Beschluss zu Zurückweisungen an Grenzen – Kontroverse vor Neuwahl spitzt sich zu.
Deutsche Migrationspolitik: Eskalation im Bundestag

Der Streit über den richtigen Kurs in der Migrationspolitik im Bundestag ist wenige Wochen vor der vorgezogenen Neuwahl eskaliert. Beendet ist die Auseinandersetzung damit noch nicht.
Was ist die Bedeutung des nun gefassten Beschlusses?
Im Antrag der Union wird die Bundesregierung aufgefordert, umfassende Zurückweisungen an deutschen Grenzen zu veranlassen. Auch Asylbewerber sollen nicht mehr einreisen dürfen. Trotzdem ist der Antrag rechtlich nicht verbindlich. Seine hohe Aufmerksamkeit erhält er, da er mit den Stimmen der Opposition eine Mehrheit gefunden hat. Redner von FDP, AfD sowie einige Fraktionslose unterstützten ihn – die verbleibenden Regierungsparteien SPD und Grüne sowie die Gruppe Die Linke waren dagegen. Das BSW erklärte seine Enthaltung.
Wie wird es jetzt weitergehen? An diesem Freitag wird erneut abgestimmt. Im Plenum des Bundestages stehen nicht nur Anträge mit appellativem Charakter zur Abstimmung, sondern auch ein Gesetzentwurf, der – wenn er auch den Bundesrat passieren sollte – von der Bundesregierung umgesetzt werden müsste. Zum Beispiel müsste der aktuell auf 1.000 Personen pro Monat beschränkte Familiennachzug zu Ausländern mit eingeschränktem Schutzstatus bis auf Weiteres beendet werden. Außerdem sieht das sogenannte Zustrombegrenzungsgesetz vor, dass die Bundespolizei, wenn sie in ihrem Zuständigkeitsbereich Ausreisepflichtige antrifft, aufenthaltsbeendende Maßnahmen durchführen darf – also zum Beispiel die Menschen in andere Länder zurückschicken.
Es ist jedoch fraglich, ob im Bundesrat eine Mehrheit dafür zustande kommt. Im Bundestag hingegen ist eine Mehrheit wahrscheinlich, da neben der Union auch die FDP, AfD und BSW Zustimmung signalisiert haben.
Was hat das jetzt für Auswirkungen auf den Wahlkampf?
Es ist noch nicht klar. Erstens haben vergangene Wahlen gezeigt, dass viele Menschen erst kurz vor dem Wahltermin entscheiden, wem sie ihre Stimme geben. Zweitens müssen hier zwei Effekte berücksichtigt werden: Studien zeigen, dass das Wählerpotenzial der AfD – also die Menschen, die sich vorstellen könnten, die Partei von Alice Weidel zu wählen – deutlich kleiner ist als die potenzielle Wählerschaft von CDU/CSU und SPD. Einige Menschen, die niemals die AfD wählen würden, könnten auch einen Beschluss mit Stimmen der AfD kritisch sehen.
Auf der anderen Seite glauben viele Wähler, dass Deutschland in den letzten Jahren zu viele Asylbewerber aufgenommen hat und dass Abschiebungen nicht schnell genug vorankommen. Einige von ihnen könnten daher die Initiative von Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU) unterstützen, dies noch vor der Bildung einer neuen Bundesregierung anzugehen.
Wie umfangreich sind die Herausforderungen in der deutschen Asylpolitik?
Es ist wahr, dass die Zahl der Asylanträge im Jahr 2024 um rund 30 Prozent auf 229.751 Erstanträge gesunken ist, wie SPD-Politiker betonen. Im Vorjahr gab es jedoch einen Anstieg um rund 51 Prozent auf 329.120 Asylerstanträge. Viele Asylbewerber benötigen auch Jahre nach ihrer Einreise weiterhin staatliche Unterstützung – sei es, weil sie keine Unterkunft finden oder aufgrund psychischer Probleme, die oft eine Folge von Kriegserfahrungen und Erlebnissen auf der Flucht sind.
Im letzten Jahr wurden nach Angaben des Bundesinnenministeriums 20.084 Menschen aus Deutschland abgeschoben – etwa 22 Prozent mehr als 2023. Ein Problem besteht jedoch darin, dass viele Personen, die eigentlich ausreisen sollten – darunter auch Straftäter – letztendlich doch länger bleiben. Dies kann beispielsweise daran liegen, dass ihre Herkunftsländer bei Rückführungen nicht kooperieren oder die Betroffenen am Tag der Abschiebung nicht anzutreffen sind. Es kommt auch immer wieder vor, dass die zuständigen Behörden von Bund, Ländern und Kommunen es versäumen, kurzfristig eine Rückführung zu organisieren. Dies ist teilweise auf Überlastung zurückzuführen, wird jedoch auch von Innenpolitikern auf das komplexe Verantwortungsgefüge im Föderalismus zurückgeführt.