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Putin lehnt Waffenruhe ab, neue Sanktionen drohen

Putin reagiert nicht auf Waffenruhe-Vorschlag, EU bereitet neue Sanktionen vor. Verhandlungen schwierig aufgrund nationaler Interessen.

Mit Trump am Telefon: Fünf europäische Staatschefs in Kiew.
Foto: -/Ukrainisches Präsidentenbüro/dpa

Für Bundeskanzler Friedrich Merz ist es die «größte diplomatische Initiative der letzten Monate», die da in Kiew in Gang gesetzt wurde. Von einem «historischen» Moment war die Rede, als er am Samstag im Garten des Marienpalastes gemeinsam mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron, Großbritanniens Premierminister Keir Starmer sowie dem polnischen Regierungschef Donald Tusk und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj eine Art Fahrplan zur Beendigung des seit mehr als drei Jahren tobenden russischen Angriffskriegs präsentierte: erst eine Waffenruhe, dann Verhandlungen und am Ende hoffentlich irgendeine eine Lösung.

Jedoch nur wenige Stunden später, kurz nach der Rückkehr des Kanzlers nach Berlin in der Nacht zum Sonntag, wich die anfängliche Euphorie der Ernüchterung. Putin reagierte nicht auf den ultimativen Vorschlag einer Waffenruhe, sondern präsentierte stattdessen einen eigenen Vorschlag. Dieser ist jedoch für die Europäer nicht akzeptabel. Was nun?

Was schlagen die Europäer vor?

Sie fordern, dass zuerst eine bedingungslose Waffenruhe in Kraft tritt – ab diesem Montag und zunächst für 30 Tage. Dieser Zeitraum soll genutzt werden, um ernsthafte Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russland über ein Ende des Krieges zu führen.

Wer steckt hinter dem Vorschlag der Europäer?

Die Initiative kommt von Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Polen. In einer Videoschalte wurde die «Koalition der Willigen» mitgenommen, in der sich die Unterstützer der Ukraine vernetzt haben. Daran nahmen mehr als 20 weitere Staats- und Regierungschefs teil. Anschließend rief Macron um kurz nach 6 Uhr amerikanischer Zeit US-Präsident Donald Trump auf dem Handy an. Er stellte sein Telefon laut, und versuchte ihn zusammen mit den anderen ins Boot zu holen. Es gibt ein Foto davon, wie die fünf während des Telefonats zusammen vor Macrons Handy auf einem Sofa sitzen.

Trump gab nach Angaben von europäischer Seite Rückendeckung für den Vorstoß – wie schon am Donnerstag in einem Telefonat mit Merz. «Wir wissen, dass uns die Vereinigten Staaten von Amerika unterstützen», sagte Selenskyj. 

Wie wollen die Europäer ihren Vorschlag durchsetzen?

Unter Androhung von Sanktionen – insbesondere im Bereich Energie und Finanzen. Die genauen Details sind noch nicht bekannt. Die Europäer erwägen auch zusätzliche Waffenlieferungen, um Druck auf Moskau auszuüben.

Wie hat Putin reagiert?

In der Nacht zum Sonntag versammelte er Journalisten und machte ein Gegenangebot. Der Kremlchef möchte direkte Verhandlungen zwischen Moskau und Kiew in Istanbul. Die Gespräche sollen noch am Donnerstag (15.5.) ohne Vorbedingungen beginnen, schlug Putin vor. Später erklärte sein außenpolitischer Berater Juri Uschakow jedoch, dass Russland durchaus ein Grundgerüst an Forderungen habe. Einerseits sollen die Ergebnisse der vorherigen Verhandlungsrunde aus dem Jahr 2022 – ebenfalls in Istanbul – berücksichtigt werden, andererseits die Entwicklungen an der Front seitdem.

Was wurde 2022 in Istanbul ausgehandelt?

Im damaligen Entwurf eines Abkommens musste die Ukraine auf den Nato-Beitritt verzichten. Die Unterzeichnung scheiterte letztendlich auch daran, dass Russland zwar die Sicherheit der Ukraine garantieren wollte, jedoch ein Vetorecht gegen das Eingreifen anderer Staaten wie den USA oder Großbritannien forderte. Dadurch wäre die Ukraine vollständig vom guten Willen des Kreml abhängig gewesen.

Wie steht Putin zur vorgeschlagenen Waffenruhe?

