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Minister Gantz verlässt israelische Notstandsregierung

Gantz warf Netanjahu Zögerlichkeit und Zeitschinderei aus politischen Erwägungen vor. Sein Schritt könnte zur Auflösung des Kriegskabinetts führen.

Wegen Meinungsverschiedenheiten über die Zukunft des Gazastreifens verlässt Minister Benny Gantz die in Israel nach dem Terroranschlag der islamistischen Hamas vom 7. Oktober gebildete Notstandsregierung.
Foto: Ohad Zwigenberg/AP

Im Streit über einen Nachkriegsplan für den Gazastreifen hat Minister Benny Gantz die israelische Notstandsregierung verlassen. Der frühere Verteidigungsminister warf Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und dessen Vertrauten «Zögerlichkeit und Zeitschinderei aus politischen Erwägungen» vor.

«Wir verlassen heute die Notstandsregierung, mit schwerem, aber von ganzem Herzen», sagte Gantz. Er war bislang auch Mitglied des wichtigen Kriegskabinetts gewesen, das im Oktober nach dem Terrorangriff der Hamas und anderer Islamisten auf Israel gebildet worden war. Sein Schritt könnte Medienberichten zufolge zur Auflösung des Kriegskabinetts führen.

Ultimatum abgelaufen

Der frühere General Gantz war nach dem Massaker vom 7. Oktober als Minister ohne Ressort in Netanjahus Regierung eingetreten, um ein Zeichen der Geschlossenheit zu setzen. Sein Rücktritt macht nun die fundamentalen Differenzen innerhalb der Koalition überdeutlich. Gantz hatte seinen Kabinettsaustritt bereits angedroht für den Fall, dass Netanjahus Regierung keinen Plan für eine Nachkriegsordnung im Gazastreifen erarbeitet.

Sein Ultimatum in der Angelegenheit lief am vergangenen Samstag ab, aber aufgrund der dramatischen Befreiung von vier Geiseln aus dem Gazastreifen am selben Tag verschob er eine geplante Pressekonferenz in letzter Minute. Laut Gantz betrifft der Austritt aus der Regierung auch weitere Mitglieder seiner Partei Nationale Union.

Mit diesem Schritt wird er jedoch nicht die Führung Israels stürzen. Denn Netanjahus rechts-religiöse Regierungskoalition hat auch ohne Gantz’ Partei immer noch eine Mehrheit von 64 von 120 Sitzen im Parlament.

Netanjahu lässt Zukunft des Gazastreifens im Ungewissen

Netanjahu weigert sich weiterhin, einen Plan für die Verwaltung und den Wiederaufbau des Gazastreifens nach Kriegsende vorzulegen – vermutlich, um seine ultrarechten Koalitionspartner nicht zu verärgern. Diese streben Ziele wie den äußerst umstrittenen israelischen Siedlungsbau im Gazastreifen an. Netanjahus politisches Überleben ist von ihnen abhängig.

Gantz betonte, dass Israel das Abkommen für eine Feuerpause und die Freilassung der Geiseln im Gazastreifen umsetzen müsse, wie es von US-Präsident Joe Biden unterstützt wird. Er warnte davor, dass sich Israel auf langwierige Kämpfe vorbereiten müsse.

USA wollen UN-Beschluss zu Entwurf für Friedensabkommen

Laut dem israelischen Journalisten Barak Ravid, der sich auf informierte Quellen beruft, haben die USA inzwischen den Entwurf einer neuen Resolution des UN-Sicherheitsrats verteilt, in der die Hamas aufgefordert wird, das Abkommen über ein Ende der Kämpfe anzunehmen.

Laut dem Entwurf wurde das Abkommen von Israel akzeptiert und die Hamas wurde ebenfalls aufgefordert, es zu akzeptieren. Beide Kriegsparteien müssen die genannten Bedingungen vollständig und unverzüglich umsetzen. Eine Abstimmung im mächtigsten UN-Gremium wird in Kürze erwartet, schrieb Ravid auf X.

US-Außenminister auf diplomatischer Mission in Nahost

Diese Woche wird US-Außenminister Antony Blinken in Nahost erwartet, um erneut für das Abkommen zu werben. Seine Reise führt ihn nach Ägypten, Israel, Jordanien und Katar. Seit Wochen vermitteln Katar, die USA und Ägypten zwischen Israel und der Hamas, die keine direkten Verhandlungen miteinander führen.

“Terroristen der Hamas und anderer extremistischer Gruppen aus dem Gazastreifen drangen am 7. Oktober überraschend in den Süden Israels ein, töteten über 1200 Menschen und nahmen mehr als 250 Geiseln. Dies führte zum Gaza-Krieg, bei dem laut Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde mehr als 37.000 Palästinenser ums Leben kamen. Es gab rund 84.500 Verletzte. Es ist schwierig, die genauen Zahlen zu verifizieren, da nicht zwischen Kämpfern und Zivilisten unterschieden wird.”

Die Armee Israels wird international stark kritisiert wegen ihres Vorgehens im Gazastreifen und der hohen Zahl ziviler Opfer. Laut Hilfsorganisationen ist die humanitäre Lage der über zwei Millionen Menschen im Gazastreifen verheerend.

Welternährungsprogramm: Neue Probleme für Gaza-Hilfe

Das Welternährungsprogramm (WFP) hat vorübergehend die Verteilung von Hilfsgütern für die Menschen im Gazastreifen über eine provisorische Anlegestelle vor der Küste gestoppt. “Wir sind besorgt um die Sicherheit unserer Mitarbeiter, nachdem am Samstag zwei Lagerhäuser unserer Organisation unter Raketenbeschuss geraten sind”, sagte WFP-Direktorin Cindy McCain dem US-Fernsehsender CBS.

Sie wisse nicht, wie es dazu kommen konnte. Es war unklar, ob sich McCain auf die Vorgänge um die gewaltsame Geiselbefreiung durch die israelische Armee im Zentrum des Gazastreifens bezog.

Sie hat nicht genau gesagt, wo sich die Lagerhäuser befinden. Trotzdem betonte McCain, dass die Hilfsaktivitäten im restlichen Gazastreifen weiterhin stattfinden. Die israelische Armee ist sich bewusst, wo das WFP-Team in diesem Küstengebiet präsent ist.

McCain wurde nach der Verteilung von Hilfsgütern über ein vom US-Militär errichtetes Pier im Meer vor Gaza befragt. Das für den Nahen Osten zuständige US-Regionalkommando (Centcom) hatte noch am vergangenen Wochenende erklärt, dass über den Pier erneut Hilfslieferungen eintreffen würden. Die Anlegestelle war zuvor repariert worden, nachdem sie Ende Mai nur wenige Tage nach ihrer Fertigstellung bei rauem Wellengang schwer beschädigt worden war.

dpa