Die politische Linie zu finden gestaltet sich schwierig, vor allem bei großen Konflikten wie dem Ukraine-Krieg und der Eskalation im Nahen Osten.
Schwierige Verhandlungen beim G7-Gipfel in Kanada

Überschattet von einem neuen Krieg beginnt in Kanada der erste Gipfel der G7-Gruppe seit Donald Trumps Rückkehr ins Weiße Haus. Als letzter der G7-Chefs landete der US-Präsident am Sonntagabend (Ortszeit) in Calgary. Heute soll er bei der ersten Arbeitssitzung am Tagungsort in Kananaskis in den Rocky Mountains einen Vortrag zur Weltwirtschaftspolitik halten.
Ist es in dieser Situation überhaupt möglich, eine einheitliche politische Linie unter den Teilnehmern zu finden? Die Ungewissheit und das Konfliktpotenzial beim diesjährigen Treffen führender demokratischer Wirtschaftsmächte sind groß – vor allem mit Blick auf den Ukraine-Krieg und die neue Eskalation im Nahen Osten.
Je mehr sich die G7-Staaten bei den großen Konflikten voneinander entfernen, desto größer ist die Gefahr, dass die Gruppe ihre politische Bedeutung verlieren könnte. US-Präsident Trump neigt zu Alleingängen und unerwarteten Vorstößen. Dies erschwert die Beratungen beim G7-Gipfel.
Die Erwartungen wurden bereits im Voraus gedämpft, es wird keine gemeinsame Abschlusserklärung geben. Dennoch planen Trump, Bundeskanzler Friedrich Merz und Co, über wichtige Themen zu sprechen. Es wird besonders interessant sein, über diese Aspekte zu diskutieren.
Der Konflikt zwischen Israel und dem Iran
Die jüngste Eskalation im Nahen Osten bereitet auch den G7-Chefs große Sorgen. Viele Gespräche dürften sich darum drehen, wie noch Schlimmeres verhindert und der Weg zurück zu Gesprächen eingeschlagen werden kann. Trump sagte kurz vor seinem Abflug nach Kanada, es sei Zeit, dass sich beide Seiten verständigten. Es gebe gute Chancen darauf. Gleichzeitig sagte er mit Blick auf Israel und den Iran: «Manchmal müssen sie es ausfechten.»
Und was ist mit der EU? In einer Erklärung der Mitgliedstaaten, die am Wochenende veröffentlicht wurde, wird betont, dass dem Iran niemals erlaubt werden darf, eine Atomwaffe zu besitzen. Gleichzeitig wird hervorgehoben, dass die EU davon überzeugt ist, dass dauerhafte Sicherheit nur durch Diplomatie und nicht durch militärisches Eingreifen erreicht werden kann. Es bleibt fraglich, ob sich die G7-Partner auf einen gemeinsamen Kurs oder sogar eine gemeinsame diplomatische Initiative einigen können.
Der Krieg in der Ukraine
Die G7-Partner waren bisher einig, dass nur eine entschlossene und starke Unterstützung der Ukraine Russland dazu bringen kann, seinen Angriffskrieg aufzugeben. Die Tatsache, dass die USA seit Trumps Rückkehr ins Weiße Haus nicht mehr klar dieser Linie folgen, bereitet den anderen Gruppenmitgliedern seit Monaten große Sorgen. Beim Gipfel werden die Europäer nun versuchen, ihn wieder auf Kurs zu bringen.
Es gehe nun darum, den von Trump angestoßenen Verhandlungsprozess über einen Waffenstillstand voranzubringen, sagte Merz vor seinem Abflug nach Kanada. «Dazu hat die Ukraine mit unserer Unterstützung Vorschläge entwickelt, während Russland weiter auf Zeit spielt und brutal Krieg führt.» Um Moskau an den Verhandlungstisch zu bringen, brauche es zusätzlichen Druck – über Sanktionen. Die erhoffen sich die Europäer auch von Trump.
Am Dienstag wird auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj als Gast bei dem Gipfel erwartet, es soll auch ein Treffen nur mit ihm und Trump geben. Er forderte die G7-Runde vorab bereits auf, den Druck auf Russland zu erhöhen.
Streit um Zölle, Einigkeit bei begehrten Rohstoffe
Die Diskussionen über die Wirtschaftspolitik dürften beim Gipfel ziemlich schwierig sein. Die anderen G7-Staaten sind der Meinung, dass US-Präsident Trump mit seinen Zollentscheidungen eindeutig gegen die von der Gruppe befürworteten Prinzipien einer offenen, liberalen und regelbasierten Wirtschaftsordnung verstößt. Es stellt sich die Frage, wie dieses Thema angesprochen werden kann, ohne einen großen Streit und ein Scheitern des Gipfels zu riskieren.
Möglich ist es, dass sich die Gruppe in den Arbeitssitzungen darauf konzentriert, Themen zu behandeln, bei denen es noch gemeinsame Interessen gibt. Die Mitgliedstaaten streben beispielsweise an, unabhängiger von Rohstoffen aus Ländern wie China zu werden – insbesondere, wenn es um Materialien wie seltene Erden geht, die für Energiesparanwendungen oder moderne Informations- und Kommunikationstechnologien von Bedeutung sind.
Was auf der Strecke bleibt
Der G7 besteht aus dem Gastgeber Kanada, den USA, Deutschland, Japan, Frankreich, Italien, Großbritannien und der Europäischen Union. Die Gruppe galt lange Zeit als Vorreiter im Kampf gegen den Klimawandel und die Armut weltweit.
Die Organisation Oxfam befürchtet, dass aufgrund von Trumps Desinteresse an diesen Themen die Runde in diesen Bereichen in den kommenden Jahren jedoch bedeutungslos werden könnte. Die Entwicklungshilfeausgaben der G7 könnten laut Oxfam für das Jahr 2026 im Vergleich zu 2024 um 28 Prozent sinken.
Angesichts der Politik von Trump wird in diesem Jahr auch auf eine umfassende gemeinsame Abschlusserklärung verzichtet. Um die G7 nicht vollkommen handlungsunfähig erscheinen zu lassen, plant Gastgeber Kanada jedoch, mehrere kleinere Statements zu unstrittigen Themen zu verabschieden. Eines davon soll sich beispielsweise dem Kampf gegen Waldbrände widmen. Dies ist auch für Trump ein wichtiges Thema – auch wenn er wiederholt Zweifel daran geäußert hat, dass sie durch den Klimawandel verursacht werden.
Partnerprogramm mit Gondel und Schokolade
Auch Merz‘ Frau Charlotte ist in Kananaskis dabei. Es ist üblich bei den G7-Gipfeln, dass es ein Programm für die Partnerinnen und Partner gibt. Mark Carney, der Regierungschef und Gastgeber Kanadas, kam ebenfalls mit seiner Frau Diana Fox. Charlotte Merz und die anderen Begleitungen werden unter anderem mit einer Gondel zum Gipfel des Sulphur Mountain fahren und die Schokolade eines örtlichen Chocolatiers probieren, wie eine Sprecherin der Bundesregierung sagte.