Die Übergabe der sechs lebenden Geiseln soll heute beginnen, während Israel 600 palästinensische Häftlinge freilassen wird.
Geiselaustausch im Gazastreifen: Hamas will sechs weitere Israelis freilassen
Die islamistische Hamas im Gazastreifen plant heute, sechs weitere israelische Geiseln im Austausch gegen Hunderte palästinensische Häftlinge freizulassen – und behauptet, die Leiche von Schiri Bibas, die ebenfalls entführt wurde, übergeben zu haben. Die sterblichen Überreste der Frau sollten eigentlich zusammen mit ihren beiden Kleinkindern bereits am Donnerstag nach Israel zurückkehren. Der Sarg, den die Hamas an diesem Tag übergeben hatte, enthielt jedoch die Leiche einer anderen, unbekannten Frau. Ob es sich dieses Mal um den richtigen Leichnam handelte, war am Morgen noch unklar.
Die sechs lebenden Geiseln werden heute um 8.00 Uhr Ortszeit (7.00 Uhr/MEZ) in Rafah im Süden des abgeriegelten Gazastreifens übergeben. Die Männer sind Omer Schem-Tov, Omer Wenkert, Elija Cohen, Tal Schoham, Hischam al-Sajid und Avera Mengistu. Die Hamas hat die Namen bestätigt. Im Gegenzug soll Israel laut palästinensischen Angaben etwa 600 palästinensische Häftlinge aus Gefängnissen entlassen, darunter 60 Straftäter mit langen Haftstrafen.
Unterdessen gab Israel eigene schockierende Erkenntnisse über den Tod der beiden kleinen israelischen Geiseln Ariel und Kfir Bibas bekannt. «Im Gegensatz zu den Lügen der Hamas wurden Ariel und Kfir nicht bei einem Luftangriff getötet, sondern kaltblütig ermordet», sagte Armeesprecher Daniel Hagari. «Die Terroristen haben die beiden Jungen nicht erschossen – sie haben sie mit bloßen Händen umgebracht», sagte er. Die kleinen Kinder und ihre Mutter Schiri Bibas sollen auch die deutsche Staatsbürgerschaft besessen haben. Im Augenblick ihrer Entführung war Ariel vier Jahre und Kfir erst zehn Monate alt.
Anschließend hätten die Terroristen «grausame Taten» begangen, um ihre Gräueltaten zu vertuschen, sagte Hagari weiter. Details nannte der Armeesprecher nicht. Diese Einschätzung stütze sich auf die forensischen Ergebnisse der Identifizierung der Leichen und auf nicht näher bezeichnete nachrichtendienstliche Erkenntnisse, hieß es. Die Hamas hat Israel dagegen vorgeworfen, den Tod der am 7. Oktober 2023 aus Israel in den abgeriegelten Gazastreifen verschleppten Kleinkinder und ihrer Mutter Schiri durch einen Luftangriff im darauffolgenden November verschuldet zu haben.
Die Leiche der Frau soll zusammen mit anderen Opfern unter Trümmern begraben worden sein. Möglicherweise wurde am Donnerstag irrtümlich nicht die Mutter, sondern eine andere Tote zusammen mit den sterblichen Überresten der Jungen und einer weiteren israelischen Geisel übergeben, erklärte die Terrororganisation. Israel betrachtete dies als Verstoß gegen die geltenden Waffenruhe- und Geiselfreilassungsvereinbarungen. Die Angaben beider Seiten konnten zunächst nicht unabhängig überprüft werden.
Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu hatte die Hamas wegen der am Donnerstag übergebenen falschen Toten als «grausam und bösartig» bezeichnet und von «Hamas-Monstern» gesprochen. Diese würden dafür zahlen, warnte er in einer Videobotschaft. Zugleich sicherte er zu, sich für die Rückkehr aller noch im Gazastreifen verbliebenen Geiseln einzusetzen.
Unter den sechs heute freizulassenden Entführten befinden sich zwei Männer, die seit etwa zehn Jahren von der Hamas gefangen gehalten werden. Bevor sie entführt wurden, hatten sie eigenständig die Grenze zum Gazastreifen überquert. Laut israelischen Angaben leiden beide unter psychischen Problemen. Die anderen vier Männer wurden am 7. Oktober 2023 von der Hamas und anderen extremistischen Gruppen während ihres bisher beispiellosen Massakers im Süden Israels entführt, bei dem 1.200 Menschen ums Leben kamen.
Israel hat den wichtigsten Übergang für Hilfslieferungen in den Gazastreifen ohne Angabe von Gründen geschlossen. «Der Grenzübergang Kerem Shalom ist heute geschlossen, und seit gestern ist keine Ausrüstung mehr nach Gaza gelangt», schrieb Netanjahus Sprecher Omer Dostri auf X.
Laut Hamas wurden kurz vor der Schließung etwa zehn Containerhäuser über Kerem Schalom in das abgeriegelte Küstengebiet transportiert. Die Lieferung dieser Behelfshäuser für die rund zwei Millionen Gaza-Bewohner, die in Zelten und Ruinen leben, ist eine der Hauptforderungen der Hamas für die Fortsetzung der Waffenruhe und den vereinbarten Austausch von Geiseln gegen inhaftierte Palästinenser.