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Macron fordert Ruck in der EU – «Europa kann sterben»

In einer Grundsatzrede zu Europa fordert Frankreichs Präsident einen Ruck in der EU. Souveränität, Stärke und Sicherheit müssten dringend erhöht werden. «Europa kann sterben», warnt er.

Der französische Präsident Emmanuel Macron fordert eine europäische Verteidigungsstrategie mit einer gemeinsamen Rüstungsindustrie und einer über Fonds der EU finanzierte beschleunigte Aufrüstung.
Foto: Christophe Petit Tesson/EPA POOL/AP/dpa

Vor der Europawahl forderte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron einen Ruck in Europa für mehr Unabhängigkeit, wirtschaftliche Stärke und Sicherheit. Macron betonte, dass Europa angesichts militärischer Bedrohungen, der Konkurrenz durch die USA und China sowie einer Infragestellung der Demokratie seine Souveränität ausbauen, seine Werte verteidigen sowie seine Interessen und Märkte schützen müsse. Dies sagte Macron in einer Grundsatzrede an der Pariser Sorbonne-Universität.

Macrons Auftritt markierte den Beginn des Europawahlkampfs, in dem die Aussichten für das Lager der Liberalen in Frankreich derzeit nicht besonders gut sind.

«Wir müssen uns heute darüber im Klaren sein, dass unser Europa sterblich ist, es kann sterben», sagte Macron. «Das hängt einzig und allein von unseren Entscheidungen ab, aber diese Entscheidungen müssen jetzt getroffen werden.» Im nächsten Jahrzehnt sei das Risiko groß, dass Europa «geschwächt oder sogar deklassiert werde», sagte Macron. «Wir stehen an einem Wendepunkt.» Die Zeit, in der Europa seine Energie und Rohstoffe aus Russland bezogen habe, viele Produkte aus China geliefert wurden und die USA die Sicherheit gewährleistet hätten, sei vorbei.

Überdenken der europäischen Handelspolitik notwendig

Macron forderte konkret eine europäische Verteidigungsstrategie mit einer gemeinsamen Rüstungsindustrie und mit einer über EU-Fonds finanzierten beschleunigten Aufrüstung, um der Bedrohung Russlands gewachsen zu sein. Die Handelspolitik müsse angesichts massiver Subventionen aus China und den USA in die eigene Industrie überdacht werden. Eine faire Konkurrenz müsse gewährleistet sein und in Schlüsseltechnologien solle es eine Bevorzugung europäischer Produkte in der EU geben. Auch in der Landwirtschaft und Ernährungsindustrie müssten gleiche Normen und Regeln zum Schutz der Landwirte eingehalten werden.

Angesicht der großen Herausforderungen bei Zukunftsthemen wie der Bewältigung des Klimawandels oder Künstlicher Intelligenz betonte Macron die Notwendigkeit von verstärkter Forschung und Investitionen. Um zusätzliche Finanzmittel zu generieren, sei es erforderlich, dass die EU über ein erweitertes gemeinsames Budget verfüge und die angestrebte Kapitalmarktunion beschleunige, um eine verstärkte Investition von privatem Kapital innerhalb der EU zu ermöglichen.

Macrons Rede folgt knapp sieben Jahre nach einer ersten Europa-Rede an der Sorbonne. Im September 2017 präsentierte der damals frisch gewählte Präsident eine ehrgeizige Vision für ein souveränes Europa, die viel Aufsehen erregte. Allerdings blieb Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bis zum Ende ihrer Amtszeit eine Antwort auf Macrons damaligen Vorstoß schuldig. Ihr Nachfolger Olaf Scholz (SPD) hielt vor knapp zwei Jahren eine europapolitische Grundsatzrede in Prag, in der er die Bedeutung der deutsch-französischen Freundschaft für Europa betonte, jedoch nicht näher darauf einging. Beides stieß in Frankreich auf wenig Begeisterung.

Reaktion von Olaf Scholz

Nun reagierte Kanzler Scholz prompt, er unterstütze die von Macron vorgeschlagenen Maßnahmen für ein wirtschaftlich starkes, sicheres Europa. Gemeinsames Ziel von Frankreich und Deutschland sei es, «dass Europa stark bleibt», so Scholz auf der Plattform X (vormals Twitter). «Deine Rede enthält gute Impulse, wie uns das gelingen kann», fügte er hinzu. «Gemeinsam bringen wir die EU voran: politisch und wirtschaftlich», sagte Scholz. Macron wiederum hob in seiner eindreiviertel stündigen Rede mehrfach die deutsch-französische Kooperation lobend hervor.

Bei seinem zweiten in Frankreich seit Tagen groß angekündigten Sorbonne-Auftritt versuchte Macron auch im Vorfeld der Europawahl, seinem Lager den Rücken zu stärken. Nach Umfragen liegen derzeit die Rechtspopulisten von Marine Le Pen, die einen europakritischen und auf Frankreich zentrierten Kurs fahren, deutlich vorn. Nach der jüngsten Opinionway-Umfrage kommt das Präsidentenlager auf 19 Prozent hinter dem Rassemblement National von Le Pen mit 29 Prozent. Laut Umfrage sind die Sozialisten derzeit mit 12 Prozent drittstärkste Kraft.

dpa