Der CDU-Chef nennt drei prioritäre Themen und zeigt sich trotz schwieriger Ausgangslage zuversichtlich. Die SPD muss Personalfragen klären.
Merz will rasche Gespräche mit SPD führen, um Regierung zu bilden
Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz strebt nach seinem Wahlsieg rasche Gespräche mit der SPD über die Bildung einer neuen Bundesregierung an. Er sei «fest entschlossen, mit den Sozialdemokraten konstruktive, gute, zügige Gespräche zu führen», sagte er nach Sitzungen der CDU-Spitzengremien. Damit solle man in der Lage sein, «in etwa bis Ostern» eine Regierung zu bilden. Doch die unterlegene SPD muss zunächst mal ihre Personalfragen klären und versucht, Merz‘ Selbstgewissheit zu erschüttern.
Der CDU-Vorsitzende hat drei Themen genannt, die als Priorität besprochen werden sollten – die Migrationspolitik, die Wirtschaftspolitik und die Außen- und Sicherheitspolitik. Trotz der schwierigen Ausgangslage ist er optimistisch.
Klingbeil: Regierungsbeteiligung der SPD noch offen
Der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil dämpfte den Optimismus des CDU-Vorsitzenden. «Ob die SPD in eine Regierung eintritt, das steht nicht fest. Das sind Entscheidungen, die in den nächsten Wochen und Monaten getroffen werden», sagte er. Über eine mögliche Regierungsbeteiligung will die SPD ihre Mitglieder entscheiden lassen.
Klingbeil will Parteichef bleiben und am Mittwoch für den Fraktionsvorsitz kandidieren. Auch Co-Parteichefin Saskia Esken möchte ihren Posten behalten. Sie habe mehr als fünf Jahre mit großer Freude an der Geschlossenheit der Partei gearbeitet, sagte Esken – «und das gedenke ich auch weiter zu tun.» Olaf Scholz (SPD), der erneut ein Direktmandat in Potsdam gewonnen hat, will nach seiner Zeit als Bundeskanzler Abgeordneter bleiben.
Die SPD erzielte bei der Wahl am Sonntag mit Scholz als Kanzlerkandidat ein historisch schlechtes Ergebnis von 16,4 Prozent. Laut dem vorläufigen Ergebnis erhielten CDU und CSU 28,5 Prozent der Stimmen.
Weitere führende Politiker der drei früheren Ampel-Partner zogen derweil persönliche Konsequenzen. «Ich werde keine führende Rolle in den Personaltableaus der Grünen mehr beanspruchen oder anstreben», sagte Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck. Die Partei des Wirtschaftsministers war auf 11,6 Prozent abgesackt (2021: 14,7). Als neues Führungsduo für die Grünen-Fraktion werden Annalena Baerbock und Katharina Dröge gehandelt.
Kubicki fühlt sich berufen
Nach der verheerenden Wahlniederlage der FDP, die mit 4,3 Prozent aus dem Bundestag flog, stellt sich Parteivize Wolfgang Kubicki für eine Nachfolge des Vorsitzenden Christian Lindner auf. «Ich bin heute Nacht von so vielen Menschen aus der Partei und von Unterstützern gebeten worden, die Führung der Partei zu übernehmen, dass ich ernsthaft darüber nachdenke, im Mai zu kandidieren, um die Partei zusammenzuhalten und neu zu motivieren», schrieb der 72-Jährige auf der Kurznachrichtenplattform X.
Lindner hatte bereits angekündigt, seinen Rückzug anzutreten, als klar wurde, dass die FDP unter fünf Prozent bleiben würde. Am Montag trat auch der designierte Generalsekretär Marco Buschmann von seinem Amt zurück.
Weidel und Chrupalla wollen zusammen weitermachen
AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel und ihr Co-Parteichef Tino Chrupalla möchten weiterhin die AfD-Bundestagsfraktion führen, wie beide betonten. Die neue Fraktion wird sich am Dienstag erstmals treffen und darüber abstimmen. Die Partei hat ihr Ergebnis von 2021 auf 20,8 Prozent verdoppelt. In allen ostdeutschen Bundesländern außer Berlin war sie die stärkste Kraft – auch in Kaiserslautern und Gelsenkirchen.
Streitpunkt Zurückweisungen an den Grenzen
Merz bekräftigte unterdessen seine Forderung nach umfassenden Zurückweisungen an den deutschen Grenzen. Diese sollten jedoch zeitlich begrenzt sein, fügte er hinzu. Er hoffe, dass man ab 2026 mit der vereinbarten Reform der EU-Asylpolitik zu gemeinsamen Lösungen kommen werde. Aber: «Bis dahin können wir nicht warten.»
Grünen schlagen rasche Reform der Schuldenbremse vor
Mit Blick auf die weitere Unterstützung der Ukraine bei ihrer Verteidigung gegen Russland sprachen sich die Grünen dafür aus, dass noch der alte Bundestag eine Reform der Schuldenbremse beschließt. Merz ließ das offen: «Unsere Überlegungen dazu sind nicht abgeschlossen.» Für eine Reform der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse oder die mögliche Einrichtung eines Sondervermögens für Ukraine-Hilfen braucht es eine Zwei-Drittel-Mehrheit. Im neuen Bundestag haben AfD und Linke knapp mehr als ein Drittel der Sitze. Sie verfügen damit über eine sogenannte Sperrminorität.
Linkspartei: Wir überlassen der AfD nicht den Osten
Die Linke verkündete, ihr Ziel sei es, die AfD in Ostdeutschland mit sozialer Politik und Wählernähe systematisch zurückzudrängen. «Wir werden ihnen den Osten nicht überlassen», sagte Parteichefin Ines Schwerdtner. Die Linke erhielt 8,8 Prozent der Stimmen und konnte viele junge Wähler überzeugen.
BSW erwägt Klage
Das BSW war bei der Bundestagswahl denkbar knapp an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert. Nun denkt die Parteispitze über eine Überprüfung des 4,97-Prozent-Ergebnisses nach. Eine mögliche rechtliche Handhabe sieht sie, weil von den Wahlberechtigten im Ausland wegen kurzer Fristen viele ihre Stimme nicht hätten abgeben können. Die Co-Direktorin des Düsseldorfer Instituts für Parteienrecht, Sophie Schönberger, hält eine Klage allerdings für aussichtslos: Es gebe keinen Verfassungsanspruch auf Briefwahl, erklärte sie in der «Zeit».