Kanzler Scholz telefoniert erstmals seit dem Ampel-Bruch und der US-Wahl mit dem ukrainischen Präsidenten. Der hat konkrete Wünsche. Und auch Russlands Außenminister Lawrow äußert sich zur Lage.
Nach Wahlsieg Trumps: Selenskyj hofft auf deutsche Hilfe
Beim ersten Telefonat mit Kanzler Olaf Scholz nach dem Bruch der Ampel-Koalition und den folgenreichen US-Wahlen hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj die Hoffnung auf weitere deutsche Hilfe für sein Land geäußert. Gesprochen worden sei etwa über die Lieferung von Flugabwehrsystemen für das nächste Jahr und über zusätzliche Luftverteidigungssysteme aus Deutschland, teilte Selenskyj danach mit. Nach Angaben der Bundesregierung bekräftigte Scholz «die anhaltende und unverbrüchliche Solidarität mit der Ukraine angesichts der seit nunmehr fast 1.000 Tagen anhaltenden Aggression Russlands».
Angesichts des Sieges von Donald Trump bei den US-Präsidentschaftswahlen wird in der Ukraine und ihren europäischen Unterstützerländern befürchtet, dass die USA als wichtigster Verbündeter ihre Hilfe für Kiew schon bald einstellen könnten – und Russland durch eine einseitige Friedensregelung zulasten der Ukraine faktisch als Sieger aus dem Angriffskrieg hervorgeht, den Kremlchef Wladimir Putin im Februar 2022 völkerrechtswidrig angeordnet hatte.
Scholz habe sich mit Selenskyj «über die militärische und humanitäre Lage in der Ukraine ausgetauscht», teilte Regierungssprecher Steffen Hebestreit mit. Der ukrainische Staatschef wiederum lobte Deutschlands Rolle beim Zusammenhalten des Bündnisses aus Unterstützern im Abwehrkampf gegen Russland.
Selenskyj sagte, dass Scholz bestätigt habe, dass Deutschland bis Jahresende das sechste Flugabwehrsystem vom Typ Iris-T liefern werde. Außerdem habe er mit ihm darüber gesprochen, dass es wichtig sei, das sogenannte Ramstein-Format aufrechtzuerhalten. Dabei handelt es sich um Treffen auf dem gleichnamigen US-Luftwaffenstützpunkt in Rheinland-Pfalz, wo die Ukraine-Unterstützer seit Kriegsbeginn immer wieder zusammenkamen, um neue Militärhilfen für Kiew zu beschließen.
Selenskyj forderte auch, dass beim G20-Gipfel in Rio de Janeiro Anfang kommender Woche die Ukraine zum Thema gemacht wird. «Wir verhandeln mit unseren Partnern, um sicherzustellen, dass die Position der Ukraine in allen relevanten Diskussionen vertreten wird», sagte er in seiner abendlichen Videobotschaft. «Nur gemeinsam kann die Welt einen wirklich dauerhaften Frieden und eine dauerhafte Stabilität in den internationalen Beziehungen gewährleisten.»
Im letzten Jahr hat Russland erfolgreich verhindert, dass die Industrienationen in der G20-Gruppe sich prominent mit Gästen aus Kiew mit dem Krieg in der Ukraine befassen. Die Begründung war, dass das Treffen hauptsächlich die Probleme der Weltwirtschaft behandeln sollte und nicht die eines der vielen Länder, in denen Krieg herrscht – und das zudem kein G20-Mitglied ist.
Lawrow: Keine neue Russland-Politik unter Trump
Russlands Präsident Putin schickt seinen Außenminister Sergej Lawrow zum G20-Gipfel nach Brasilien, wo er auch auf US-Vertreter treffen wird. Der Chefdiplomat sagte, er erwarte unter Trumps Führung keinen Kurswechsel der US-Politik gegenüber Russland oder der Ukraine. Jede US-Regierung habe ein Interesse daran, Russland und seinen Einfluss zu schwächen, sagte Lawrow in einem Interview des russischen Staatsfernsehens. Moskau wirft den USA immer wieder vor, den Krieg in der Ukraine vor allem zu unterstützen, um Russland als mächtigen Rivalen auf der Weltbühne zu schwächen.
Trump hatte während des Wahlkampfs versprochen, den Ukraine-Krieg durch einen Deal mit Russland schnell zu beenden. Er nannte keine Einzelheiten. Putin gratulierte Trump letzte Woche zum Wahlsieg und signalisierte Bereitschaft für einen Dialog. Gleichzeitig betonte er, dass Trump unberechenbar sei und man abwarten müsse, was auf seine Ankündigungen folgt.
Lawrow gegen Einfrieren des Konflikts
Lawrow hat davor gewarnt, dass die Minsker Vereinbarungen zur Lösung des ukrainisch-russischen Konflikts wieder aufgenommen werden könnten. Die Abkommen von 2014 und 2015, die unter Vermittlung Deutschlands und Frankreichs geschlossen wurden, sahen unter anderem eine Autonomie für den Donbass vor. Selenskyj hat die Minsker Vereinbarungen später als Lösung abgelehnt.
Russland begann schließlich am 24. Februar 2022 mit seinem Angriff auf die Ukraine, um einem angeblichen Versuch des ukrainischen Militärs zuvorzukommen, die von prorussischen Separatisten kontrollierten Regionen in den Gebieten Luhansk und Donezk wieder unter seine Kontrolle zu bringen.
Lawrow lehnte ein Einfrieren des Konflikts ab – das wäre gleichbedeutend mit einem Minsker Abkommen in neuer, aber schlechterer Verpackung, sagte er. Das Blutvergießen im Osten der Ukraine sei nur aufgrund der Weigerung der Führung in Kiew nach dem gewaltsamen Umsturz von 2014 geschehen, über eine Autonomie des Donbass und Rechte für die russischsprachige Bevölkerung zu verhandeln. Lawrow betonte, dass gemäß den Minsker Vereinbarungen der Donbass Teil der Ukraine bleiben sollte. Gegenwärtig sind weite Teile des Gebiets von russischen Truppen besetzt.