Nun ist es offiziell: Jens Stoltenberg hat sein Amt an der Nato-Spitze an Mark Rutte übergeben. Der Neue gilt als äußerst erfahrener Außenpolitiker, doch es warten komplexe Aufgaben auf ihn.
Mark Rutte ist neuer Nato-Generalsekretär
Mark Rutte, der frühere niederländische Ministerpräsident, übernahm den Posten des Nato-Generalsekretärs von Jens Stoltenberg nach etwa zehn Jahren Amtszeit in einer Zeremonie im Hauptquartier der Allianz in Brüssel.
Rutte, 57 Jahre alt, wurde im Frühsommer von den Regierungen der 32 Mitgliedstaaten des transatlantischen Verteidigungsbündnisses für den Posten ausgewählt. Er wird ihn für mindestens vier Jahre übernehmen. Danach könnte sein Mandat verlängert werden.
Herausforderungen inmitten globaler Krisen
In diesen vier Jahren spielt Rutte eine wichtige Rolle in der Allianz: Als Generalsekretär der Nato muss er Kompromisse zwischen den Mitgliedstaaten schmieden. Da er auch Handlungsvorschläge machen kann, spielt er insbesondere in Zeiten von Krisen oder Konflikten eine entscheidende Rolle. Zudem ist er der Personalchef und leitet als oberster Verwaltungsbeamter das Nato-Hauptquartier. All diese Aufgaben machen ihn zu einer Schlüsselfigur der Sicherheitspolitik.
Die NATO ist das bedeutendste sicherheitspolitische Bündnis auf globaler Ebene. Es vereint die Sicherheitsinteressen Europas und Nordamerikas. Derzeit sind 32 Mitgliedsländer Teil dieses Bündnisses, die gemeinsam ihre sicherheits- und verteidigungspolitischen Ziele verfolgen. Im Fall eines Angriffs haben sich die Staaten zur gegenseitigen Unterstützung verpflichtet.
Der Machtwechsel von Stoltenberg zu Rutte findet in einer Zeit vieler Krisen statt. Der russische Angriffskrieg in der Ukraine wütet an den Grenzen des Verteidigungsbündnisses. Stoltenberg warb in der Vergangenheit beharrlich für eine größtmögliche Unterstützung der Ukraine mit westlichen Waffensystemen. Die Ukraine wird wohl hoffen, dass Rutte diesen Kurs fortsetzt. «Wir müssen sicherstellen, dass die Ukraine als souveräne, unabhängige, demokratische Nation bestehen kann», betonte der Niederländer zumindest kurz vor der Amtsübergabe.
Rutte gilt als «Trump-Flüsterer»
Eine besondere Herausforderung könnte für den Niederländer aus den USA entstehen. Wenn der ehemalige US-Präsident Donald Trump im November gegen die demokratische Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris gewinnen sollte, könnte die Zukunft der Nato auf dem Spiel stehen. Trumps Äußerungen hatten in der Vergangenheit Zweifel daran aufkommen lassen, ob die USA unter seiner Führung uneingeschränkt zu ihren Verpflichtungen stehen würden. Trump drohte sogar zeitweise mit einem Austritt der USA aus dem Bündnis. Stoltenberg fungierte als geschickter Vermittler und moderierte unter anderem den eskalierten Streit während Trumps Amtszeit über die Verteidigungsausgaben der europäischen Alliierten.
Auch der Niederländer hat schon Erfahrungen im Umgang mit Trump gesammelt – er erwarb sich sogar den Ruf als «Trump-Flüsterer». Während eines Treffens mit Rutte im Jahr 2019 sagte Trump, er und Rutte seien Freunde geworden. Er bezeichnete die Beziehungen zwischen den Niederlanden und den USA so gut wie nie zuvor. Rutte wird zugetraut, einen gewissen Einfluss auf Trump zu haben. Kurz vor der Amtsübergabe sagte er in Brüssel, dass er sowohl mit Harris als auch mit Trump arbeiten könne, «egal, wie die Wahlen ausgehen».
Ein erfahrener Krisenmanager
Auch abseits seines Rufs als «Trump-Flüsterer» bringt Rutte langjährige Erfahrung in der internationalen Politik mit. Fast 14 Jahre war der studierte Historiker Regierungschef der Niederlande. Er gilt als einer, der den Laden zusammenhalten kann. «Er betrachtet sich als Problemlöser, als Manager», sagt seine Biografin, die renommierte Kolumnistin Sheila Sitalsing – als «Manager der Firma Niederlande».
Bislang «managte» Norweger Stoltenberg die Nato. Zehn Jahre hatte der 65-Jährige das Amt inne – länger war bislang nur Ruttes Landsmann Joseph Luns der höchste internationale Beamte der Nato. Dieser amtierte von 1971 bis 1984.
Neues Amt für Stoltenberg
Nach seinem Abschied soll Stoltenberg nun ein neues gewichtiges Amt übernehmen: Es wird berichtet, dass er im kommenden Jahr Christoph Heusgen als Chef der Münchner Sicherheitskonferenz (MSC) ablösen soll. Die Deutsche Presse-Agentur hat bestätigt, dass entsprechende Berichte aus mehreren Quellen stammen. Die Münchner Sicherheitskonferenz hat sich seit ihrer Gründung 1963 zu einem der bedeutendsten internationalen Foren zur Sicherheitspolitik entwickelt.