Der gefährliche Konflikt im Nahen Osten droht sich nach der Tötung eines Anführers der islamistischen Hamas im Libanon zu verschärfen. Israels Armee schweigt, aber ihre Feinde drohen. Der Überblick.
Nach Tod von Hamas-Anführer droht Eskalation
Die Ermordung eines Führers der islamistischen Hamas im Libanon hat zu einer zusätzlichen gefährlichen Verschlimmerung des Konflikts mit Israel geführt und die Verhandlungen zur Befreiung der Geiseln im Gazastreifen sabotiert.
Während Israels Militär Berichte über eine gezielte Tötung von Saleh al-Aruri nicht kommentieren wollte, kündigte die Hisbollah-Miliz im Libanon am Dienstagabend Vergeltung an: «Dieses Verbrechen wird niemals ohne Antwort oder Strafe vorübergehen.» Fortschritte, um einen Geisel-Deal zu erreichen, seien nun nicht mehr möglich, meldete die israelische Zeitung «Haaretz» unter Berufung auf arabische Diplomatenkreise.
Hamas und Hisbollah geben Israel die Schuld
Laut der Hisbollah-Kreise ist der stellvertretende Leiter des Politbüros der Hamas bei einer Explosion in der Hauptstadt Beirut im Libanon ums Leben gekommen, berichtete die Deutsche Presse-Agentur am Dienstagabend. Gemäß der Hamas, die mit der Hisbollah verbündet ist, kamen insgesamt sieben Menschen ums Leben, darunter auch zwei Anführer des bewaffneten Arms der Hamas. Die Terrororganisation beschuldigte Israel sofort.
Al-Aruri, der von Israel als Drahtzieher von Anschlägen im Westjordanland gesehen wurde, wurde bereits seit längerem als potenzielles Anschlagsziel angesehen. Er soll für die Aktivitäten des militärischen Arms der Hamas im Westjordanland verantwortlich gewesen sein. Wie der Sicherheitsberater der israelischen Regierung betonte, übernahm Israel jedoch keine Verantwortung für die Tötung von al-Aruri.
Israels Sicherheitsberater um Entschärfung bemüht
«Wer auch immer das getan hat, es muss klar sein, das dies keine Attacke auf den libanesischen Staat war. Es war nicht einmal eine Attacke auf die Hisbollah», sagte Mark Regev dem US-Fernsehsender MSNBC im offensichtlichen Bemühen um eine Entschärfung der explosiven Lage. Der mutmaßliche Angriff habe allein der Hamas gegolten.
Der französische Präsident Emmanuel Macron forderte die israelische Regierung auf, «jedes eskalierende Verhalten, insbesondere im Libanon, zu vermeiden». Das teilte der Élyséepalast in Paris am Dienstagabend nach einem Telefonat Macrons mit Benny Gantz, Minister in Israels Kriegskabinett, Medienberichten zufolge mit. Frankreich werde diese Botschaften der Zurückhaltung weiterhin an alle direkt oder indirekt beteiligten Akteure in dem Gebiet weitergeben, hieß es.
Hisbollah-Chef plant Rede
Seit dem Beginn des Gaza-Kriegs nach dem Hamas-Massaker in Israel am 7. Oktober kommt es wiederholt zu Auseinandersetzungen zwischen der israelischen Armee und der Hisbollah in der Grenzregion zwischen Israel und dem Libanon. Es gab Opfer auf beiden Seiten. Es besteht die Befürchtung, dass die Tötung von al-Aruri den Konflikt nun weiter verschärfen könnte. Hinweise darauf könnten heute in einer geplanten Rede von Hassan Nasrallah, dem Chef der Hisbollah, gegeben werden.
