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Magdeburg-Anschlag – Wer übernimmt Verantwortung?

Wie war der Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Magdeburg möglich? Hätte er verhindert werden können? Die Behörden in Sachsen-Anhalt sehen jeweils andere Stellen in der Verantwortung.

Kurz vor Weihnachten war ein 50-Jähriger aus Saudi-Arabien mit einem Auto über den Magdeburger Weihnachtsmarkt gerast. (Archivbild)
Foto: Heiko Rebsch/dpa

Knapp vier Monate nach dem Anschlag auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt hat der Stadtrat entschieden: Es wird auch dieses Jahr wieder einen Weihnachtsmarkt in der Landeshauptstadt von Sachsen-Anhalt geben – und zwar am gleichen Ort, an dem der Anschlag stattfand, auf dem Alten Markt vor dem Rathaus. Dort war im vergangenen Jahr ein Mann aus Saudi-Arabien mit einem Leihwagen durch die Menge gefahren, hatte sechs Menschen getötet und mehr als 300 zum Teil schwer verletzt.

Die Vorbereitungen für den Weihnachtsmarkt laufen bereits, die Aufarbeitung des Anschlags auch: Es gibt einen Untersuchungsausschuss im Landtag von Sachsen-Anhalt und einen Sonderausschuss im Stadtrat. Hätte der Weihnachtsmarkt besser geschützt werden müssen? Größere Konsequenzen gibt es bisher nicht. Was aber ist in den vergangenen vier Monaten in Magdeburg geschehen?

Die Opfer – Entschädigungen geplant

Laut der Generalstaatsanwaltschaft Naumburg wurden bei dem Anschlag am 20. Dezember 2024 327 Personen körperlich verletzt und sechs Menschen getötet. Die ersten Hilfen für die Betroffenen wurden unmittelbar nach der Todesfahrt eingeleitet, außerdem ist geplant, finanzielle Unterstützung zu leisten.

Der Täter – die Ermittlungen dauern

Die Ermittlungen zum Täter Taleb A. haben für die Staatsanwaltschaft Priorität. Es wird ein psychiatrisches Gutachten in Auftrag gegeben, das jedoch bisher noch nicht vorliegt. Aufgrund der mangelnden Kooperation des Mannes gestaltet sich die Begutachtung als schwierig, so Justizkreise. Der Täter befindet sich in Untersuchungshaft.

Taleb A. wurde in dieser Woche erneut aus dem Gefängnis Dresden in die JVA Leipzig mit Krankenhaus verlegt. Es wird berichtet, dass er zuletzt teilweise die Nahrungsaufnahme verweigert und sich durch aufmüpfiges Verhalten hervorgetan hat.

Der mögliche Prozess – viele Nebenkläger zu erwarten

Sollte es zu einer Anklage gegen Taleb A. kommen, steht die Justiz in Sachsen-Anhalt vor einer Herausforderung. Bisher haben sich mehr als 80 Nebenkläger gemeldet, die möglicherweise alle mit ihren eigenen Anwälten kommen würden. Es gibt keinen Gerichtssaal, in dem ein Prozess mit mehreren Hundert Beteiligten stattfinden könnte. Es werden alternative Lösungen geprüft. In Hessen wurde für einen Reichsbürger-Prozess einmal eine Metall-Leichtbauhalle errichtet – möglicherweise wird eine ähnliche Lösung auch hier in Betracht gezogen.

Die politische Aufarbeitung

Der parlamentarische Untersuchungsausschuss im Landtag befasst sich zunächst mit der Tat selbst und dem Rettungseinsatz. Unmittelbar nach dem Anschlag erhielten die Rettungskräfte Unterstützung von zahlreichen Ersthelfern und Ärzten, die zufällig vor Ort waren. Dies trug dazu bei, dass es nach Ansicht der Mediziner im Ausschuss vergleichsweise wenige Tote gab, wie sie betonten.

Die Abgeordneten planen, sich später auch mit strukturellen Fragen zu befassen. In den kommenden Monaten wird untersucht, wie es möglich war, dass mehrere Sicherheitsbehörden regelmäßig mit dem Täter zu tun hatten, er aber letztendlich durch alle Maschen schlüpfte.

Die Frage nach der Verantwortung

Die Verantwortung für die Sicherheitslücken wird von den Behörden gegenseitig zugeschoben. Es gibt mehrere Anzeigen gegen Mitarbeiter der Stadt und des Weihnachtsmarkts. Es gab keine versenkbaren Poller im Bereich der Zufahrten.

Die Betreibergesellschaft weist den Vorwurf zurück, den Markt nicht abgesichert zu haben. Die Abwehr krimineller Gefahren wie Amok und Terror obliege den staatlichen Organen, sagte Geschäftsführer Paul-Gerhard Stieger der Deutschen Presse-Agentur. «Es gab im Rahmen der Abnahme keine Auflagen an die Weihnachtsmarkt GmbH.»

Die Stadt zeigt bei der Verantwortung in Richtung der Polizei. Es habe 2024 keine Hinweise von der Polizei auf eine konkrete Gefahr oder auf eine erhöhte Anschlagsgefahr gegeben, sagte ein Stadtsprecher. «Von der Polizei wurden auch im Rahmen der Stellungnahme zum Sicherheitskonzept auch in den Vorjahren keinerlei Hinweise auf eine erhöhte Anschlagswahrscheinlichkeit mit Kraftfahrzeugen gegeben.»

Die Polizei weist diesen Vorwurf zurück. Im vergangenen Jahr habe ein enger Austausch stattgefunden, «auch mit Blick auf mögliche Gefährdungslagen wie Terroranschläge oder Amokfahrten», sagte eine Polizeisprecherin. «Die abstrakte Gefährdungslage wurde kontinuierlich beobachtet und regelmäßig in gemeinsamen Besprechungen mit der Stadtverwaltung thematisiert.»

Es werde intensiv aufgearbeitet, was das Sicherheitskonzept zur technischen Absicherung von Flucht- und Rettungswegen vorsah und «ob diese Maßnahmen vom Veranstalter umgesetzt worden sind und wenn nicht, warum nicht».

dpa