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Massenproteste in Israel gegen Eroberungspläne für Gaza

UN-Sicherheitsrat befasst sich mit Israels Kriegsplänen, während Vermittler an umfassendem Abkommen arbeiten.

In Israel kommt es wegen der beschlossenen Ausweitung des Gaza-Krieges zu Massenprotesten.
Foto: Ohad Zwigenberg/AP/dpa

Die geplante Eroberung der Stadt Gaza durch Israel löst auch im eigenen Land massive Proteste aus. In Tel Aviv und anderen Städten forderten Zehntausende Menschen einen Deal zur Freilassung der im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln. Während sich der UN-Sicherheitsrat heute ab 16.00 Uhr MESZ bei einer Dringlichkeitssitzung mit Israels Kriegsplänen befasst, arbeiten die Vermittler Katar und die USA laut einem Medienbericht an einem neuen Vorschlag für ein umfassendes Abkommen zur Beendigung des Krieges.

Er solle den Kriegsparteien innerhalb der nächsten zwei Wochen vorgelegt werden, zitierte die US-Nachrichtenseite «Axios» informierte Quellen. Der US-Sondergesandte Steve Witkoff habe sich hierzu im spanischen Ibiza mit dem katarischen Regierungschef Mohammed bin Abdulrahman Al Thani getroffen. Auch das israelische Nachrichtenportal «ynet» berichtete unter Berufung auf Quellen aus dem Umfeld der islamistischen Hamas, dass intensive Kontakte mit Israel stattfänden – vermittelt durch die USA, Ägypten und Katar – mit dem Ziel, eine vollständige israelische Einnahme des Gazastreifens zu verhindern.

Neuer Vorstoß zur Beendigung des Krieges

Das israelische Sicherheitskabinett unter Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hatte am Freitag beschlossen, dass das Militär die Stadt Gaza im Norden des abgeriegelten Küstenstreifens einnehmen soll. Es wurde allerdings nicht gesagt, wann genau mit der Eroberung der Stadt begonnen werden soll. Dadurch bleibe mehr Zeit, um eine diplomatische Lösung zu erreichen, zitierte «Axios» einen ranghohen israelischen Beamten. Bisherige Bemühungen um eine vorläufige Waffenruhe und die Freilassung von Geiseln waren ergebnislos verlaufen.

Der vom israelischen Sicherheitskabinett beschlossene Plan hatte weltweit Kritik ausgelöst. UN-Generalsekretär António Guterres warnte vor einer «gefährlichen Eskalation». Deutschland, Großbritannien, Italien, Neuseeland und Australien kritisierten die Pläne zur Eroberung der Stadt Gaza. Die Offensive würde die humanitäre Lage verschärfen, das Leben der Geiseln in Gefahr bringen und könnte zur massiven Vertreibung von Zivilisten führen, hieß es in einer gemeinsamen Stellungnahme der Außenministerien der fünf Länder. 

Streit in der Union wegen Rüstungsembargo

Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hat angekündigt, dass vorerst keine Ausfuhren von Rüstungsgütern genehmigt werden, die im Gaza-Krieg eingesetzt werden könnten. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu warf daraufhin Deutschland vor, mit dieser Entscheidung die Hamas zu belohnen. Sein Büro teilte mit, dass er seine Enttäuschung in einem Gespräch mit Merz zum Ausdruck gebracht habe.

Kanzleramtsminister Thorsten Frei (CDU) wies Vorwürfe auch aus den Reihen der Union zurück, die Bundesregierung vollziehe mit dem Beschluss einen riskanten Kurswechsel in ihrer Israel-Politik. «Es darf überhaupt kein Zweifel daran bestehen, dass die Grundlinien der deutschen Israel-Politik unverändert bleiben», sagte Frei der Deutschen Presse-Agentur. «Deutschland unterstützt Israel weiter bei allem, was notwendig ist, seine Existenz und seine Sicherheit zu verteidigen.» 

Für heute ist eine Videoschalte der Außenpolitiker der CDU/CSU-Bundestagsfraktion geplant. Die AG Außen werde die aktuelle außenpolitische Entwicklung besprechen, hieß es aus Fraktionskreisen. Zuvor hatte die «Bild»-Zeitung über die Sitzung berichtet. Demnach soll auch der außenpolitische Berater des Bundeskanzlers, Günter Sautter, zugeschaltet werden.

Massenproteste in Israel gegen Kriegsausweitung 

Bei den Massenprotesten in Israel forderte das Forum der Geisel-Angehörigen ein umfassendes Abkommen zur Beendigung des Krieges. Die Angehörigen befürchten, dass die Einnahme der Stadt Gaza das Todesurteil für Ihre Liebsten bedeuten würde. Nach israelischer Einschätzung befinden sich noch 20 lebende Geiseln in der Gewalt der Hamas. Vor dem Militär-Hauptquartier in Tel Aviv forderten Redner laut der «Times of Israel» die Soldaten dazu auf, sich nicht an der Ausweitung des Krieges zu beteiligen. Sie riefen zudem Israels Opposition sowie Vertreter aus Wirtschaft, Gewerkschaften und Wissenschaft dazu auf, das Land lahmzulegen.

Die Stadt Gaza ist das größte Bevölkerungszentrum im nördlichen Teil des Gazastreifens. Hunderttausende Palästinenser leben dort. Es wird angenommen, dass sich dort auch einige der israelischen Geiseln befinden. Israels Führung hat nicht angegeben, wann der militärische Einsatz zur Einnahme der Stadt beginnen soll. Militäranalysten erklärten dem «Wall Street Journal», der Einsatz könne sich über Wochen oder Monate hinziehen. 

Chance für neue Verhandlungen? 

Israel hoffe offenbar, dass der verstärkte militärische Druck die Hamas dazu bringt, zu den eigenen Bedingungen an den Verhandlungstisch zurückzukehren, sagten Analysten der US-Zeitung. Der Einsatz könne jederzeit ausgesetzt werden. Es gibt jedoch Zweifel, ob die Drohung einer Besetzung ausreicht, um einen Durchbruch bei den indirekten Verhandlungen zu bewirken. «Die Kluft zwischen Israel und der Hamas in Bezug auf die Beendigung des Krieges ist enorm, daher ist es wahrscheinlich sinnlos, zu diesem Zeitpunkt von einem umfassenden Abkommen zu sprechen», zitierte «Axios» einen israelischen Beamten. 

Israels Sicherheitskabinett hatte laut Angaben des Büros von Netanjahu fünf Prinzipien beschlossen, um den Krieg zu beenden. Diese beinhalteten die militärische Kontrolle des Küstengebiets durch Israel, die vollständige Entwaffnung der Hamas sowie die Entmilitarisierung des Gazastreifens. Danach sollte dort eine alternative Zivilregierung eingesetzt werden.

Der Gaza-Krieg begann mit dem Angriff der Hamas und anderer palästinensischer Terrororganisationen auf Israel am 7. Oktober 2023, bei dem ungefähr 1.200 Menschen ums Leben kamen und mehr als 250 als Geiseln nach Gaza gebracht wurden. Laut der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde in Gaza wurden seitdem mehr als 61.000 Menschen getötet. Diese schwer nachvollziehbare Zahl macht keinen Unterschied zwischen Zivilisten und Kämpfern.

dpa