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Nach Anschlag: Debatte über Verhandlungen mit Taliban

Als Folge des Anschlags von München wird erneut über Abschiebungen nach Afghanistan gestritten. Vieles ist noch unklar – auch das Profil des Täters gibt Rätsel auf.

Bei dem Anschlag am Donnerstag wurden 40 Menschen zum Teil schwer verletzt - nun wird über die politischen Folgen diskutiert.
Foto: Pia Bayer/dpa

Die Diskussion über Abschiebungen nach Afghanistan wurde durch den Anschlag in München mit zwei Toten und vielen Verletzten erneut entfacht. Lamya Kaddor, die innenpolitische Sprecherin der Grünen Bundestagsfraktion, hat die Forderung von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) nach sofortigen Verhandlungen mit den Taliban abgelehnt. Es bleiben jedoch viele Fragen zu den Hintergründen der Tat offen. Laut dem bayerischen Innenminister Joachim Herrmann (CSU) gab es vor dem Angriff keinen Anlass für die Behörden, auf den späteren Täter aufmerksam zu werden.

Grünen-Politikerin: Taliban-Regime menschenverachtend

Kaddor sagte der «Rheinischen Post», der impulsgetriebene Vorschlag Söders verkenne die außenpolitische Dimension. Immer wieder bekundeten die Taliban ihre Bereitschaft, direkt mit der Bundesrepublik in Verbindung treten zu wollen. «Davor kann man nur warnen, da dies dem Aufbau offizieller diplomatischer Beziehungen gleichkommt, die wir aus gutem Grund bisher nicht aufgebaut haben.» Söder hatte der «Bild am Sonntag» gesagt, es brauche jede Woche einen Flug nach Afghanistan. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte bereits am Samstag die Abschiebung des Attentäters angekündigt. 

Aus Sicht von Kaddor muss es nach den Anschlägen der jüngsten Zeit darum gehen, «im Sinne der Angehörigen und der Verletzten sensibel zu handeln und die Ermittlungen zu den jeweiligen Fällen abzuwarten», um entsprechende Konsequenzen zu ziehen. «Solche gefährlichen Gewalttäter abschieben zu wollen, ist die Bekämpfung des Symptoms, nicht der Ursache», sagte die Grünen-Politikerin. Die meisten dieser islamistisch motivierten Täter radikalisierten sich erst in Deutschland.

Herrmann über Täter: Gab im Vorfeld keine Auffälligkeiten 

Bei dem Angriff am Donnerstag fuhr ein 24-jähriger Afghane mit seinem Auto in eine Demonstration der Gewerkschaft Verdi. Ein zweijähriges Mädchen und seine 37 Jahre alte Mutter wurden so schwer verletzt, dass sie am Samstag im Krankenhaus starben. Mindestens 37 weitere Menschen wurden verletzt. Die Ermittler gehen davon aus, dass die Tat einen islamistischen Hintergrund hat.

Herrmann sagte, dass der Täter vorab nicht auffällig gewesen sei. «In der Tat hat es hier nach derzeitigem Stand nichts gegeben, das Anlass gegeben hätte, auf diesen Mann aufmerksam zu werden», sagte der CSU-Politiker der «Welt». «Nach aktuellem Stand gab es im Vorfeld tatsächlich keine besonderen Auffälligkeiten.»

Es sei ein entscheidender Bestandteil der Ermittlungsarbeit, inwieweit der Mann sich ohne Außenwirkung online radikalisiert habe. «Vielleicht ist es heute wichtig, zu überlegen, wie wir die rechtlichen Möglichkeiten weiter ausbauen, damit extremistische, gewaltverherrlichende, gar zur Gewalt aufrufende Inhalte im Internet gesperrt oder gar gelöscht werden können», sagte er der «Welt».

Haldenwang: Anschläge zeugen von Integrationsdefiziten

Nach Einschätzung des früheren Verfassungsschutzpräsidenten Thomas Haldenwang stellen selbst radikalisierte Einzeltäter aktuell eine größere Gefahr dar als islamistische Terrorzellen. «Solche Menschen, bei denen der Tatplan oft sehr kurzfristig entsteht und wo Messer oder Fahrzeuge als Waffe benutzt werden, sind leider sehr schwer zu erkennen», sagte Haldenwang der Deutschen Presse-Agentur. 

«Die verbindende Klammer bei zahlreichen dieser Täter ist gescheiterte Integration», fügte er mit Blick auf die jüngsten tödlichen Gewalttaten in Mannheim, Solingen, Magdeburg, Aschaffenburg und München hinzu. Haldenwang war ab Herbst 2018 sechs Jahre lang Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz und tritt bei der Bundestagswahl als CDU-Direktkandidat an.

dpa