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Moskau erklärt Pokrowsk für erobert

Die Bergbaustadt Pokrowsk gilt als ein Symbol des ukrainischen Widerstands gegen Moskaus Angriffskrieg. Nun ist sie nach Angaben aus dem Kreml gefallen.

Die Bergarbeiterstadt Pokrowsk im Donezker Gebiet ist seit mehr als einem Jahr umkämpft und mittlerweile stark zerstört. (Archivbild)
Foto: Iryna Rybakova/Ukrainian 93rd Mechanized brigade/dpa

Laut dem Kreml hat das russische Militär die seit etwa einem Jahr umkämpfte ukrainische Bergarbeiterstadt Pokrowsk im Donezker Gebiet vollständig eingenommen. Kremlsprecher Dmitri Peskow sagte russischen Journalisten, dass dem russischen Präsidenten Wladimir Putin die Eroberung von Pokrowsk gemeldet wurde. Es gab zunächst keine Bestätigung aus Kiew. Ebenso wurde die Stadt Wowtschansk in der benachbarten Region Charkiw eingenommen. Die Angaben sind unabhängig nicht überprüfbar, aber der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte bei seinem Besuch in Paris ebenfalls erwähnt, dass die Intensität der Kämpfe um Pokrowsk und im Charkiwer Gebiet hoch sei.

Beobachter sehen den russischen Erfolg in Verbindung mit dem bevorstehenden Besuch des US-Sondergesandten Steve Witkoff in Moskau am Dienstag. Der Kreml plant, dem Unterhändler aus Washington militärische Fortschritte vorzulegen, bevor Gespräche über einen Friedensplan geführt werden.

Vorher hatte Kremlchef Wladimir Putin bereits mehrfach angegeben, dass die ukrainischen Truppen in Pokrowsk eingekreist seien. Der ukrainische Präsident und der Generalstab wiesen dies wiederholt zurück. Allerdings wurde Selenskyj vorgeworfen, ähnlich wie bei den bereits vorher verlorenen Städten Bachmut und Awdijiwka den Rückzug aus politischen Gründen zu lange hinauszuzögern.

Warum Pokrowsk wichtig ist

Die Stadt, in der einst etwa 60.000 Menschen lebten, wird als Zeichen des ukrainischen Widerstands gegen den seit über dreieinhalb Jahren anhaltenden russischen Angriffskrieg angesehen. Sie ist mittlerweile stark zerstört.

Westlich von Pokrowsk gibt es keine großen Siedlungen, was die weitere Verteidigung für die ukrainischen Streitkräfte erschwert. Russland kommt mit einer Einnahme seinem Kriegsziel näher, das Industriegebiet Donbass vollständig zu erobern. Allerdings ist es bis zur vollständigen Besetzung des Gebiets Donezk noch ein weiter und verlustreicher Weg für Russland. Moskaus Truppen könnten sich nun auf die Städte Kramatorsk und Slowjansk im Nordosten konzentrieren, die eine wichtige, über Jahre aufgebaute Verteidigungslinie bilden.

Der Kreml könnte den Erfolg auch in Richtung des Gebietes Dnipropetrowsk und dem nur 90 Kilometer entfernten Verkehrsknotenpunkt Pawlohrad weiter ausbauen. Ein Großteil des Nachschubs für die verbliebenen ukrainischen Truppen um Kramatorsk und Slowjansk läuft über Pawlohrad. Im Gegensatz zum dicht besiedelten Bergbaugebiet Donezk gibt es in der agrarisch geprägten Steppenlandschaft nur wenige natürliche Hindernisse.

Die Einnahme von Pokrowsk wird als größte militärische Niederlage seit dem Fall von Awdijiwka im Februar 2024 angesehen – auch für Präsident Selenskyj. Kiew wollte den USA und den Europäern demonstrieren, dass die milliardenschweren Waffenlieferungen dem Land helfen, sein Gebiet zu verteidigen. Kritiker bemängeln jedoch schon lange, dass die Ukraine zu große Verluste riskiert habe, um Pokrowsk möglichst lange zu halten, anstatt andere Verteidigungslinien mit den Ressourcen zu stärken.

Moskaus Kriegsziele beinhalten die Einnahme der ukrainischen Regionen Luhansk, Donezk, Saporischschja und Cherson, die Russland neben der bereits 2014 annektierten Krim zu seinen Gebieten erklärt hat. Dennoch kontrolliert das russische Militär bis heute keines dieser Gebiete vollständig.

Neue Taktik russischer Truppen

Die Truppen in Kiew sind an mehreren Frontabschnitten im Süden und Osten stark unter Druck. Die Ukraine hat Probleme mit einem Mangel an Soldaten aufgrund von Schwierigkeiten bei der Rekrutierung und weit verbreiteter Fahnenflucht.

Moskaus Streitkräfte sind seit Herbst 2023 langsam und unter hohen Verlusten an der Front im Osten auf dem Vormarsch. Nach Pokrowsk drangen sie mit einer neuen Taktik in mehreren kleineren Infanteriegruppen ein und umgingen die ukrainischen Linien. Sie verzichteten auf Angriffe größerer Einheiten und den Einsatz gepanzerter Technik, die ein leichtes Ziel für ukrainische Drohnen sind.

Der ukrainische Militärgeheimdienst HUR hatte zuvor über eine Operation seiner Spezialeinsatzkräfte berichtet, die den Fall von Pokrowsk verhindern sollten. Es scheint nun jedoch, dass sie das Blatt für die Ukraine nicht mehr wenden konnten.

Dennoch sind nach einem Vorfall in Pokrowsk keine abrupten Veränderungen im Kriegsverlauf zu erwarten. Beide Seiten setzen weiterhin auf Erschöpfung des Gegners im Abnutzungskrieg. Jedoch sind die Erfolgschancen der Ukraine ungleich geringer als die der russischen Seite.

dpa