Während Israels Regierung ihren Feinden «vernichtende Schläge» androht, wird in Ägypten weiter um ein Ende des Gaza-Kriegs gerungen. Heute sollen prominente Unterhändler zu den Gesprächen dazustoßen.
Nahost-Gespräche: Hamas und Israel «beharren auf Positionen»

Die indirekten Verhandlungen zwischen Israel und der palästinensischen Terrororganisation Hamas über ein Ende ihres Kriegs und damit verbundene Forderungen gehen heute in den dritten Tag. Mit der Ankunft wichtiger Unterhändler der Konfliktparteien und Vermittlerstaaten im ägyptischen Küstenort Scharm el Scheich bekommen die Gespräche mehr politisches Gewicht – und vielleicht, so die Hoffnung, auch neuen Schwung. Über konkrete Inhalte der seit Montag laufenden Verhandlungen ist bisher wenig nach außen gedrungen, greifbare Fortschritte wurden nicht bekannt.
Berichten zufolge werden nun neben dem US-Sondergesandten Steve Witkoff und seinem Begleiter Jared Kushner auch der israelische Regierungsvertreter Ron Dermer sowie der türkische Geheimdienstchef Ibrahim Kalin und Katars Ministerpräsident Mohammed bin Abdulrahman Al Thani persönlich an den Gesprächen teilnehmen. Letztere gelten als einflussreiche Persönlichkeiten mit guten Beziehungen zur islamistischen Hamas, während die USA der wichtigste Verbündete Israels sind.
Strittige Punkte in Trumps Friedensplan
Grundlage ihrer Gespräche ist der Friedensplan von US-Präsident Donald Trump, der die Freilassung aller verbliebenen Hamas-Geiseln im Austausch für eine Waffenruhe im Gaza-Krieg und die Entlassung Hunderter palästinensischer Häftlinge aus Israels Gefängnissen vorsieht. Weitere Hauptziele des 20-Punkte-Plans sind die Entwaffnung der Hamas und ein schrittweiser Rückzug der israelischen Truppen aus dem weitgehend zerstörten Gazastreifen sowie umfangreiche humanitäre Hilfe für die bedürftige Zivilbevölkerung des Küstengebiets, das demilitarisiert und wiederaufgebaut werden soll.
Bis dahin ist es aber noch ein weiter Weg. Zwar drückt Trump bei den Gesprächen aufs Tempo und gibt sich zuversichtlich, dass sein Plan schon bald umgesetzt werden könne. Allerdings endete nach Angaben aus Teilnehmerkreisen auch der zweite Tag der Gespräche ohne bedeutende Zusagen. Die Situation sei «im Vergleich zum ersten Tag unverändert», sowohl Israel als auch die Hamas «beharren fest auf ihre Positionen», erfuhr die Deutsche Presse-Agentur aus Verhandlungskreisen.
Laut Hamas verlangt sie verlässliche Garantien, dass Israel seine Angriffe nach der Freilassung der Geiseln nicht fortsetzt. Die Islamisten fordern ein vollständiges Kriegsende im Austausch gegen palästinensische Gefangene, aber die israelische Delegation hat bisher keine Zusagen zu diesen Fragen gemacht.
Waffen schweigen noch immer nicht
Die Islamisten sehen die 48 verbleibenden Geiseln in Gaza, von denen nach israelischen Informationen nur noch 20 am Leben sind, als entscheidenden Faustpfand in den Verhandlungen. Nachdem die Hamas dem Plan von Trump teilweise zugestimmt hatte, forderte der US-Präsident Israel am Freitag auf, die Bombardierung des Gazastreifens sofort einzustellen, damit die Geiseln sicher und schnell freikommen können. Trotzdem gehen die israelischen Angriffe weiter – und die Hamas hat bisher auch keine Zusage gemacht, ihre Waffen niederzulegen.
