Im laufenden Bundestagswahlkampf sind die deutschen Verteidigungsausgaben ein brisantes Thema. Aus Brüssel kommen nun Berechnungen, die die Diskussion weiter anfachen könnten.
Nato-Kalkulationen: Neue Ziele werden für Deutschland teuer
Die zukünftige Bundesregierung wird aufgrund der jüngsten Aufrüstungspläne der Nato drastisch höhere Verteidigungsausgaben einplanen müssen. Laut Informationen der Deutschen Presse-Agentur aus Bündniskreisen würden Berechnungen zeigen, dass die derzeit geplanten Zielvorgaben für die Verteidigungsfähigkeiten der Alliierten im Durchschnitt des Bündnisses jährliche Verteidigungsausgaben in Höhe von etwa 3,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erfordern würden. Und die Bundesrepublik müsste wahrscheinlich sogar noch mehr ausgeben, um ihre vorgesehenen Ziele zu erreichen.
Da Deutschland zuletzt nur etwas mehr als zwei Prozent des BIP für Verteidigungsausgaben ausgegeben hat, müssten jährlich zusätzliche Mittel in beträchtlicher zweistelliger Milliardenhöhe bereitgestellt werden.
Derzeit ist völlig unklar, wie die zusätzlichen Kosten finanziert werden könnten. Im Fokus des Bundestagswahlkampfs stand bisher die Frage, wie die aktuelle Ausgabenquote von zwei Prozent nach der Verwendung des Sondervermögens für die Bundeswehr im Jahr 2027 aufrechterhalten werden kann. Ursprünglich hatte dieses einen Umfang von 100 Milliarden Euro und wird – ebenso wie die Ausgaben für die militärische Unterstützung der Ukraine – von der Nato als Verteidigungsausgabe betrachtet.
Deutsche Parteien sind uneins
In der Diskussion sprach sich der aktuelle Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zuletzt für eine Überarbeitung der deutschen Schuldenbremse und die Schaffung eines Deutschlandfonds für Investitionen aus. Die Unionspolitiker und die FDP waren bislang jedoch kritisch gegenüber Vorschlägen zur Lockerung der Schuldenbremse.
Im letzten Sommer hatte die Nato die von Deutschland gemeldeten Verteidigungsausgaben mit 90,6 Milliarden Euro angegeben, was zu diesem Zeitpunkt nach Umrechnung in Vergleichszahlen einer BIP-Quote von 2,12 Prozent entsprach. Es wurden bisher keine neueren Zahlen veröffentlicht.
Die geplanten neuen Nato-Zielvorgaben beziehen sich auf Anforderungen, die den Mitgliedstaaten der Militärallianz im Rahmen der gemeinsamen Verteidigungsplanung gestellt werden. Diese werden regelmäßig festgelegt und angepasst, um den aktuellen Bedrohungen und sicherheitspolitischen Entwicklungen gerecht zu werden.
Ziel ist Abschreckung
Insbesondere die Politik Russlands, die mit dem Angriffskrieg gegen die Ukraine und Vorwürfen hybrider Kriegsführung einhergeht, hat die Verteidigungsplaner der Nato dazu veranlasst, die Vorgaben deutlich zu erhöhen. Die derzeit geplanten Fähigkeitsziele sollen auf einem Nato-Verteidigungsministertreffen im Juni dieses Jahres gebilligt werden. Laut Diplomaten umfassen sie einen Planungszeitraum bis 2044, wobei viele Ziele bereits früher erreicht werden sollen. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf der Bereitstellung bestimmter Waffensysteme und Truppen.
Bislang ist unklar, welchen Einfluss der neue US-Präsident Donald Trump auf die Entscheidungsprozesse hat. Er hat mehrfach gefordert, dass die Alliierten künftig fünf Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung ausgeben sollten. Aus Sicht des Republikaners leisten die europäischen Partner zu wenig für die Verteidigung und verlassen sich zu sehr auf den Schutz der USA. Während seiner ersten Amtszeit von 2017 bis 2021 hatte Trump sogar mit einem Nato-Austritt gedroht. Das erste Nato-Treffen mit dem neuen US-Verteidigungsminister Pete Hegseth wird daher mit Spannung erwartet.
Für Deutschland und viele andere Nato-Staaten würde ein Fünf-Prozent-Ziel bedeuten, dass sie ihre Verteidigungsausgaben mehr als verdoppeln müssten. «Fünf Prozent wären über 200 Milliarden Euro pro Jahr, der Bundeshaushalt umfasst nicht einmal 500 Milliarden», sagte Scholz im Januar am Rande einer Wahlkampfveranstaltung in Bielefeld. «Das geht dann nur mit massivsten Steuererhöhungen oder massivsten Kürzungen für viele Dinge, die für uns wichtig sind.» Das aktuelle Nato-Ziel sind Ausgaben von mindestens zwei Prozent des BIP.