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Israel billigt von den USA vermittelte Waffenruhe

Israelischer Sicherheitskabinett stimmt Waffenruhe zu, Netanjahu warnt vor Verletzung und droht mit Angriffen. Hisbollah soll sich zurückziehen.

Der Krieg hat im Libanon in vielen Dörfern zu Zerstörung geführt.
Foto: Bilal Hussein/AP

Mehr als ein Jahr nach Beginn des Kriegs mit der libanesischen Hisbollah-Miliz hat das israelische Sicherheitskabinett unter Leitung von Regierungschef Benjamin Netanjahu nach übereinstimmenden Berichten israelischer Medien eine von den USA vermittelte Waffenruhe gebilligt. Sie solle am Mittwochvormittag in Kraft treten, berichteten das Nachrichtenportal ynet und der Sender Channel 12. Zuvor war berichtet worden, die Waffen sollten zunächst für 60 Tage schweigen. «Die Dauer der Waffenruhe hängt davon ab, was im Libanon geschieht», warnte Netanjahu jedoch im Fernsehen. 

Nach der Einstellung der Kämpfe soll sich die Iran-treue Miliz den zunächst unbestätigten Berichten zufolge zunächst hinter den Litani-Fluss etwa 30 Kilometer nördlich der faktischen israelisch-libanesischen Grenze zurückziehen. Danach sollten Israels Bodentruppen innerhalb von 60 Tagen aus dem Libanon abziehen. «Wenn die Hisbollah das Abkommen verletzt und versucht, sich zu bewaffnen, werden wir angreifen», betonte Netanjahu. 

Libanesische Armee soll die Hisbollah von der Grenze fernhalten

Soldaten der libanesischen Armee, die nicht am Krieg beteiligt sind, sollen stationiert werden, um eine Rückkehr von Hisbollah-Kämpfern zu verhindern, während Israel sich aus dem Grenzgebiet zurückzieht, berichteten Medien übereinstimmend aus Verhandlungskreisen. Eine Staatengruppe unter Führung der USA, zusammen mit Frankreich, dem Libanon, Israel und der UN-Friedenstruppe Unifil, soll die Vereinbarung überwachen. Diese Überwachungskommission soll sicherstellen, dass sich die Miliz nicht erneut bewaffnet. In einem späteren Schritt sollen Israel und der Libanon auch über strittige Grenzfragen verhandeln.

UN-Resolution von 2006 als Blaupause 

Die Übereinkunft entspricht den vorliegenden Berichten zufolge weitgehend der UN-Resolution 1701, mit der nach dem vergangenen Krieg 2006 vergeblich versucht worden war, ein dauerhaftes Ende der Gewalt zu erreichen. US-Vermittler Amos Hochstein hatte die Bedingungen der neuen Einigung deshalb auch als «1701 Plus» bezeichnet.

Die israelische Regierung hatte sich zudem absichern wollen für den Fall, dass die Hisbollah die Vereinbarung bricht und die libanesische Armee und die internationale Staatengruppe untätig bleiben – etwa bei neuen Angriffen der Miliz auf Israel. Für diesen Fall wollte Israel sich von den USA schriftlich das Recht zusichern lassen, jederzeit militärisch im Libanon eingreifen zu können. Dieser Brief sei aber nicht Teil der Einigung zur Waffenruhe. «Mit dem vollen Einverständnis der USA behalten wir die volle militärische Handlungsfreiheit», sagte Netanjahu im Fernsehen.

Nach unbestätigten israelischen Medienberichten soll Israel das Recht bekommen, auf unmittelbare Bedrohungen sofort militärisch zu reagieren. Zum Beispiel, wenn Raketen abgefeuert werden sollten. Bei «sich entwickelnden» Bedrohungen, wie etwa das Graben von Angriffstunneln, müsse Israel jedoch erst die internationale Staatengruppe alarmieren.

Ein entscheidender Aspekt der Vereinbarung betrifft auch das Waffenarsenal der Hisbollah, die vor Kriegsbeginn von Experten als eine der stärksten paramilitärischen Gruppen der Welt eingestuft wurde. Die Regierung des Libanon – derzeit nur geschäftsführend im Amt – soll sicherstellen, dass alle Waffenverkäufe an das Land sowie deren Produktion so überwacht werden, dass sie nicht in die Hände der Hisbollah oder anderer bewaffneter Gruppen gelangen.

