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US-Wahl: Lange Auszählung erwartet

Komplexe Abläufe und mögliche Verzögerungen sorgen für unsichere Prognosen. Trumps Zweifel könnten erneut für Spannungen sorgen.

Schlange stehen für die frühe Stimmabgabe.
Foto: Luzia Geier/dpa

In der nüchternen Lagerhalle im Neonlicht zeigt sich die US-Präsidentschaftswahl in ihrer bürokratischen Reinform: öffnen. Prüfen. Sortieren. Während draußen Menschen Schlange stehen, um frühzeitig ihre Stimme abzugeben, arbeiten die Wahlhelfer im Gwinnett County im Bundesstaat Georgia an den bereits per Post eingegangenen Stimmzetteln.

Die tatsächliche Auszählung beginnt erst am 5. November, aber bestimmte Schritte sind bereits im Voraus erlaubt, erklärt Wahlleiter Zach Manifold. Am Wahlabend sollten die meisten Stimmen in seinem Wahlbezirk bereits ausgezählt sein, sagt er. Das bedeutet jedoch keineswegs, dass überall schnell Ergebnisse verfügbar sind.

In der Geschichte der Vereinigten Staaten gab es oft Wahlen, bei denen der Gewinner erst nach einigen Tagen feststand. Im Jahr 2000 dauerte es aufgrund einer kontroversen Nachzählung und einer Klage vor dem Obersten Gerichtshof sogar über einen Monat.

Doch die Erinnerung an die letzte Wahl ist noch frisch – und sitzt vielen noch in den Knochen: Vor vier Jahren verbreitete Donald Trump tagelang falsche Behauptungen über Wahlbetrug, während die Auszählung in mehreren Staaten dauerte. Der Kampf war damals besonders hart in Georgia. Weniger als 12.000 Stimmen entschieden über den Sieg in diesem Bundesstaat. Trump versuchte mit allen Mitteln, sogar mit einem berüchtigten Anruf beim obersten Wahlaufseher des Bundesstaates, das Ergebnis noch zu ändern.

Jetzt, da der Republikaner erneut antritt – gegen die Demokratin Kamala Harris – könnte es ähnliche Szenarien geben. Im Fokus stehen besonders die «Swing States», also Staaten wie Georgia, die keiner Partei fest zugerechnet werden können.

Die USA erwarten am Wahlabend und möglicherweise danach. Die komplexen Abläufe machen eine Prognose schwierig. Starke Nerven sind deshalb unbedingt empfohlen – und es gibt ein paar Orientierungshilfen.

Wie läuft die Stimmabgabe ab?

Es existieren diverse Optionen:

  • frühzeitig an bestimmten Orten,
  • per Briefwahl,
  • am 5. November direkt im Wahllokal.

In jedem Bundesstaat gibt es unterschiedliche Vorschriften für Fristen und Identitätsnachweise. Die Technologie variiert ebenfalls: von traditionellen handschriftlichen Stimmzetteln bis hin zu Wahlcomputern.

Warum ist Wählen in den USA so kompliziert?

Das dezentral organisierte US-Wahlsystem erlaubt den einzelnen Staaten viel Freiraum in der Gestaltung des Wahlablaufs. Wahlleiter Manifold sieht darin eine Stärke: «Die Wahlen können nicht wirklich in großem Stil beeinflusst werden.» Doch die organisatorische Bandbreite der insgesamt rund 10.000 Wahlbezirke birgt auch Unsicherheiten. Zur Transparenz sind vielerorts Wahlbeobachter beider Parteien zugelassen.

Warum dauert die Auszählung so lange?

Die USA sind aufgrund ihrer enormen Größe mit der Auszählung von etwa 160 Millionen Stimmen in verschiedenen Zeitzonen konfrontiert, was erhebliche Ressourcen erfordert. Insbesondere die Briefwahlstimmen verzögern den Prozess in einigen Staaten, da sie erst am Wahltag geöffnet und bearbeitet werden dürfen.