Erster Vergeltungsangriff gegen Israel
Ihre Kämpfer seien «in höchster Stufe der Bereitschaft», teilte die Hisbollah am Dienstag mit. Noch am Abend unternahm die Miliz nach ihren eigenen Angaben einen ersten Angriff auf eine Gruppe israelischer Soldaten nahe der Grenze. Dabei habe es Tote und Verletzte gegeben. Israelischen Medienberichten zufolge rechnet die Armee nun auch mit Beschuss von Raketen größerer Reichweite. Die schiitische Hisbollah gilt als deutlich schlagkräftiger als die Hamas.
Hisbollahs Tunnelsystem rückt in den Blick
Wie die Hamas soll sie zudem über ein Tunnelsystem verfügen, das einem Medienbericht zufolge weit ausgefeilter sei als das der Hamas. Die unterirdischen Tunnel verliefen im Süden Libanons über Hunderte Kilometer bis zur Grenze nach Israel hinein, zitierte die «Times of Israel» am Dienstag den Geheimdienstexperten Tal Beeri.
Die Hamas verwendet ihr eigenes Tunnelnetzwerk als Schutz vor den massiven Bombardierungen Israels und zum Verstecken. Des Weiteren nutzen die Terroristen die Tunnel, um überraschend aufzutauchen und die heranrückenden israelischen Soldaten von hinten anzugreifen. Es wird auch behauptet, dass die Terroristen darin noch Geiseln aus Israel festhalten.
Bericht: Keine Aussicht auf Verhandlung über Geisel-Deal
Unter der Vermittlung Katars, Ägyptens und der USA hatten sich Israel und die Hamas Ende November auf eine mehrtägige Feuerpause geeinigt. Während dieser Zeit wurden einige Geiseln im Austausch gegen palästinensische Häftlinge aus israelischen Gefängnissen freigelassen. Nach der mutmaßlichen Tötung von al-Aruri sind die Verhandlungen über ein mögliches neues Geisel-Abkommen zwischen den Kriegsparteien laut der Zeitung «Haaretz» zum Stillstand gekommen.
Die Gespräche konzentrierten sich nun darauf, eine Eskalation zwischen Israel und dem Libanon zu verhindern, meldete die israelische Zeitung am Dienstagabend unter Berufung auf arabische Diplomatenkreise. Das «Attentat» habe die Situation verändert.
USA üben scharfe Kritik an israelischen Ministern
Derweil kritisierte das US-Außenministerium Äußerungen aus Israels Regierung zu einer möglichen Vertreibung von Palästinensern aus dem Gazastreifen scharf. «Die Vereinigten Staaten weisen die jüngsten Äußerungen der israelischen Minister Bezalel Smotrich und Itamar Ben-Gvir zurück, die sich für die Umsiedlung von Palästinensern außerhalb des Gazastreifens aussprechen», teilte der Sprecher des US-Außenministeriums, Matthew Miller, am Dienstag mit.
«Diese Rhetorik ist aufrührerisch und unverantwortlich», sagte er. Der rechtsextreme Polizeiminister Ben-Gvir verbat sich jegliche Kritik aus den USA in der Sache: «Ich schätze die Vereinigten Staaten von Amerika sehr, aber bei allem Respekt, Israel ist kein weiterer Stern auf der amerikanischen Flagge», schrieb er auf X und fügte hinzu: «Die Vereinigten Staaten sind unser guter Freund, aber wir werden vor allem das tun, was für Israel das Beste ist.»
Neue Vorwürfe der WHO gegen Israels Armee
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) warf Israel derweil «skrupellose» Angriffe auf ein Krankenhaus in der umkämpften Stadt Chan Junis im Süden des Gazastreifens vor. Nach Angaben des palästinensischen Rettungsdienstes Roter Halbmond seien bei den Angriffen mindestens fünf Zivilisten getötet worden, darunter ein fünf Tage alter Säugling, schrieb WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus auf der Online-Plattform X, früher Twitter.
Was heute wichtig wird
Die Rede von Hisbollah-Chef Nasrallah wird gespannt erwartet. Gleichzeitig bleibt die humanitäre Situation im umkämpften Gazastreifen weiterhin katastrophal.
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