Es wird auch kontrovers diskutiert, welche palästinensischen Gefangenen Israel im Austausch für die Geiseln freilassen müsste. Laut dem ägyptischen TV-Sender Al-Kahira News, der der Regierung nahesteht, fordert die Hamas die Freilassung prominenter Persönlichkeiten wie Marwan Barghuti und Ahmed Saadat, was von Israel abgelehnt wurde. Barghuti ist der bekannteste palästinensische Gefangene in Israel und gehört der Führungsebene der Fatah-Bewegung an, die mit der Hamas konkurriert. Er wurde 2004 wegen fünffachen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt. Saadat ist der Generalsekretär der radikalen Volksfront für die Befreiung Palästinas (PFLP) und wurde 2008 zu 30 Jahren Haft verurteilt.
Bundesaußenminister Johann Wadephul, der ebenfalls nach Ägypten gereist ist, hofft auf baldige Fortschritte bei den Gesprächen. «Es geht jetzt darum, das Tempo nicht zu verlieren und schnell zu Ergebnissen zu kommen, damit das Vertrauen in den Prozess nicht verloren geht», sagte er am Dienstag.
Der Auslöser des Krieges war das blutigste Massaker in der Geschichte Israels. Am 7. Oktober 2023 töteten islamistische Terroristen unter der Leitung der Hamas mehr als 1.200 Menschen und entführten 250 weitere nach Gaza. Israel reagierte mit einer beispiellosen Militäroffensive, bei der Zehntausende Menschen im Gazastreifen getötet wurden. Das Küstengebiet und die dortige Infrastruktur wurden weitgehend zerstört, die humanitäre Lage der Zivilbevölkerung ist katastrophal.
Trauer und Hoffnung bei Gedenkfeier für Terroropfer
Gemeinsam mit Überlebenden des Oktober-Massakers gedachten am Dienstag mehr als 30.000 Menschen in der israelischen Küstenmetropole Tel Aviv der Terroropfer und Geiseln. Nach einer Schweigeminute wurden auf einer Leinwand die Namen der rund 1.200 Toten sowie Textnachrichten gezeigt, die spätere Opfer von einem Musikfestival und aus Schutzräumen an ihre Angehörigen geschickt hatten – oft waren es ihre letzten Worte. Die Gedenkfeier wurde landesweit im Fernsehen und Internet übertragen.
«Wir wollen keine Rache, wir wollen Heilung», sagte eine Frau, deren Mutter und 13 Jahre alte Tochter bei dem Angriff auf einen Kibbuz umgebracht worden waren. «Wir wollen die Angst besiegen und Hoffnung finden. Wir wollen den Hass überwinden und unsere Menschlichkeit wiederfinden. Wir wollen die Wut überwinden und wieder Mitgefühl finden.»
Netanjahu droht mit «vernichtenden Schlägen»
Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu schlug am zweiten Jahrestag des Massakers ganz andere Töne an. «Unsere Feinde haben uns schwer geschlagen, aber sie haben uns nicht gebrochen», zitierten israelische Medien aus einer Erklärung des rechtskonservativen Ministerpräsidenten. «Wer auch immer die Hand gegen uns erhebt, erhält beispiellose vernichtende Schläge.» Das Land erlebe nun «entscheidende Tage», sagte Netanjahu. «Wir werden weiterhin alles daran setzen, alle Ziele des Krieges zu erreichen: die Freilassung aller Geiseln, die Beseitigung der Hamas-Herrschaft und die Gewährleistung, dass Gaza keine Bedrohung mehr für Israel darstellt.»
Auch in Deutschland wurde vielerorts der Toten und Verschleppten gedacht, die vor zwei Jahren zu Opfern des Terrors geworden waren. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) sprach in einer Videobotschaft von einem «schwarzen Tag» in den Geschichtsbüchern des jüdischen Volkes. Am Brandenburger Tor wurden am Morgen die Namen der Getöteten verlesen und stellvertretend für sie mehr als 1.000 Stühle aufgestellt. Am Abend erstrahlten dann die Worte «Bring them home now» auf dem Berliner Wahrzeichen – als Aufforderung, die im Gazastreifen verbliebenen Geiseln freizulassen. Auch an vielen anderen Orten in Deutschland gab es Gedenkveranstaltungen und Mahnwachen.