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Politische Krise in Frankreich: Neues Kabinett unter Druck

Die Regierungsbildung in Paris sorgt für Unmut und Proteste. Kritik an der fehlenden Vertretung des siegreichen Linksbündnisses im neuen Kabinett.

Frankreichs neuer Premier Barnier muss verschiedene politische Gruppierungen in seiner Regierung vereinen. (Archivbild)
Foto: Stephane de Sakutin/Pool AFP/AP/dpa

Nach einer politischen Krise von dreieinhalb Monaten in Frankreich zeigt sich mit der erwarteten Vorstellung einer neuen Regierung in Paris keine Stabilisierung der Situation. Die Mitte-Rechts-Regierung unter dem neuen Premierminister Michel Barnier steht von Anfang an unter großem Druck. Das siegreiche Linksbündnis bei den vorgezogenen Parlamentswahlen vor gut zwei Monaten wird im neuen Kabinett wohl kaum vertreten sein. Aus diesem Grund haben die Linkspartei, Gewerkschaften und andere Organisationen zu landesweiten Kundgebungen aufgerufen.

Von einer «Demokratieverweigerung, die völlig inakzeptabel und unerträglich ist», sprach der Koordinator der Linkspartei, Manuel Bompard, im Sender France Bleu Provence. «Es ist eine Regierung der Verlierer, die den Kurs der vorherigen Regierungen fortsetzt, obwohl sie die letzten Parlamentswahlen verloren haben, und die außerdem Minister der Républicains einschließt, obwohl sie bei den letzten Parlamentswahlen weniger als sechs Prozent erreicht haben.» Grünen-Politikerin Sandrine Rousseau meinte, die Wähler des Linksbündnisses würden «um das Ergebnis dieser Wahl betrogen».

Linksbündnis trotz Wahlsiegs außen vor

Das Linksbündnis war bei der Parlamentswahl vor den Mitte-Kräften von Präsident Emmanuel Macron und den Rechtsnationalen um Marine Le Pen platziert. Keines der Lager erhielt eine absolute Mehrheit und keiner Partei gelang es, mit Partnern eine regierungsfähige Mehrheit zu bilden.

Nach langem Zögern ernannte Macron vor zwei Wochen den konservativen Barnier (73) zum neuen Premier. Die Hoffnung war, dass es dem ehemaligen Brexit-Chefunterhändler der EU mit seinem Verhandlungsgeschick und Talent zum Kompromiss gelingen würde, genügend Partner für eine handlungsfähige Regierung zu finden. Am Donnerstagabend legte Barnier Macron dann sein Personaltableau vor. Wegen «letzter Anpassungen», wie es seitens der Regierung hieß, wurde die Vorstellung des Kabinetts dann von Freitag auf heute verschoben.

Laut Medienberichten sollen von den 16 übergeordneten Ministerinnen und Ministern der zukünftigen Regierung sieben aus Macrons Mitte-Lager stammen, drei von den konservativen Republikanern, einer von einer linken und einer von einer rechten Partei und die übrigen vier von Parteien der Mitte. Alle Schlüsselpositionen werden daher neu besetzt, nur im Verteidigungsministerium soll Sébastien Lecornu seinen Posten behalten.

Misstrauensvotum droht

Spitzenpolitiker, die über Frankreich hinaus bekannt sind, konnten trotz der in den Medien kursierenden Namen nicht für Ministerämter gewonnen werden. Dies könnte auch daran liegen, dass unklar ist, ob die Regierung überhaupt eine längere Amtszeit haben wird und nicht sofort gestürzt wird. Sowohl von links als auch von extrem rechts könnte bald ein Misstrauensvotum drohen. Eine Regierungserklärung von Barnier ist laut Medienberichten für den 1. Oktober geplant.

Die zukünftige Regierung wird nicht über eine absolute Mehrheit verfügen, um die politischen Vorhaben von Präsident Macron einfach umzusetzen. Je nach Regierungsvorhaben wird Barnier möglicherweise auf die Unterstützung verschiedener Partner angewiesen sein und auch auf die Duldung durch das rechtsnationale Rassemblement National von Marine le Pen. Obwohl Staatschef Macron seine Position durch die Neuwahlen stärken wollte, steht er nun geschwächt da. Da er in der Außenpolitik die Oberhand behält und mit Barnier einen proeuropäischen Premier an seiner Seite hat, dürfte sich jedoch an der Zusammenarbeit mit Brüssel und Berlin kaum etwas ändern.

Schuldenberg belastet Start der neuen Regierung

In der Innenpolitik steht der neuen Regierung indes mit dem Haushalt für das kommende Jahr gleich eine Belastungsprobe bevor. Wegen einer zu hohen Neuverschuldung betreibt die EU-Kommission im Moment ein Defizitverfahren gegen Frankreich. An einem drastischen Sparkurs in Frankreich mit seinen traditionell hohen öffentlichen Ausgaben führt eigentlich kein Weg vorbei und über die Frage möglicher Steuererhöhungen ist schon Streit zwischen Barnier und dem Macron-Lager entbrannt.

dpa