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Merz in Washington: Treffen mit Trump im Weißen Haus

Der Antrittsbesuch des Kanzlers setzt den Ton für die deutsch-amerikanischen Beziehungen der kommenden Jahre. Finden die beiden einen Draht zueinander?

Zu Besuch bei Trump: Kanzler Merz in Washington.
Foto: Michael Kappeler/dpa

Es ist die bislang anspruchsvollste Auslandsreise für Friedrich Merz während seiner noch jungen Amtszeit als Kanzler: Um 00.51 Uhr Ortszeit landete der CDU-Politiker in Washington, wo er am späten Vormittag von US-Präsident Donald Trump im Weißen Haus empfangen wird. Geplant sind ein gemeinsames Mittagessen und eine der berüchtigten Pressebegegnungen im Oval Office, dem Büro des Präsidenten, das Trump mit viel Gold aufpoliert hat.

Für den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj wurde das Aufeinandertreffen dort Ende Februar zu einer tiefen Demütigung vor der Weltöffentlichkeit, die bis heute nachwirkt. Auch den südafrikanischen Präsident Cyril Ramaphosa führte Trump vor und versuchte mit einem Video seinen Vorwurf eines «Genozids» an weißen Bauern Nachdruck zu verleihen. 

Wie wird es Merz ergehen? Eines steht fest: Der etwa 17-stündige Antrittsbesuch des Kanzlers in Washington wird den Ton für die deutsch-amerikanischen Beziehungen der kommenden Jahre setzen. Es geht bei der ersten Begegnung nicht um konkrete politische Verständigungen, sondern schlicht um die Frage: Finden die beiden einen Draht zueinander?

Wie läuft das Treffen ab?

Der Besuch beginnt definitiv gut. Trump hat Merz angeboten, im Gästehaus des US-Präsidenten gegenüber vom Weißen Haus zu übernachten. Dort haben bereits in den letzten 80 Jahren der frühere französische Präsident Charles de Gaulle und Queen Elizabeth II. übernachtet. Es ist also nicht der schlechteste Ort, um einen so wichtigen Tag zu starten.

Um 11.30 Uhr Ortszeit geht es dann rüber ins Weiße Haus. Bei der Pressebegegnung im Oval Office sind in der Regel auch enge Berater des Präsidenten dabei – etwa Vizepräsident J.D. Vance und Außenminister Mark Rubio, die Deutschland und anderen europäischen Verbündeten die Beschneidung der Meinungsfreiheit und die Ausgrenzung von Parteien wie der AfD vorgeworfen haben.

Dieses Thema dürfte am ehesten Eskalationspotenzial haben. Sollte es aufkommen, dürfte Merz klare Worte finden. Er hat bereits mehrfach öffentlich deutlich gemacht, dass er die Kritik aus den USA für «übergriffig» hält. Die Teilnahme Rubios an dem Treffen ist von US-bestätigt. Vance wird dem Vernehmen nach diesmal aber möglicherweise fehlen. 

Wie lange dauert das Spektakel im Oval Office?

Es ist vollkommen offen. Bei Selenskyj dauerte es 50 Minuten, während der französische Präsident Emmanuel Macron nur 28 Minuten hatte, in denen dennoch 27 Fragen Platz fanden. 23 Fragen wurden an Trump gerichtet, nur vier an Macron. Der französische Präsident antwortete sowohl auf Englisch als auch auf Französisch – und das deutlich länger als Trump. Merz hat beschlossen, ohne Dolmetscher ins Weiße Haus zu gehen – eine vertrauensbildende Maßnahme.

Wie gut kennen sich die beiden schon?

Sie haben sich vor vielen Jahren nur einmal flüchtig in New York getroffen. Seit Merz vor vier Wochen sein Amt angetreten hat, haben sie mehrmals telefoniert – alleine und in größerer Runde zum Ukraine-Krieg. Merz hat mittlerweile die Handynummer des US-Präsidenten, kommuniziert regelmäßig per SMS mit ihm und spricht ihn mit Vornamen an – so die Angaben von deutscher Seite.

Über das erste Telefonat zu zweit sprach Merz vor wenigen Tagen beim WDR-Europaforum überraschend offen. «Wenn man mit ihm alleine spricht, das ist halt Small Talk», erzählte er da. «Und wichtig ist immer, dass man nicht so lange redet, sondern dass man kurz redet und ihn auch reden lässt.» 

Die beiden sprachen also unter anderem über den amerikanischen Papst und über die US-Metropole Chicago, für die beide eine Vorliebe haben. Merz hat eine ausgezeichnete Kenntnis der USA und hat sogar einmal für ein amerikanisches Unternehmen gearbeitet: die Investmentgesellschaft BlackRock.

Wie hat Merz sich vorbereitet?

