Wenn Schmerzen in der Schulter, am Knie oder der Hüfte zur Belastung werden, geraten viele Patienten beim Arzt an fragwürdige Therapien. Ihr Nutzen? Die Krankenkassen ziehen ein ernüchterndes Fazit.
Mehr Schäden als Nutzen durch Knie-Spritzen und Co

Deutschlands Krankenkassen warnen Patientinnen und Patienten vor möglichen Schäden und Nebenwirkungen durch Selbstzahlerleistungen beim Arzt. So verursachen Spritzen gegen Knie- oder Hüftschmerzen wegen Arthrose regelmäßig Schäden, wie der Medizinische Dienst Bund bei der Präsentation seines neuen IGeL-Monitors mitteilte. Die Schmerzreduktion sei hingegen so minimal, «dass sie klinisch nicht von Bedeutung ist».
IGeL steht für individuelle Gesundheitsleistungen in ärztlichen Praxen. Laut dem Medizinischen Dienst der Krankenkassen geben gesetzlich Versicherte jedes Jahr mindestens 2,4 Milliarden Euro dafür aus – von Augenheilkunde bis zur Urologie. Die Orthopädie ist mit 397 Millionen Euro eines der drei umsatzstärksten Fachgebiete im IGeL-Markt.
Bei den Knie- und Hüftspritzen handelt es sich um Infektionen mit Hyaluronsäure, die den Mangel an Gelenkflüssigkeit ausgleichen soll. Der Medizinische Dienst erklärte, dass diese Injektionen seit über 50 Jahren anhand von Studien mit zehntausenden Patientinnen und Patienten bewertet wurden. Demnach überwiegen mögliche Schäden deutlich den Nutzen.
Stoßwellen bei Schulterschmerzen
Auch Kalkschulter und Tennisarm treiben viele Patientinnen und Patienten in die Praxis, beeinträchtigt durch Schmerzen und verringerte Bewegungsfähigkeit. Hier wird ihnen oft Stoßwellentherapie angeboten, auch dies eine Selbstzahlerleistung. Und das, obwohl laut der Krankenkassen-Erhebung kaum aussagefähige Studien zu der Therapie vorliegen. Bringt Stoßwellentherapie etwas? «Unklar», lautete das Urteil des Medizinischen Dienstes.
Bilanz ernüchternd
Der IGeL-Monitor überprüft allmählich die verschiedenen angebotenen Therapien. Die Expertinnen und Experten zogen nun ein ernüchterndes Fazit. Von 60 geprüften IGeL werden 31 Leistungen negativ bewertet. Bei 26 ist das Ergebnis aufgrund fehlender Studien unklar. Nur 3 Selbstzahlerleistungen schneiden tendenziell positiv ab.
«Wir brauchen Fakten statt Werbung»
Der Vorsitzende des Medizinischen Dienstes Bund, Stefan Gronemeyer, sagte: „Vieles schade mehr, als dass es nütze.“ Er erklärte, dass IGeL trotzdem häufig durchgeführt würden, weil Patientinnen und Patienten in vielen Praxen nicht ausreichend informiert seien.
Eine Umfrage des Medizinischen Dienstes zeigt: Viele Versicherte denken, die Leistungen seien sinnvoll, würden aber nicht mehr von den Kassen angeboten. «Das ist falsch», sagte Gronemeyer. Er kritisierte Nutzenversprechen durch Praxisflyer und -TV. An die Adresse niedergelassener Ärzte sagte Gronemeyer: «Wir brauchen Fakten statt Werbung in den Wartezimmern.»