Der ukrainische Präsident sinniert überraschend über Wahlen in Kriegszeiten. Welche Voraussetzungen müssten dafür erfüllt sein? Und wann landet der überarbeitete US-Friedensplan wieder in Washington?
Nach Trumps Kritik: Selenskyj spricht über mögliche Wahlen

Während der andauernden Arbeit an einem Friedensplan für sein Land hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj überraschend über mögliche Wahlen in Kriegszeiten gesprochen. «Zu Wahlen bin ich bereit», sagte er Journalisten, wie ukrainische Medien meldeten. Der Vorwurf, dass der Krieg mit Russland nicht ende, weil er sich ans Präsidentenamt klammere und die Macht nicht abgeben wolle, sei falsch. Zuvor hatte sich US-Präsident Donald Trump für Wahlen in dem kriegsgeplagten Land ausgesprochen, dass sich seit fast vier Jahren einer russischen Invasion erwehrt.
Wahlen in Kriegszeiten nur unter Bedingungen
Er sei auch während des laufenden Krieges zu Wahlen innerhalb von 60 bis 90 Tagen bereit, sagte Selenskyj – aber nur, wenn die USA und Europa die Sicherheit des Landes gewährleisten, also Schutz vor künftigen Aggressionen Russlands garantieren. «Ich habe persönlich den Willen und die Bereitschaft dazu», sagte der Staatschef. Neben der Sicherheitsfrage müsse auch die Rechtsgrundlage für Wahlen in Kriegszeiten geschaffen werden. Er bitte daher die Abgeordneten seiner Fraktion im Parlament darum, entsprechende Gesetzesänderungen vorzubereiten.
Das ukrainische Gesetz über das Kriegsrecht verbietet explizit die Durchführung von Präsidentschafts-, Parlaments- und Kommunalwahlen, wenn das Land angegriffen wird. In Deutschland und anderen Ländern ist es ähnlich geregelt, dass Wahlen erst nach dem Ende des Verteidigungsfalls stattfinden dürfen. Obwohl das ukrainische Gesetz geändert werden kann, sieht die Verfassung vor, dass Parlamentswahlen erst nach der Aufhebung des Kriegsrechts abgehalten werden können. Verfassungsänderungen sind während Kriegszeiten jedoch verboten.
Selenskyjs reguläre Amtszeit ist ausgelaufen
Seit dem russischen Überfall im Februar 2022 gab es in der Ukraine keine Wahlen mehr. Die Amtszeit des Präsidenten endete im Mai 2024 und die des Parlaments im August 2024. Die Kommunalwahlen wären üblicherweise Ende Oktober 2025 fällig gewesen.
Trump hatte Selenskyj schon vor Monaten vorgeworfen, er sei ein «Diktator» und nicht demokratisch legitimiert – womit der US-Präsident den Duktus des Kremls übernahm. In Kiew wurde seither immer wieder auf das Kriegsrecht verwiesen – und darauf, dass es in der Ukraine seit 1991 sechs verschiedene Präsidenten gegeben habe, in Russland dagegen nur zwei.
Wie sollen Ukrainer in besetzten Gebieten wählen?
Es ist auch unklar, wie eine Beteiligung aller wahlberechtigten Ukrainer an der Wahl sichergestellt werden kann. Laut UN-Angaben sind mehr als 5,8 Millionen ukrainische Staatsbürger ins Ausland geflohen, während mehrere Millionen in von Russland besetzten Gebieten leben.
Zu Beginn seiner Amtszeit hatte Selenskyj auch die Option einer digitalen Abstimmung über die staatliche App Dija in Betracht gezogen. Kritiker befürchten jedoch, dass dies eine Manipulation des Wahlergebnisses ermöglichen könnte, um eine kremltreue Marionetten-Regierung an die Macht zu bringen. Darüber hinaus gibt es aufgrund von Problemen mit der Stromversorgung infolge russischer Angriffe auf zivile Infrastruktur nicht überall zuverlässigen Zugang zum Internet.
Überarbeiteter Friedensplan noch nicht an USA übermittelt
Den mit Hilfe europäischer Verbündeter überarbeiteten Entwurf eines Friedensplans haben die Ukrainer offenbar noch nicht an die USA übermittelt. «Wir arbeiten auf der Ebene unserer Berater, heute und morgen. Ich denke, dass wir ihn morgen übergeben», sagte Selenskyj Journalisten, wie der öffentlich-rechtliche Sender Suspilne am Dienstagabend meldete. Es gebe ein Rahmendokument aus 20 Punkten, «das ständig geändert wird», ein Papier zu Sicherheitsgarantien und ein drittes zum Wiederaufbau. «Das wird wirksam, wenn der Krieg endet oder ein Waffenstillstand erreicht wird», sagte Selenskyj.
Zugleich sprach er der russischen Führung erneut jeglichen Friedenswillen ab. «Was Russland anbelangt, so sehen wir nur ihre Angriffe. Angriffe auf Energieanlagen. Die Menschen sind ohne Strom», sagte Selenskyj. Die Attacken würden belegen, dass Russland nicht am Friedensprozess interessiert sei, auch wenn Moskau öffentlich anderes behauptet.
Friedensplan ohne «offen Ukraine-feindliche Positionen»?
Ende November hatte Kiew von der US-Regierung einen Friedensplan aus 28 Punkten vorgelegt bekommen, der vielfach als «russische Wunschliste» und faktische Kapitulationserklärung der Ukraine kritisiert wurde. Darin enthaltene Bestandteile wie ein vollständiger Rückzug der ukrainischen Truppen aus den östlichen Gebieten Donezk und Luhansk sowie eine Amnestie für Kriegsverbrechen werden von Selenskyjs Führung abgelehnt.
Die Reaktion der USA auf die überarbeitete Version des Friedensplans könnte neuerliche Spannungen mit Kiew und den Europäern auslösen. «Die offen Ukraine-feindlichen Positionen wurden herausgenommen», hatte Selenskyj am Montag gesagt. Wie genau die jüngste Fassung des Entwurfs aussieht, ist öffentlich nicht bekannt. Trump sagte jüngst in einem Interview über Selenskyj und eine Frist zur Annahme des Friedensplans: «Er muss sich jetzt endlich zusammenreißen und die Dinge akzeptieren.»








