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Migrationstreffen: Warum Dobrindt auf die Zugspitze einlädt

In der Richtung sind sich etliche EU-Länder einig: Es sollen weniger irreguläre Migranten nach Europa kommen. Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) sucht den Schulterschluss.

Auf Deutschlands höchstem Gipfel empfängt Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) europäische Kollegen.
Foto: Angelika Warmuth/dpa

Gemeinsam mit fünf Amtskollegen aus anderen EU-Ländern will Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) für einen härteren Asylkurs in Europa eintreten. Ort des Schulterschlusses soll die Zugspitze, Deutschlands höchster Berg, sein. Worum es geht:

Schutz der EU-Außengrenzen

Die verschärften deutschen Grenzkontrollen lösen in einigen Nachbarländern Irritationen aus. Einig ist man sich allerdings beim besseren Schutz der EU-Außengrenzen. Die wichtigsten Routen für irreguläre Migranten führen über das östliche und zentrale Mittelmeer sowie von Westafrika nach Europa. Dafür sollte die EU-Grenzschutzagentur Frontex nach Dobrindts Vorstellungen «massiv ausgebaut» werden, wie er dem «Focus» sagte. Die EU-Kommission plant bereits eine deutliche Stärkung von Frontex, um deren operative Fähigkeiten bei Grenzmanagement und Rückführungen erheblich zu verbessern.

Abschiebungen in Länder ohne Bezug zum Betroffenen

Dobrindt möchte das sogenannte Verbindungselement gerne streichen. Die EU-Asylreform, die im vergangenen Jahr verabschiedet wurde, sieht bisher vor, dass Asylbewerber nicht in Drittstaaten abgeschoben werden können, zu denen sie keinen konkreten Bezug haben.

Der Vorschlag der EU-Kommission zur Reform der Rückführungsrichtlinie beinhaltet auch die Forderung nach dem Wegfall dieses Verbindungselements. Diesen hatte EU-Migrationskommissar Magnus Brunner bereits im Frühjahr vorgelegt.

Asylsuchende dürfen bisher nur in einen Drittstaat abgeschoben werden, wenn sie dort enge persönliche Verbindungen haben, z.B. durch Familie oder einen längeren Aufenthalt. Nach dem Vorschlag der Kommission soll dieses Element stark eingeschränkt werden. Das Ziel der Reform ist es, Rückführungen von Personen ohne Schutzstatus zu erleichtern.

Migranten in außereuropäische Länder schicken

Dobrindt will zwar Abschiebungen nach Afghanistan und Syrien wieder möglich machen beziehungsweise ausweiten. Doch so ein Vorgehen werde nicht mit jedem Land klappen, meinte der CSU-Politiker, es brauche Drittländer, die bereit seien Migranten zu übernehmen, die objektiv nicht in ihre Heimatländer zurückgeführt werden könnten, hatte er jüngst der «Welt am Sonntag» gesagt. 

Im Gespräch mit der «Augsburger Allgemeinen» vor dem Gipfel schloss Dobrindt Rückführungen nach Pakistan nicht aus, wenn abgelehnte Asylbewerber nicht in ihre Heimat Afghanistan zurückkehren könnten. «Auch wenn es um diesen konkreten Fall nicht geht – das Prinzip ist, Menschen in Nachbarregionen ihrer Herkunftsländer unterzubringen, in denen sich oft schon Angehörige dieser Bevölkerungsgruppen befinden», erklärte er.

Solche Drittstaatenlösungen sind aus Sicht Dobrindts ein zentraler Baustein, um kriminellen Schleuserbanden das Handwerk zu legen. Infrage kämen dafür Staaten, «die als Transitländer etabliert oder als fluchtnahe Staaten erkennbar sind», sagte er dem «Focus».

Auf europäischer Ebene wird bereits an solchen Strukturen gearbeitet. Teil des Kommissionsvorschlags zur Reform der Rückführungsrichtlinie sind auch sogenannte Rückführungszentren. Dabei handelt es sich um Einrichtungen, in denen nationale Behörden gemeinsam mit EU-Agenturen wie Frontex Rückführungen koordinieren und vorbereiten sollen.

Die Rückführungsrichtlinie ist zwar rechtlich nicht Bestandteil des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS), steht jedoch politisch eng mit dessen Reform in Verbindung. Während das GEAS hauptsächlich Asylverfahren und Zuständigkeiten regelt, betrifft die Rückführungsrichtlinie Personen ohne Aufenthaltsrecht. Der Vorschlag wird derzeit noch von den EU-Mitgliedstaaten und dem Europäischen Parlament diskutiert. Eine Einigung steht noch aus.

Asylanträge gehen insgesamt zurück

Die Anzahl der Asylanträge in der Europäischen Union sowie in Norwegen und der Schweiz ist gesunken – vor allem in Deutschland. Obwohl weiterhin viele Menschen Schutz in Europa suchen, wurden im Mai 2025 laut der EU-Asylagentur mit Sitz auf Malta rund 63.700 Asylanträge gestellt. Dies ist deutlich weniger als im Vorjahresmonat mit etwa 85.600.

