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Netanjahu beschwört Sieg – «Hamas will keinen Deal»

Die Hamas soll noch 20 lebende Geiseln in ihrer Gewalt haben. Ihre Freilassung durch Verhandlungen wird unwahrscheinlicher. Wird das israelische Militär sie befreien? Oder gelingt doch noch ein Deal?

Israels Premier Netanjahu ist zur Zerschlagung der Hamas entschlossen. (Archivbild)
Foto: Ronen Zvulun/Pool Reuters/dpa

Angesichts schockierender Videos von abgemagerten Geiseln der islamistischen Hamas erwägt Israels Regierung Medienberichten zufolge eine Ausweitung des Gaza-Krieges zur Befreiung der Entführten. Regierungschef Benjamin Netanjahu strebe danach, die Freilassung der Geiseln «auf dem Weg eines militärischen Sieges» zu erreichen, zitierten israelische Medien einen namentlich nicht genannten Beamten. «Ich verstehe genau, was die Hamas will. Sie will keinen Deal», sagte Netanjahu in einer Video-Botschaft.

Er sei nun noch entschlossener, die Geiseln zu befreien, die Hamas zu eliminieren und dafür zu sorgen, dass vom Gazastreifen nie wieder eine Gefahr für Israel ausgeht, sagte Netanjahu gemäß englischer Übersetzung der «Times of Israel». Einzelheiten nannte er nicht. Das Forum der Geisel-Familien übte deutliche Kritik an seinen Äußerungen. «Seit 22 Monaten wird der Öffentlichkeit die Illusion verkauft, dass militärischer Druck und intensive Kämpfe die Geiseln zurückbringen werden», zitierte die Zeitung eine Erklärung der Gruppe. 

Netanjahu: Werden uns nicht brechen lassen

«Die Wahrheit muss gesagt werden: Die Ausweitung des Krieges gefährdet das Leben der Geiseln, die in unmittelbarer Todesgefahr schweben. Wir haben die erschreckenden Bilder der Geiseln in den Tunneln gesehen, sie werden weitere lange Tage des Grauens nicht überleben», heißt es in der Erklärung des Forums, das die Mehrheit der Familien der 50 noch festgehaltenen Geiseln vertritt. 

Die Hamas hatte in den vergangenen Tagen Videos veröffentlicht, in denen zwei bis auf die Knochen abgemagerte und geschwächte Geiseln warnen, dass ihr Tod nahe sei. Die jungen Männer kritisieren darin Regierungschef Netanjahu dafür, ihre Notlage zu ignorieren. In seiner Video-Botschaft sagte der Regierungschef über die Terrororganisation: «Sie will uns brechen – mit diesen grauenhaften Videos, mit der falschen Horror-Propaganda, die sie in der ganzen Welt verbreitet.» Aber man werde sich nicht brechen lassen, sagte er.

Der israelische Botschafter bei den Vereinten Nationen in New York, Danny Danon, hat eine Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrats zur Lage der Geiseln für Dienstag angekündigt. «Während eine weltweite Kampagne gegen den Staat Israel geführt wird, lassen Hamas-Terroristen die israelischen Geiseln hungern und misshandeln sie», schrieb er auf der Plattform X. Es sei an der Zeit, dass der UN-Sicherheitsrat die Taten der Hamas «unmissverständlich verurteilt».

Hamas: Rotes Kreuz darf Geiseln unter Bedingungen versorgen

Die Hamas hat erklärt, dass sie bereit ist, das Rote Kreuz die Geiseln mit Lebensmitteln und Medikamenten zu versorgen – jedoch nur unter weitreichenden Bedingungen. Ein Sprecher der Al-Kassam-Brigaden, des militärischen Arms der Terrororganisation, teilte auf Telegram mit, dass Israel eine umfassende und dauerhafte Versorgung der palästinensischen Zivilbevölkerung im Gazastreifen ermöglichen müsse. Darüber hinaus müsse Israel jegliche Luftaufklärung während der Zeit einstellen, in der Hilfe zu den Geiseln gelangt.