Während die meisten Staaten – wie Georgia – bestimmte Schritte vorziehen, geht das etwa im bevölkerungsreichsten Staat unter den sieben «Swing States», in Pennsylvania, und auch in Wisconsin nicht. Allerdings nutzten 2020 viele Amerikaner pandemiebedingt die Briefwahl, was diesmal weniger erwartet wird. Ein weiteres Hindernis können komplizierte Stimmzettel oder Anforderungen für den Identitätsnachweis sein, die in einigen Staaten vorgeschrieben sind.

Können die ersten Ergebnisse täuschen?

Ja, genau. Einige Länder beginnen mit der Auszählung der am Wahltag abgegebenen Stimmen. Dies kann den Republikanern oft zugute kommen, da Demokraten tendenziell häufig die Briefwahl nutzen. Dadurch könnte anfänglich ein Vorsprung für Trump entstehen, der sich jedoch durch die späteren Auszählungen der Briefwahlstimmen zugunsten der Demokraten ändern könnte – ein Phänomen, das Raum für Falschbehauptungen bietet, wie es die Republikaner bereits 2020 getan haben.

Wird Trump wieder Betrugsvorwürfe erheben?

Falls die Zahlen gegen ihn sprechen: höchstwahrscheinlich. «Er hat den Leuten so oft gesagt, dass die Wahl (2020) gestohlen wurde, dass die meisten Republikaner das auch glauben», erklärt Charles Bullock, Wahlexperte an der Universität von Georgia.

Bereits jetzt verbreitet Trump erneut Zweifel und bereitet seine Anhänger darauf vor, das Ergebnis in Frage zu stellen. Diese Rhetorik könnte dazu führen, dass Bezirke ihre Ergebnisse sorgfältig überprüfen.

Wahlleiter Manifold betont, dass US-Wahlen heute präziser ablaufen als je zuvor. «Doch wer sich nur über soziale Medien informiert und all die Falschinformationen konsumiert, bekommt ein verzerrtes Bild davon, wie Wahlen tatsächlich funktionieren.» 

Könnte ein knappes Ergebnis eine Nachzählung auslösen?

Ja, in einigen Ländern wird automatisch eine Nachzählung durchgeführt. Bei größeren Abständen haben die Kandidaten in einigen Staaten die Möglichkeit, eine Nachzählung zu beantragen. Laut Wahlexperte Bullock ändert sich das Ergebnis jedoch fast nie.

Wann steht fest, wer gewonnen hat?

Da es in den USA keine zentrale Wahlleitung gibt, sind alle Blicke auf die «Decision Desks» der Medienhäuser gerichtet – sie rufen auf Basis von Wählerbefragungen und ersten Stimmauszählungen einen Sieger oder eine Siegerin in den einzelnen Bundesstaaten aus. Ob noch in der Wahlnacht feststehen wird, wer insgesamt gewonnen hat, ist unklar. 2020 dauerte das mehrere Tage. 

Es wird deutlich mehr Zeit benötigt, bis ein offizielles Ergebnis vorliegt. Die Resultate aus allen Bundesstaaten müssen offiziell zertifiziert werden: auf lokaler Ebene, von den Bundesstaaten und schließlich vom US-Parlament. Während dieses komplizierten Prozesses, der sich bis in den Januar hinzieht, können Verzögerungen praktisch an jeder Stelle auftreten – beispielsweise aufgrund politischen Drucks.

Können Zweifler dieses Prozedere juristisch beeinflussen?

Es ist zu erwarten, dass Trump-Unterstützer auch diesmal auf juristischem Weg gegen die Ergebnisse vorgehen werden. Bei der Wahl 2020 führten solche Klagen in einigen Bundesstaaten zu kurzen Auszählungsstopps. Bereits jetzt laufen Dutzende Klagen, die hauptsächlich in «Swing States» und von republikanischer Seite eingebracht wurden.

dpa