Der Kanzler hat sich von mehreren Staats- und Regierungschefs, die bereits bei Trump waren, Ratschläge geben lassen, etwa von Selenskyj, Ramaphosa, der italienischen Regierungschefin Giorgia Meloni, Norwegens Ministerpräsident Jonas Gahr Støre und dem finnischen Präsidenten Alexander Stubb. Zu den Tipps zählte: Es kommt auf die ersten 30 Sekunden an.

Wie hat sich Trump bisher zu Merz geäußert?

Eigentlich gar nicht. Nach der Bundestagswahl in Deutschland feierte Trump zwar den Sieg der «konservativen Partei», nannte Merz aber nicht beim Namen. Nach dessen Wahl zum Kanzler übermittelte öffentlich lediglich Vance die Glückwünsche seines Chefs, und Rubio gratulierte Merz in einer schriftlichen Stellungnahme nach einem gemeinsamen Telefonat. Von Trump selbst aber kam öffentlich nicht wirklich etwas. Gar nicht vorzukommen, scheint aus deutscher Perspektive aber besser, als ins Visier des Präsidenten zu geraten.

Wieso?

In seiner ersten Amtszeit wurde Trump wegen seiner Kritik an Deutschland bekannt – insbesondere wegen der Verteidigungsausgaben und der Ostsee-Pipeline Nord Stream 2. Das Verhältnis war angespannt. Es ist bekannt, wie Trump bei einem Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel einen Handschlag vermied. In den ersten Monaten seiner neuen Amtszeit konzentrierte sich Trump hingegen auf andere Länder und kritisierte auch Europa insgesamt, vermied jedoch bisher ein Deutschland-Bashing wie zuvor.

Wie wird Merz bei Trump auftreten?

Zugewandt, aber selbstbewusst. «Man muss sich auf ihn einstellen und auf ihn einlassen. Und gleichzeitig darf man sich nicht kleiner machen, als wir sind», sagte er beim WDR-Europaforum. «Wir sind da keine Bittsteller.»

Was ist das Top-Thema des Besuchs?

Die Bemühungen um ein Ende des Krieges in der Ukraine. Merz hat sich dabei unter den Europäern an die Spitze gesetzt, zeigte sich zuletzt jedoch frustriert über mangelnde Fortschritte. In Washington wird er bei Trump dafür kämpfen, den Druck auf den russischen Präsidenten Wladimir Putin durch neue Sanktionen zu erhöhen, um ihn zu einer Waffenruhe zu bewegen.

Trump hat bisher nicht klar gemacht, ob er neue Sanktionen unterstützt oder wie er zu einem Gesetzentwurf des Kongresses steht. Die Ungeduld im Kongress wächst. Nach einem Telefonat mit Putin am Tag vor Merz‘ Besuch sagte Trump, dass er keinen sofortigen Frieden sieht. Obwohl er sich immer wieder auf seine enge Beziehung zum Kremlchef berufen hat und behauptete, er könne den Krieg innerhalb von 24 Stunden beenden, konnte der Republikaner bisher wenig erreichen.

Welches Thema steht noch ganz oben auf der Agenda?

Eine Lösung im Zollstreit mit den USA wird von der EU-Kommission verhandelt. Merz wird sich nicht in die Details einmischen, kann aber als Chef des wirtschaftsstärksten europäischen Landes Vertrauen schaffen. Die von Trump ursprünglich zum 1. Juni angedrohten Zölle von 50 Prozent haben nun eine Frist bis zum 9. Juli. Dennoch ist Trump auch in der Zwischenzeit für Überraschungen und unerwartete Provokationen bekannt – wie zuletzt bei der Verdopplung der Zölle auf Aluminium und Stahl, die auch Deutschland betrifft.

Was wird mit Blick auf den Nato-Gipfel besprochen?

Ende Juni treffen sich die Staats- und Regierungschefs der Militärallianz in Den Haag, um unter anderem über ihre Verteidigungsausgaben zu sprechen. Trump hat von den Bündnispartnern gefordert, fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts auszugeben. Nato-Generalsekretär Mark Rutte hat daraufhin eine Kompromissformel vorgeschlagen: 3,5 Prozent für das Militär und 1,5 Prozent für Infrastruktur wie Straßen oder Häfen, die für die Verteidigung relevant sein können.

Merz hat dem Vorschlag zugestimmt und ist damit Trump schon sehr entgegengekommen. Ob die kreative Rechnung dem Republikaner am Ende genügt, wird sich zeigen. Zumindest hat Trump inzwischen seine Teilnahme am Nato-Gipfel zugesagt – zuvor war unklar, ob er aus Unmut fernbleiben könnte. Zu einer Eskalation kommt es nun zumindest nicht.

dpa