Kurz zuvor hatte Israels Regierungschef Netanjahu nach Angaben seines Büros mit dem regionalen IKRK-Delegationsleiter Julien Lerisson gesprochen und ihn gebeten, sich dafür einzusetzen, dass das Rote Kreuz die Entführten unverzüglich mit Lebensmitteln und Medikamenten versorgen möge.

Israel meldet Eintreffen von 23.000 Tonnen Hilfsgütern 

Laut Cogat, der israelischen Militärbehörde, wurden in der letzten Woche 23.000 Tonnen Hilfsgüter auf dem Landweg in den Gazastreifen geliefert. Die Güter wurden von UN- und anderen Organisationen übernommen. Es wird berichtet, dass die meisten Lastwagen von Einwohnern geplündert werden. UN-Organisationen beklagen zudem, dass die derzeitigen 200 Lkw-Ladungen pro Tag nicht ausreichen. Es besteht laut UN-Angaben die Gefahr einer Hungersnot. Netanjahu behauptete jedoch kürzlich, dass es im abgeriegelten Küstengebiet keinen Hunger gebe.

Berichte: Regierung über weiteres Vorgehen noch uneins 

Laut israelischen Medienberichten erwägt die Regierung nun, militärische Maßnahmen zu ergreifen, um die letzten Geiseln zu befreien. Die humanitäre Hilfe für die palästinensische Zivilbevölkerung würde jedoch weiterhin gewährleistet bleiben, außer in Kampfgebieten und Gebieten unter Kontrolle der Hamas, wie israelische Zeitungen den Regierungsbeamten zitierten. Der Beamte gab jedoch keine genauen Informationen darüber, wie ein solches Vorgehen aussehen könnte.

Man stehe diesbezüglich im Dialog mit der amerikanischen Führung, hieß es nur. Es zeichne sich die Einsicht ab, dass die Hamas an einer Vereinbarung im Zuge indirekter Verhandlungen nicht interessiert sei. Kurz zuvor hatten israelische Medien und die US-Nachrichtenseite «Axios» noch berichtet, US-Präsident Donald Trump strebe jetzt einen umfassenden Deal an, der den Krieg beenden und alle Geiseln auf einmal zurückbringen werde. «Keine stückweisen Deals. Das funktioniert nicht», wurde der US-Sondergesandte Steve Witkoff zitiert. 

Laut israelischen Medienberichten wird die israelische Führung in dieser Woche darüber entscheiden, ob sie die Kämpfe ausweiten wird, auch wenn dies die Gefahr birgt, dass Geiseln Schaden nehmen, oder ob sie mehr Zeit für ein mögliches Abkommen einräumt. Es gibt unterschiedliche Ansichten innerhalb der Führung. Einige sind dafür, andere dagegen, die Kämpfe auszuweiten.

Mindestens 20 Geiseln sollen noch am Leben sein

Von den fast 150 freigelassenen Geiseln wurden nur sieben durch erfolgreiche Militäreinsätze befreit. Die anderen wurden hauptsächlich durch Waffenruhe-Vereinbarungen freigelassen. Laut israelischer Darstellung befinden sich noch 50 Geiseln in der Gewalt der Hamas und anderer Terrorgruppen, wovon mindestens 20 noch am Leben sein sollen.

Die Hamas strebt an, den Krieg nach ihren Bedingungen zu beenden. Sie würde die Geiseln freilassen, wenn sich Israels Armee aus dem abgeriegelten Gazastreifen zurückzieht und alle Kampfhandlungen gegen die Hamas einstellt, wie sie selbst erklärt hat. Israel verlangt hingegen eine Entwaffnung der Islamisten und den Gang ihrer Kader ins Exil – etwas, das die Hamas entschieden ablehnt.

dpa