In Deutschland hat sich die Zahl fast halbiert, von etwa 18.800 im Mai 2024 auf knapp 9.900 ein Jahr später. Auch in Spanien (Rückgang von 16.300 auf 12.800 Anträge) und Italien (von 15.500 auf 12.300) ging die Zahl deutlich zurück. In Frankreich blieb das Niveau mit rund 12.500 Anträgen fast unverändert – im Vorjahresmonat waren es noch 11.900.

Polen sieht sich in einer Notlage

Polen fordert eine Ausnahme von dem im Jahr 2024 geschlossenen EU-Asylpakt, da es der Umverteilung von Migranten nicht zustimmt. Dies wird mit einer doppelten Notlage begründet: Polen hat etwa zwei Millionen Menschen aus der Ukraine aufgenommen und verteidigt sich zudem an der Ostgrenze gegen einen durch Belarus gesteuerten Zustrom von Migranten.

In konservativen Kreisen kursierte der Verdacht, dass Deutschland Flüchtlinge nach Polen abschiebt, die gar nicht von dort kommen. Dort herrscht Unmut über die verschärften deutschen Grenzkontrollen.

Österreich will konsequente Abschiebungen

Seit vielen Jahren hat Österreich einen strikten Anti-Migrations-Kurs verfolgt, der in der Bevölkerung durchaus beliebt ist. Die Alpenrepublik fordert explizit einen starken Schutz der EU-Außengrenzen und konsequente Abschiebungen. Sie überwacht die Grenzen zu mehreren Nachbarländern. Die derzeitige Zusammenarbeit mit Deutschland bei der Zurückweisung von Migranten läuft nach Angaben beider Seiten reibungslos.

Ansonsten vertraut das Land auf europäische Lösungen und Änderungen in Bezug auf die Definition sicherer Drittstaaten, in die leichter abgeschoben werden kann. Kanzler Christian Stocker (ÖVP) hat außerdem kürzlich mehrmals betont, dass die Europäische Menschenrechtskonvention neu interpretiert werden muss.

Frankreich für längere Abschiebehaft

Der konservative französische Innenminister Bruno Retailleau ist genauso wie Dobrindt an einem deutlich strengeren Kurs in der Migrationspolitik interessiert. Er plant, Migranten länger in Abschiebehaft zu nehmen, den illegalen Aufenthalt im Land als Straftat zu definieren und gegebenenfalls auch in Drittstaaten abzuschieben, wenn das Herkunftsland einen aus Frankreich ausgewiesenen Migranten nicht zurücknehmen möchte.

Er hat die Behörden im Land bereits mehrmals angewiesen, einen strengeren Kurs einzuschlagen. Er fordert eine restriktivere Vergabe von Visa und Aufenthaltspapieren für illegal Eingereiste, die arbeiten und Einkommen haben. Die Grenzkontrollen, die Frankreich seit zehn Jahren im Kampf gegen den Terrorismus wieder eingeführt hat, will er verstärken.

Tschechische Regierung für mehr Grenzschutz

Die liberalkonservative Regierung in Tschechien setzt sich seit langem für eine strengere Migrations- und Asylpolitik in Europa ein, insbesondere für einen verbesserten Schutz der Außengrenzen und eine verstärkte Zusammenarbeit mit Drittstaaten. Sie plant sogar, das Asylrecht zu verschärfen.

Ministerpräsident Petr Fiala steht unter Druck von weiter rechts: Die zunehmend rechtspopulistisch agierende Oppositionspartei ANO des Milliardärs Andrej Babis liegt in Umfragen vor der Parlamentswahl Anfang Oktober vorn. Die Grenzkontrollen sind der Regierung in Prag ein Dorn im Auge, sie setzt hier aber auf Dialog mit Berlin.

Dänemark betrachtet Migration und Sicherheit zusammen

Dänemark wird in der EU schon lange als Hardliner in der Migrationspolitik angesehen. Ein Prestigeprojekt der Regierung der sozialdemokratischen Ministerpräsidentin Mette Frederiksen, um Asylbewerber nach Ostafrika, Ruanda zu schicken, wurde Anfang 2023 vorübergehend gestoppt – jedoch ist es noch nicht vom Tisch. Vielmehr bemüht sich Deutschlands nördlicher Nachbar seitdem, die Idee anderen EU-Staaten schmackhaft zu machen.

Als aktuelles EU-Vorsitzland will Dänemark vor dem Hintergrund des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine einen Hauptfokus auf die Sicherheit in Europa legen – ein Thema, das aus dänischer Sicht auch mit Migrationsfragen zusammenhängt. Ausländer- und Integrationsminister Kaare Dybvad Bek ist sich nach Angaben der dänischen Nachrichtenagentur Ritzau vorab sicher, dass das Treffen der migrationskritischen Länder am Freitag einen «Wendepunkt in der europäischen Flüchtlingspolitik» darstellen werde. 

Was Kritiker sagen

«Wie viel härter soll es werden?», fragt Ruben Neugebauer von der Flüchtlingsorganisation Leave No One Behind. «Schon jetzt ist das Leid an Europas Außengrenzen unermesslich, Tausende Menschen ertrinken, erfrieren oder ersticken auf der Suche nach Frieden und Freiheit.» Der innenpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Marcel Emmerich, meint: «Die Streichung des Verbindungselements ist ein herzloser Angriff auf Schutzsuchende, Familien und Kinder, die in Länder ohne jede persönliche Bindung abgeschoben werden sollen.»

dpa