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Israelischer Luftangriff im Gazastreifen: Dutzende Tote

73 Menschen getötet, zahlreiche verletzt. Netanjahu kündigt weitere Schläge an, Iran dementiert Beteiligung.

Im Norden des Gazastreifen gibt es heftige Kämpfe - hier sind Ruinen im Flüchtlingslager Dschabalia zu sehen. (Archivbild)
Foto: Mahmoud Issa/dpa

Bei einem israelischen Luftangriff im Norden des Gazastreifens wurden laut palästinensischen Angaben viele Menschen getötet. Ein Wohnkomplex in Beit Lahia, in dem sich Zivilisten befanden, sei zerstört worden, berichtete die palästinensische Nachrichtenagentur Wafa. “73 Menschen wurden getötet und zahlreiche verletzt.” Israels Armee bezeichnete die Zahlen als übertrieben, nach einer ersten Prüfung. Die Angaben beider Seiten können nicht unabhängig überprüft werden.

Unterdessen kündigte Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu nach einem der libanesischen Hisbollah-Miliz zugeschriebenen Drohnenangriff, der laut Regierungsangaben Netanjahu gegolten hatte, weitere Schläge gegen die Feinde des einzigen jüdischen Staats an. «Ich sage dem Iran und seinen Stellvertretern in seiner Achse des Bösen: Jeder, der versucht, den Bürgern Israels zu schaden, wird einen hohen Preis zahlen», sagte Netanjahu. «Israel ist entschlossen, alle seine Kriegsziele zu erreichen und die Sicherheitslage in unserer Region für die kommenden Generationen zu verändern.»

Der als wichtigster Unterstützer der Hisbollah geltende Iran dementierte eine Beteiligung an dem Drohnenangriff, der sich im Küstenort Caesarea ereignete, wo Netanjahus Privathaus liegt. «Diese Operation wurde von der Hisbollah durchgeführt», erklärte die iranische UN-Mission in New York laut der Nachrichtenagentur Mehr.

Der Versuch der Schiiten-Miliz, ihn und seine Frau «zu ermorden», sei ein schwerer Fehler gewesen, schrieb Netanjahu auf X. Er und seine Frau waren zum Zeitpunkt des Angriffs nicht zu Hause, wie ein Regierungssprecher der Deutschen Presse-Agentur sagte. Laut Armee wurde niemand verletzt.

Wieder heulen Sirenen in Israel

Die Hisbollah hat angekündigt, ihre Angriffe gegen Israel nach der Tötung des Hamas-Chefs Jihia al-Sinwar im Gazastreifen auszuweiten. Vor Sinwars Tod wurden bei einem Drohnenangriff der Miliz auf einen israelischen Armeestützpunkt in der Nähe von Binjamina vier Soldaten getötet und mehr als 50 weitere Soldaten 60 Kilometer nördlich von Tel Aviv verletzt. Ein Sprecher der israelischen Armee erklärte, dass sie daraus lernen und sich in Zukunft besser vorbereiten werden.

Gemäß den neuesten Angaben der Armee vom späten Abend hat die Hisbollah im Laufe des Tages erneut etwa 200 Geschosse vom Libanon auf Israel abgefeuert. Auch in der Nacht wurden im Norden Israels erneut die Warnsirenen gehört. Israels Militär griff seinerseits erneut südliche Vororte der libanesischen Hauptstadt Beirut an. Die libanesische Nachrichtenagentur NNA berichtete, dass es im Vorort Haret Hreik erneut zu einer Vielzahl von Einschlägen gekommen sei. Laut Israels Militär richteten sich die Angriffe gegen Waffenlager und ein Geheimdienst-Hauptquartier der Hisbollah.

Israel greift weiter im Libanon an 

Israels Militär betont immer wieder, dass es Maßnahmen ergreift, um Zivilisten zu schützen. Dennoch werden wiederholt unschuldige Menschen getötet oder verletzt. Die US-Regierung, Israels wichtigster Verbündeter, hat kürzlich die Angriffe im Gebiet von Beirut ungewöhnlich deutlich kritisiert und zur Rücksichtnahme aufgerufen. Israels Militär wirft der Hisbollah vor, Waffenlager und Produktionsstätten in Beirut absichtlich unter Wohnhäusern eingerichtet zu haben, um Zivilisten praktisch als menschliche Schutzschilde zu missbrauchen.

Warten auf Israels Vergeltungsschläge

Nachdem der Iran, der mit Hisbollah und Hamas verbündet ist, vor zwei Wochen etwa 200 ballistische Raketen auf Israel abgefeuert hatte, drohte die Regierung Netanjahus mit Vergeltung. Es ist noch unklar, wann und wie Israel zurückschlagen wird.

Die US-Behörden untersuchen Medienberichten zufolge die Veröffentlichung mutmaßlicher US-Geheimdienstinformationen über Israels Pläne für die Vergeltungsschläge. Die auf den 15. und 16. Oktober datierten streng geheimen Dokumente kursierten seit Freitag im Netz und seien zunächst auf der Plattform Telegram veröffentlicht worden, berichtete der US-Sender CNN. Eine mit der Angelegenheit vertraute Person habe die Echtheit der Dokumente bestätigt. Dem Nachrichtenportal «Axios» zufolge beschreiben sie «detailliert Maßnahmen, die in den vergangenen Tagen auf mehreren israelischen Luftwaffenstützpunkten durchgeführt» worden seien.

Währenddessen setzt die Armee Israels auch im Gazastreifen weiterhin Maßnahmen gegen militante Islamisten um. Nach Angriffen im Flüchtlingslager Dschabalia im Norden des abgeriegelten Küstengebiets mussten laut palästinensischen Berichten alle drei dortigen Krankenhäuser ihren Betrieb einstellen. Zwei von ihnen seien am 18. Oktober direkt attackiert worden, bemängelte das UN-Nothilfebüro Ocha. In den letzten zwei Wochen hätten die israelischen Streitkräfte den Druck auf diese Krankenhäuser erhöht, um ihre Evakuierung zu erzwingen. Patienten hätten jedoch keine Möglichkeit gehabt, sich an einen anderen Ort zu begeben, und seien ebenso wie medizinisches Personal und Vertriebene verletzt worden.

Militär: Aufnahmen zeigen Sinwar vor dem Massaker

Israels Militär veröffentlichte unterdessen weiteres Videomaterial, das Hamas-Anführer Sinwar am Vorabend des am 7. Oktober 2023 von Terroristen der Hamas und anderer islamistischer Gruppen in Israel verübten Massakers zeigen soll. Sinwar gilt als Drahtzieher des beispiellosen Überfalls, bei dem die Terroristen rund 1200 Menschen töteten und 250 Geiseln nahmen. In den Aufnahmen sieht man einen grauhaarigen Mann immer wieder barfuß einen schmalen Tunnel auf- und ablaufen und Tüten oder Wasserflaschen tragen. Laut der «Jerusalem Post» wurden die Aufnahmen vor wenigen Monaten in Gaza sichergestellt.

Zu Beginn des Zusammenschnitts der Szenen gehen zwei Jungen voran, die durch den stellenweise komplett dunklen Tunnel auf die Kamera zulaufen. Hinter dem Mann gehen ein Mädchen und eine Frau – nach Armeeangaben handelt es sich um Sinwars Familie. Mit einem der Jungen trug Sinwar demnach wenige Stunden vor dem Massaker einen Fernseher in sein Versteck. Armeesprecher Nadav Schoschani schrieb dazu auf X: «Er nimmt seinen Fernseher mit in seinen Tunnel, versteckt sich unter seinen Zivilisten und bereitet sich darauf vor, seinen Terroristen beim Morden, Entführen und Vergewaltigen zuzusehen.»

Der Terrorüberfall im Oktober führte zum Gaza-Krieg, in dessen Verlauf auch die kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Israel und der Hisbollah eskalierten. Seitdem wurden laut palästinensischen Angaben im Gazastreifen mehr als 42.000 Menschen getötet. Es ist unklar, wie viele davon Zivilisten sind, und die Angaben können nicht unabhängig überprüft werden. Die UN schätzen jedoch, dass die Zahlen weitgehend glaubwürdig sind und die meisten der Getöteten Frauen und Kinder sind.

dpa