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Proeuropäische Staatschefin Moldaus beklagt Attacke demokratiefeindlicher Kräfte

Kriminelle Gruppen und ausländische Macht destabilisieren die Republik, Sandu sieht Russland als größte Bedrohung.

Die Präsidentschaftswahl in Moldau wird in einer Stichwahl münden.
Foto: Vadim Ghirda/AP

In Moldau hat die proeuropäische Staatschefin Maia Sandu eine beispiellose Attacke demokratiefeindlicher Kräfte auf die Präsidentenwahl beklagt. Kriminelle Gruppen hätten gemeinsam mit einer ausländischen Macht versucht, die Lage in Moldau zu destabilisieren. Die nach einem EU-Beitritt strebende Führung des verarmten Agrarstaats betrachtet Russland als größte Bedrohung für die Stabilität der Republik. Die Staatsführung droht zudem bei einem parallel zur Wahl abgehaltenen Referendum über die EU-Ambitionen des Landes eine herbe Niederlage, die Moskau begrüßen dürfte.

Es gebe Beweise, dass 300.000 Stimmen gekauft worden seien, sagte Sandu bei einem nächtlichen Auftritt in der Hauptstadt Chisinau. Dutzende Millionen Euro seien ausgegeben worden, um Lügen und Propaganda zu verbreiten. «Wir haben es mit einem beispiellosen Angriff auf die Freiheit und die Demokratie in unserem Land zu tun», wurde Sandu von örtlichen Medien zitiert. Sie wolle das Endergebnis abwarten und dann Entscheidungen treffen. 

Prorussische Wählerbestechung aufgedeckt

Die 52-Jährige hat keine Details genannt. Vor der Wahl hatten moldauische Sicherheitskräfte jedoch Wahlbestechung und pro-russische Desinformation in dem Land mit rund 2,5 Millionen Einwohnern aufgedeckt, das zwischen der von Russland angegriffenen Ukraine und dem EU-Mitgliedstaat Rumänien liegt.

Sandu tritt für eine zweite Amtszeit an. Nach Auszählung von mehr als 96 Prozent der Wahlzettel hat sie mit etwa 41 Prozent der Stimmen die absolute Mehrheit verfehlt und müsste daher in zwei Wochen zur Stichwahl antreten. Ihr Gegner wird voraussichtlich der ehemalige Generalstaatsanwalt Alexandru Stoianoglo sein, der rund 27 Prozent der Stimmen erhalten hat und für die traditionell starke Sozialistische Partei des prorussischen Ex-Präsidenten Igor Dodon kandidiert. Insgesamt traten elf Kandidaten zur Wahl an, darunter einige, die sich für gute Beziehungen zu Russland einsetzen.

EU-Referendum: Nein zur Verfassungsänderung?

Eines der Hauptziele von Sandus ist es, den EU-Kurs des Landes unwiderruflich als strategisches Ziel in der Verfassung zu verankern. Nach Auszählung von knapp 97 Prozent der Stimmen schien es beim Referendum über diese Frage, als hätte sich das Volk mit knapper Mehrheit gegen die Verfassungsänderung ausgesprochen. Die Umfragen hatten eher das Gegenteil erwartet.

Laut russischen Staatsmedien warf Ilan Shor seiner Rivalin Sandu vor, bei der Wahl gescheitert zu sein, und betonte, dass Moldau die EU nicht brauche. Shor, ein ins Ausland geflüchteter moskautreuer Oligarch, wurde in seiner Heimat wegen Geldwäsche und Betrug in Abwesenheit zu 15 Jahren Haft verurteilt und wird zur Fahndung ausgeschrieben. Neben Russland gilt er als einflussreicher Akteur in der moldauischen Politik.

Russland beschuldigt die Europäische Union, durch Milliardenzusagen Einfluss auf die Abstimmung genommen zu haben. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte bei einem Besuch in Chisinau und einem Treffen mit Sandu kurz vor der Abstimmung 1,8 Milliarden Euro an Fördergeld in Aussicht gestellt. Die Finanzspritze soll offiziell vor allem das Wachstum ankurbeln, Arbeitsplätze schaffen sowie Dienstleistungen und Infrastruktur verbessern.

Kritik an Volksabstimmung

Auch am Wahlsonntag gab es teils scharfe Kritik daran, dass Sandu die Präsidentenwahl und das EU-Referendum miteinander verknüpfte. Mehrere Politiker von Parteien aus dem russlandfreundlichen Lager boykottierten das Referendum und sprachen von einem rechtswidrigen Prozess. «Die Gespräche mit der Europäischen Union sollen fortgesetzt werden, doch die Entscheidung über eine Mitgliedschaft in der EU sollten erst nach dem Abschluss dieser Verhandlungen getroffen werden, wenn alle Bedingungen klar sind», sagte Ex-Präsident Dodon. Erst dann sei ein Referendum möglich.

Viele sind mit Sandus Politik unzufrieden

Vor der moldauischen Botschaft in Moskau bildeten sich lange Warteschlangen für die Stimmabgabe. Es gab jedoch Beschwerden darüber, dass die Anzahl der Wahllokale in Russland absichtlich reduziert wurde und nicht genügend Stimmzettel vorhanden waren. Das Außenministerium in Chisinau bezeichnete die Warteschlangen als künstliche Inszenierung, wie es in den Medien in Moldau berichtet wurde.

Das Bewerberfeld war wahrscheinlich so groß, weil viele Menschen mit der Politik von Sandu unzufrieden sind und seit ihrer Wahl 2020 zu wenig Fortschritte sehen – insbesondere im Kampf gegen Korruption. Bei den Wahlen erhielt Sandu im ersten Wahlgang 36,2 Prozent und im zweiten Wahlgang 57,7 Prozent der Stimmen. Die Energiepreise stiegen, nachdem sie auf russisches Gas verzichtet hatte, was viele Verbraucher verärgerte.

Um Reformen umzusetzen, ist Sandu auf eine Mehrheit im Parlament angewiesen, die sie derzeit noch hat. Der politische Machtkampf in Moldau könnte seinen Höhepunkt bei der Parlamentswahl im kommenden Sommer erreichen. «Für eine starke, politikgestaltende Rolle als Präsidentin ist ein loyaler Premierminister und eine Mehrheit im Parlament notwendig», sagte Expertin Brigitta Triebel von der Konrad-Adenauer-Stiftung in Chisinau der Deutschen Presse-Agentur. Sie erwartet nicht, dass Russlands versuchte Einflussnahme in Moldau nachlassen wird.

dpa