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Chaostage bei der Berliner Linken: Abgeordnete verlassen Partei wegen Antisemitismusstreit

Eine Reihe inhaltlicher und strategischer Klärungsprozesse sind für die Linke unabdingbar, um künftig erfolgreich zu sein. Es steht aber nach wie vor aus.

Hat nach einem Eklat die Linke verlassen: der ehemalige Senator Klaus Lederer. (Archivbild)
Foto: Paul Zinken/dpa

Bei der Berliner Linken herrschen chaotische Zustände: Fünf prominente Abgeordnete haben die Partei verlassen, nachdem es zu einem Streit über den richtigen Weg im Kampf gegen Antisemitismus kam. Die ehemaligen Senatoren Elke Breitenbach, Klaus Lederer und Sebastian Scheel, der frühere Fraktionsvorsitzende Carsten Schatz sowie der Rechtsexperte Sebastian Schlüsselburg sind betroffen. Die Linke-Fraktion im Abgeordnetenhaus, die bisher aus 21 Mitgliedern bestand, gab bekannt, dass die Politiker trotzdem weiterhin mitarbeiten wollen.

In einer via Social Media verbreiteten Erklärung der fünf Abgeordneten hieß es, für die Linke seien eine Reihe inhaltlicher und strategischer Klärungsprozesse unabdingbar, um künftig wieder erfolgreich zu sein. «Dies haben wir immer wieder eingefordert und uns daran beteiligt. Es steht aber nach wie vor aus.»

https://x.com/ElkeBreitenbach/status/1849081360784236668

Scharfe Kritik an Partei 

Die Politiker berichten, dass es ihnen seit einiger Zeit immer schwieriger fällt, ihre inhaltlichen Positionen im Berliner Landesverband zu vertreten. Dies hätten sie bei der klaren Positionierung zum Antisemitismus sowie bei der Frage der Solidarität mit der von Russland angegriffenen Ukraine erlebt. Aus diesem Grund haben sie nun mit Bedauern ihren Austritt erklärt.

Eklat bei Parteitag 

Bei einem Landesparteitag am 11. Oktober kam es zu einer hitzigen Debatte und einem Eklat. Auslöser war ein Antrag, der von Lederer und anderen Politikern unterstützt wurde, die nun abtrünnig sind. Der Antrag befasste sich mit der Ablehnung von Antisemitismus, einschließlich Judenhass von links.

Dort wurde unter anderem als äußerst alarmierend bezeichnet, dass Menschen, die sich politisch links verorten, das Massaker der Hamas vor einem Jahr relativiert und mitunter sogar gefeiert hätten oder zur Vernichtung Israels aufgerufen werden. Nachdem es keine Einigung über das Papier gab, verließen mehrere Delegierte, darunter Lederer und die Bundestagsabgeordnete Petra Pau, die Versammlung.

Nach dem Parteitag haben bereits der ehemalige Fraktionschef der Linken im Abgeordnetenhaus, Udo Wolf, und der ehemalige Bezirksbürgermeister von Pankow, Sören Benn, die Partei verlassen. Zudem wurde vor allem in den sozialen Medien lebhaft über die Vorkommnisse diskutiert.

Abtrünnige beklagen «unvereinbare Positionen»

«Differenzen in der Sache werden stärker denn je auch über die sozialen Netzwerke personalisiert ausgetragen und zu Machtkämpfen erklärt», beklagen Lederer & Co in ihrer Erklärung. Diese Tendenz habe es in der Partei zwar immer gegeben. «Inzwischen sind wir aber an einem Punkt angelangt, an dem sich in für unser Selbstverständnis zentralen politischen Fragen unvereinbare Positionen verfestigt gegenüberstehen und eine nötige sachliche und inhaltliche Erklärung nicht stattfindet.»

Viel Bedauern über Parteiaustritte

Die Linke-Landesvorsitzenden Franziska Brychcy und Maximilian Schirmer nahmen die Austritte «mit großem Bedauern» zur Kenntnis. «Diese Entscheidungen sind zu respektieren. Sie sind ein großer Verlust für unsere Partei», erklärte das Führungsduo. Breitenbach, Lederer, Schatz, Scheel und Schlüsselburg hätten die Linke Berlin mit aufgebaut und in Oppositions- wie Regierungszeiten über viele Jahre geprägt. 

«Wir sind uns bewusst, dass wir als Partei viele Aufgaben vor uns haben», so Brychcy und Schirmer. Einen am Dienstagabend «in großer Einigkeit» verabschiedeten Beschluss des Landesvorstands zum Thema Antisemitismus wollen man nun umsetzen. «Gerade jetzt brauchen wir jede aktive Unterstützung, unsere Türen bleiben offen.» Auch die Fraktionsvorsitzenden Anne Helm und Tobias Schulze bedauerten die Parteiaustritte, ebenso Linke-Bundesgeschäftsführer Janis Ehling. 

Resolution sollte Konflikt entschärfen

Mit der Resolution des Linke-Vorstandes verband die Parteispitze die Hoffnung, die Situation nach dem Eklat auf dem Parteitag zu befrieden. Dort wird angekündigt, ein Maßnahmenpaket gegen Antisemitismus zu erarbeiten und den parteiinternen Streit über das Thema aufzuarbeiten. Zudem solle der Dialog mit jüdischen Gemeinden sowie mit «von Antisemitismus und Rassismus betroffenen Communities» fortgesetzt werden. 

«Wir stehen entschlossen gegen jeden Antisemitismus», heißt es in dem Beschluss weiter. «Dies ist in der Breite der Partei Konsens. Für uns gehören der Kampf gegen Antisemitismus und der Kampf gegen Rassismus zusammen.» 

Parteispitze: «Stehen gegen jeden Antisemitismus» 

Genossen, die öffentlich oder intern angefeindet würden, müssten geschützt und verteidigt werden. «Unsere Solidarität endet aber dort, wo das Massaker des 7. Oktober als Akt des Widerstandes gefeiert wird oder die Kriegsverbrechen der israelischen Armee bejubelt werden.» Verwiesen wird zudem auf einen Beschluss des jüngsten Linke-Bundesparteitags in Halle zum Nahost-Konflikt, in dem ein «sofortiger Waffenstillstand in Israel und Palästina» gefordert wird. 

Lederer & Co. kritisierten das Papier, das ohne ihr Zutun erarbeitet worden sei. «Die gestern beschlossene Resolution des Landesvorstands bleibt weitgehend dem Modus treu, die zutage tragenden Differenzen verbal zu umschiffen», erklärten sie. Im Hinblick auf die Ereignisse auf dem Landesparteitag und danach bleibe das Papier eher vage – «von Konsequenzen ganz zu schweigen». 

Hamas-Terrorangriff vor gut einem Jahr

Am 7. Oktober 2023 haben Terroristen der islamistischen Hamas und anderer Gruppen 1.200 Menschen in Israel getötet und 250 weitere als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Dies war der Auslöser für den bis heute andauernden Gaza-Krieg. Nach Angriffen aus dem Norden geht Israel auch militärisch gegen die mit der Hamas verbündete Hisbollah im Libanon vor. Seit dem Hamas-Terrorangriff ist weltweit die Zahl antisemitischer Vorfälle gestiegen, auch in Deutschland und Berlin.

dpa