Der neue Papst Leo XVI. könnte die katholische Kirche viele Jahre prägen. Zu Beginn schauen jedoch alle darauf, wie er sich zu zwei Männern verhält: zu Vorgänger Franziskus und zu US-Präsident Trump.
Neuer Papst Leo – der Beginn einer Ära?
Sie haben jetzt schon das Rechnen begonnen in Rom. Italiens wichtigster Fernsehsender, die Rai, hat bereits ein neues Zeitalter ausgerufen: die «Ära Leo XIV.». Der neue Papst, der erste aus den USA, bislang bekannt als Kardinal Robert Francis Prevost, ist für Vatikan-Verhältnisse ja noch recht jung: 69.
Wenn man sich – wie der Amerikaner selbst – am letzten Papst orientiert, der den Namen Leo trug, könnte die Amtszeit bis ins Jahr 2050 dauern. Das Pontifikat von Leo XIII. (1810-1903), in die Geschichte eingegangen als «Arbeiterpapst», dauerte ein Vierteljahrhundert. Als der Italiener ins Amt kam, war er fast genauso alt wie Prevost jetzt. Aber so weit sind wir natürlich noch lange nicht.
Auf die ersten Schritte wird nun sehr geachtet
Die Arbeit für das neue Oberhaupt von 1,4 Milliarden Katholiken begann am Freitag in der Sixtinischen Kapelle, wo die Kardinäle unter 80 Jahren den Mann aus ihrer Mitte in einem der kürzesten Konklaven der Kirchengeschichte zum Nachfolger von Franziskus wählten. Nach nicht einmal 24 Stunden und vier Wahlgängen war das Treffen beendet. Nun feierten die Kirchenoberen dort noch einmal eine gemeinsame Messe, die vom neuen Mann in päpstlichem Weiß geleitet wurde.
Selbstverständlich wird jetzt jede seiner ersten Schritte genau beobachtet: Wie tritt der Neue auf? Überall liest man, dass Leo XIV. – man muss sich erst an den Namen gewöhnen – den Kurs seines Vorgängers fortsetzen wird. Erneut jemand aus Amerika, wenn auch nicht aus Argentinien, sondern aus den USA. Noch einmal ein Ordensbruder, wenn auch nicht von den Jesuiten, sondern von den Augustinern. Und erneut jemand, dessen besonderes Interesse den Menschen an den Rändern der Welt und der Gesellschaft gilt.
Ein «Papst der zwei Welten»
Geboren in Chicago, aber längst weg aus den USA. Studium in Rom, viele Jahre als Missionar und Bischof in Peru, zuletzt als Leiter der Vatikan-Behörde für alle Bischöfe weltweit eine Art Personalchef der katholischen Kirche. Ein Weltbürger. Oder, wie die Zeitung «La Stampa» ihn nennt, ein «Papst der zwei Welten». Das hätte sicherlich auch Franziskus gefallen.
Es gibt jedoch bereits erkennbare Unterschiede. Gleich bei seinem ersten Auftritt auf dem Balkon des Petersdoms vollzog der neue Pontifex einen Bruch. Nicht, weil er im Vergleich zum bisherigen alten, gesundheitlich angeschlagenen und sichtlich leidenden Papst so viel jünger wirkt. Sondern weil Leo XIV. anders als sein Vorgänger, der sich 2013 bescheiden in schlichtem Weiß präsentierte, standesgemäß mit rotem Schulterumhang und Stola aus Goldbrokat erschien.
«Kein Abziehbild von Franziskus»
Der deutsche Kirchenhistoriker Hubert Wolf meint dazu: «Er wollte offenbar damit deutlich machen: Ich bin kein Abziehbild von Franziskus.» Nach einem Abendessen mit den anderen Kardinälen machte das neue Kirchenoberhaupt dann einen Abstecher zum Palazzo del Sant’Uffizio, wo er bislang wohnte. Er ließ sich in einem dunklen Elektro-SUV von VW fahren, nicht wie Franziskus, der im kleinen weißen Fiat 500 unterwegs war. Das Kennzeichen war gleich: SCV 1. SCV steht für Stato della Città Vaticano. Die 1 ist der Papst.
Der Papst mit drei Staatsbürgerschaften – sein Geburtsland USA, die zwischenzeitliche Heimat Peru und nun als Staatsoberhaupt des Vatikans – musste vor seiner alten Unterkunft auch schon erste Autogramme geben. