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Neue EU-Spitzenvertreter zu Gesprächen in Kiew eingetroffen

Was kann die EU tun, wenn Donald Trump die US-Unterstützung für die Ukraine zurückfahren sollte? Diese Frage steht seit dem Wahlsieg des Republikaners im Raum. Nun ist das neue Spitzenpersonal in Kiew

Der neue EU-Ratspräsident António Costa, die neue EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas (2.v.l) und die neue EU-Erweiterungskommissarin Marta Kos (r) kommen wenige Stunden nach ihrer Amtsübernahme zu einem Besuch in der ukrainischen Hauptstadt Kiew an und werden von Vizeministerpräsidentin Olha Stefanischyna begrüßt.
Foto: Ansgar Haase/dpa

Die neuen Spitzenvertreter der EU im Bereich Außenpolitik sind kurz nach Amtsübernahme zu einem bedeutungsvollen Besuch in der ukrainischen Hauptstadt Kiew angekommen. EU-Ratspräsident António Costa und Chefdiplomatin Kaja Kallas planen, Präsident Wolodymyr Selenskyj zu treffen und ihm Unterstützung angesichts des fortwährenden russischen Angriffskrieges zuzusichern.

«Wir sind gekommen, um eine klare Botschaft zu senden: Wir stehen hinter der Ukraine und setzen unsere Unterstützung für die Ukraine uneingeschränkt fort», sagte der frühere portugiesische Regierungschef Costa zum Auftakt des Besuchs. Dazu gehöre humanitäre, finanzielle, militärische und diplomatische Hilfe. Ein Thema der Gespräche werde neben der aktuellen Lage auch die gemeinsame europäische Zukunft mit der geplanten Integration der Ukraine in die EU sein. 

Der 63-jährige Costa hatte gerade um Mitternacht offiziell das Amt des Präsidenten des Europäischen Rates übernommen, des Gremiums der Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten. Zuvor hatte der Belgier Charles Michel dieses Amt fünf Jahre lang innegehabt. Zur gleichen Zeit trat die ehemalige estnische Ministerpräsidentin Kallas die Nachfolge des Spaniers Josep Borrell als EU-Außenbeauftragte an. Beide Positionen wurden nach den Europawahlen im Juni neu besetzt.

Situation an der Front ist ernst

Der Besuch der beiden EU-Spitzenvertreter findet zu einer besonders schwierigen Zeit für die Ukraine statt. In jüngster Zeit konnten russische Streitkräfte im Osten des Landes erneut bedeutende Geländegewinne verzeichnen. Es besteht auch Unsicherheit darüber, ob die USA ihre Unterstützung unter Donald Trump in der aktuellen Form fortsetzen werden. Sollte dies nicht der Fall sein, müssten europäische Staaten ihre Militärhilfe deutlich erhöhen, um der Ukraine die Fortführung des Abwehrkampfes zu ermöglichen.

Die EU-Außenbeauftragte Kallas sagte am Rande der Kiew-Reise der Deutschen Presse-Agentur und anderen internationalen Medien, für die Ukraine sei es entscheidend, dass Europa zeige, dass es an ihrer Seite stehe. Die Situation auf dem Schlachtfeld in der Ukraine sei «sehr, sehr ernst».

Kallas richtet Appell an die USA

Mit Blick auf das Szenario, dass die Ukraine durch ein Zurückfahren von Militärhilfen in Gespräche über einen Waffenstillstand gezwungen werden könnte, warnte Kallas eindringlich vor möglichen Folgen. Russlands Präsident Wladimir Putin habe seine Ziele nicht geändert. Wenn man jetzt einfach sagen würde: «In Ordnung, nimm die Gebiete, die du erobert hast», dann werde das nicht nur Russland, sondern auch dessen Verbündete China, Nordkorea und Iran stärken. «Wenn Amerika sich Sorgen wegen China macht, sollte es sich auch Sorgen wegen Russland machen», sagte Kallas in Anspielung darauf, dass in den USA China als größte Sicherheitsgefahr gesehen wird.

Dabei erinnerte sie auch daran, dass Russland schon in den Jahren vor 2022 Vereinbarungen für Waffenruhen nicht eingehalten hatte. «Natürlich will jeder Frieden und Ruhe und keine fliegenden Bomben. Aber wir müssen die Ukraine so unterstützen, dass sie eine starke Position hat. Je stärker sie auf dem Schlachtfeld ist, desto stärker ist sie am Verhandlungstisch. Das halte ich für sehr, sehr wichtig», sagte die 47-Jährige. Die Kosten für die Hilfe für die Ukraine seien deutlich geringer als die, die ein Sieg Russlands mit sich bringen würde.

Diskussion um möglichen Nato-Beitritt 

Als stärkste mögliche Sicherheitsgarantie für die Ukraine nach einem Waffenstillstand nannte Kallas eine Nato-Mitgliedschaft. «Wenn die Ukraine entscheidet, irgendwo eine Grenze zu ziehen, stellt sich die Frage, wie wir den Frieden sichern können, damit Putin nicht weiter vordringt und keine zusätzlichen Maßnahmen ergreift», erklärte sie. Die Nato-Mitgliedschaft müsse definitiv diskutiert werden. Andere klare Optionen sehen sich nicht.

Selenskyj hatte kurz zuvor in einem Interview deutlich gemacht, dass die Ukraine einem Waffenstillstand mit Russland zustimmen könnte, wenn die Nato ihren Schutz auf die von Kiew beherrschten Teile des Landes ausdehnt. Bei einem Waffenstillstand brauche sein Land Garantien, «dass Putin nicht wiederkommt», sagte Selenskyj in einem Interview des britischen TV-Senders Sky News.

Selenskyj nennt Bedingungen

«Wenn wir die heiße Phase des Krieges beenden wollen, sollten wir das Territorium unter den Schutzschirm nehmen, das wir unter Kontrolle haben», sagte Selenskyj laut der englischen Übersetzung. «Das müssen wir schnell tun. Und dann kann die Ukraine die anderen Gebiete diplomatisch zurückerlangen.»

Kiew habe diesen Weg bislang nicht in Betracht gezogen, weil niemand in der Nato ihn offiziell vorgeschlagen habe, sagte Selenskyj. Außerdem müsse eine Nato-Einladung trotzdem an die gesamte Ukraine in ihren international anerkannten Grenzen gehen. Sein Land habe der Verfassung nach nicht das Recht, besetzte Gebiete als russisch anzuerkennen.

Costa und Kallas wurden bei ihrem Besuch in Kiew auch von der neuen EU-Erweiterungskommissarin Marta Kos begleitet. Sie wird in den nächsten Jahren für die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine und den anderen Beitrittskandidatenländern verantwortlich sein.

dpa