Putins Verhandlungsangebot kann als Reaktion auf die Forderung nach einer bedingungslosen Waffenruhe betrachtet werden, aber er hat darauf nicht explizit reagiert. Die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, erklärte später, dass zunächst über die Ursachen des Konflikts gesprochen werden müsse, bevor über eine Waffenruhe verhandelt werden könne. Die Ablehnung einer sofortigen Feuerpause dürfte zwei Gründe haben: Erstens möchte Putin Stärke zeigen und deshalb kein Ultimatum akzeptieren. Zweitens sieht sich Moskau auf dem Schlachtfeld im Vorteil.

Durch die Fortsetzung der Kämpfe will der Kreml den Druck auf Kiew während der Verhandlungen aufrechterhalten, um möglichst viele seiner Forderungen durchzusetzen. Gleichzeitig ist es für Putin auch viel einfacher, die Verhandlungen als ergebnislos abzubrechen, solange seine Truppen noch im Einsatz sind. Das Wiederaufnehmen dieser Einheiten nach einer längeren Waffenruhe macht Putin nicht nur in der internationalen Wahrnehmung zum Aggressor, sondern ist auch innenpolitisch schwieriger, da auch in Russland nach drei Jahren Krieg die Hoffnung auf Frieden besteht.

Wie reagieren Kiew und die Europäer auf Putins Angebot?

Sie werten das Angebot Putins offiziell als positives Zeichen, wollen aber nicht von ihrem Plan abrücken: «Erst müssen die Waffen schweigen, dann können Gespräche beginnen», sagte Merz. Ähnlich äußerten sich Selenskyj und Macron. Die Verbindung, die Putin zu den 2022 gescheiterten Gesprächen zieht, kommt bei den Europäern gar nicht gut an. Verhandlungen über einen Frieden, während die gegenseitigen Angriffe weiterlaufen, kommen für sie nicht in Frage.

Was sagt Trump?

Er äußert sich zuversichtlich, aber in der Sache wie so oft unklar. «Ein möglicherweise großer Tag für Russland und die Ukraine», schrieb er auf seinem Online-Sprachrohr Truth Social. Er werde weiter mit beiden Seiten arbeiten, um das endlose «Blutbad» zu beenden. «Eine große Woche steht bevor!» Den Zweckoptimismus kennt man von Trump, gerade in der Ukraine-Frage. Ob etwas dahintersteckt, bleibt offen. 

Wie geht es jetzt weiter?

Die Woche startet mit dem Ablauf des Ultimatums der Europäer an Putin. Wenn Russland bis zum Ende des Tages seine Waffen nicht schweigen lässt, planen sie, ihre Drohung wahr zu machen und mit Sanktionen zu reagieren. Die Vorbereitungen dafür laufen. Es könnten noch in dieser Woche Entscheidungen getroffen werden. Es sei denn, es gibt vorher noch Bewegung auf russischer Seite.

Welche EU-Sanktionen gegen Russland wären noch möglich?

Seit dem Beginn des Angriffskriegs Moskaus gegen die Ukraine hat die EU 16 Sanktionspakete gegen Russland eingeführt. Diese beinhalten Reisebeschränkungen, das Einfrieren von Vermögenswerten sowie verschiedene Import- und Exportbeschränkungen für russische Energieträger wie Kohle und Öl.

Derzeit wird ein 17. Sanktionspaket vorbereitet. Die Europäische Kommission schlägt vor, das Vorgehen gegen die sogenannte russische Schattenflotte für den Transport von Öl und Ölprodukten weiter zu verschärfen. Außerdem ist geplant, Dutzende weitere Unternehmen ins Visier zu nehmen, die an der Umgehung von bestehenden Sanktionen beteiligt sind oder die russische Rüstungsindustrie unterstützen.

Die neuen Sanktionen sollen jedoch weit über diese bisher bekannten Pläne hinausgehen. Die Staats- und Regierungschefs nannten am Freitag bewusst noch keine Details. Die Verhandlungen innerhalb der EU über dieses Thema werden voraussichtlich schwierig sein, da die Mitgliedstaaten in vielen Bereichen nationale Interessen haben, insbesondere im Energiebereich. Es wird als unwahrscheinlich angesehen, dass die EU auf das eingefrorene russische Vermögen in den Mitgliedstaaten zugreifen wird.

dpa