhne, Teilzeitarbeit oder großer Bedarfsgemeinschaften, also in der Regel Familien. «Besonders betroffen», sagte Heils Sprecher, «sind hierbei Personen mit Kindern und geringen Entgelten, für die es schwierig ist, die Hilfebedürftigkeit vollständig zu überwinden.»

Mit Kindern fällt es vielen schwerer

In den vergangenen Jahren hat sich grundsätzlich wenig geändert. “Sind heute etwa 50 Prozent der Personen, die bereits in den Arbeitsmarkt integriert sind, sechs Monaten nach diesem Schritt weiterhin im Bürgergeld, so lag dieser Anteil vormals nicht allzu viel niedriger. 2019 und 2020 waren es 46 Prozent.” Der Anteil derer, die sechs Monate nach ihrer Integration weiterhin sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind, ist im Vergleich zu 2019 um vier Punkte von damals 60 Prozent gestiegen.

Laut Ministerium ist es auffällig, dass Personen mit Berufsausbildung eine höhere Quote der kontinuierlichen Beschäftigung aufweisen. Sie beenden den Leistungsbezug häufiger. Dies gilt auch im Durchschnitt für Alleinstehende deutlich einfacher als für Personen mit Kindern.

Inwieweit rechnet es sich Arbeit für Menschen mit Bürgergeld?

In den meisten Fällen erhält man durch Arbeit im Monat deutlich mehr auf das Konto als mit Bürgergeld. Dennoch lohnt sich ein Arbeitseinkommen für Leistungsempfänger nicht immer. Insbesondere bei großen Bedarfsgemeinschaften mit Erwerbseinkommen besteht oft ein Anspruch auf zusätzliche Leistungen wie Bürgergeld, Kinderzuschlag oder Wohngeld. Wenn man all dies berücksichtigt, erhalten die Betroffenen oft insgesamt nicht viel mehr Einkommen, wenn sie ihre bestehende Arbeit etwas ausweiten.

Blickpunkt Alleinerziehende

Das Ministerium für Gesundheit wollte genau wissen, wann sich Arbeit (nicht) lohnt – und beauftragte ein Gutachten. Es liegt seit 2023 vor. Die 65-Seiten-Expertise der Institute ifo (München) und ZEW (Leipzig) zeigt: Mehrarbeit lohnt sich für Alleinerziehende oft nicht. Beispiel einer Mutter mit zwei Kindern: Ohne Arbeitseinkommen fließen demnach 2.169 Euro Sozialleistungen, bei einem Minijob-Lohn von 520 Euro bleiben 2.353 Euro auf dem Konto, bei 1.000 Euro insgesamt 2.823 Euro – aber bei 1.500 Euro Arbeitseinkommen brutto nur wenig mehr. Nämlich 2.907 Euro. Die Forscher schreiben: «Es existieren also nach wie vor Einkommensbereiche, in denen (…) sich zusätzliches Bruttoerwerbseinkommen kaum und mitunter sogar negativ auf das verfügbare Einkommen auswirkt.»

Wie sich Arbeit mehr lohnen könnte

Die Forscher schlagen vor, bei den Gruppen von Bürgergeld-Beziehenden, bei denen es sich heute wenig lohnt, mehr zu arbeiten, im Fall von Mehrarbeit das Bürgergeld nicht so stark wie heute zu kürzen. Denn bei ihnen sei eine Ausweitung der Beschäftigung heute finanziell wenig attraktiv, «weil die erhaltenen Sozialleistungen in der Folge stark sinken». Eine solche Reform würde, so die Institute, die verfügbaren Einkommen vonTransferempfängerinnen und -empfängern in einigen Einkommensbereichen erhöhen. Erwerbsanreize und somit Beschäftigung könnten steigen. Der Staat müsse zwar mehr Bürgergeld bezahlen – aber könne auch mit mehr Steuereinnahmen rechnen. 

Die Haushalte, bei denen dies rechnerisch zu erwarten ist, sind laut den Forschern jene mit einem Einkommen von über 520 Euro pro Monat sowie Haushalte mit einem monatlichen Haushaltseinkommen von über 2.000 Euro. Die Institute schlagen vor, die bestehenden unterschiedlichen Kürzungssätze für das Bürgergeld im Falle eines höheren Arbeitslohns zu reduzieren. Die Betroffenen hätten dadurch am Ende des Monats spürbar mehr Geld auf dem Konto.

dpa