Zweifel an Aufsicht zu Hisbollah-Waffen

Es ist unklar, ob eine erneute Bewaffnung der Hisbollah verhindert werden kann, da sie im Libanon sehr stark ist und der Staat wenig Kontrolle über sie hat. Trotz der UN-Resolution 1701 von 2006, die eine Überwachung vorsah, konnte die Hisbollah ihr Waffenarsenal seitdem erheblich erweitern. Experten zufolge bezieht die Miliz den Großteil ihrer Waffen, darunter Tausende Raketen und Drohnen, aus dem Iran, hauptsächlich über Syrien auf dem Landweg.

Es wird auch bezweifelt, ob die geplante Stationierung von insgesamt 10.000 Soldaten der libanesischen Armee – 5.000 sind bereits im Süden – dazu beitragen kann, den Konflikt zu beruhigen. Die Armee ist unterfinanziert und gilt als sehr schwach, sodass sie bei erneuten Kämpfen wahrscheinlich wieder zwischen die Fronten geraten würde, anstatt sie zu verhindern. Laut Angaben der UN-Friedenstruppe Unifil wurden seit Kriegsbeginn 45 libanesische Soldaten getötet.

Hisbollah macht Beschuss nicht mehr von Gaza abhängig

Laut eigenen Angaben hat die Miliz Israel beschossen, um die islamistische Hamas zu unterstützen, die den Gaza-Krieg mit dem Terrorangriff vom 7. Oktober 2023 ausgelöst hat. Nach Angaben des israelischen Militärs feuerte die Hisbollah seit Kriegsbeginn mehr als 17.000 Raketen auf Israel ab. Ursprünglich plante die Miliz, den Beschuss erst zu beenden, wenn eine Waffenruhe im Gazastreifen erreicht sei. Diese Bedingung hat sie nun aufgegeben.

Bei den starken Luft- und Bodenangriffen Israels wurden zahlreiche Dörfer und Stadtviertel auf der libanesischen Seite zerstört. Laut Analysen des britischen Datenprojekts ACLED griff Israel im Libanon etwa fünfmal häufiger an als die Hisbollah in Israel. Die israelische Armee teilte mit, dass insgesamt etwa 12.000 Ziele im Libanon bombardiert wurden. Die heftigsten Luftangriffe auf den Großraum Beirut fanden nur Stunden vor der Ankündigung des Waffenstillstands statt.

Israels Armee hat die Angriffe auf die Hisbollah seit September stark erhöht und kurz darauf eine Bodenoffensive gestartet. Laut offiziellen Zahlen wurden im Libanon seit Kriegsbeginn mehr als 3.700 Menschen bei israelischen Angriffen getötet und etwa 15.500 verletzt. Es wurde nicht zwischen Zivilisten und Bewaffneten unterschieden. Über 800.000 Menschen im Libanon wurden durch den Krieg vertrieben, Hunderttausende weitere flohen nach Syrien.

Im gleichen Zeitraum gab es in Israel 76 Tote durch Angriffe der Hisbollah, wobei die Mehrheit Zivilisten waren. Es gab auch mehr als 700 Verletzte und beträchtliche Sachschäden. Israels Raketenabwehr konnte jedoch die meisten Geschosse der proiranischen Miliz abfangen. Etwa 60.000 Bewohner Nordisraels wurden evakuiert.

Bewohner von Ortschaften im Norden Israels kritisierten die Waffenruhe. «Ich verstehe nicht, wie wir vom totalen Sieg zur totalen Kapitulation gekommen sind», sagte der Bürgermeister des grenznahen Ortes Kiriat Schmona, Awichai Stern. Netanjahu traf sich mit Vertretern der Kommunen im Norden, um sie von der Waffenruhe zu überzeugen. Auch Politiker der Opposition monierten, dass die Waffenruhe zu früh komme und die Hisbollah nicht ausreichend geschwächt worden sei.

dpa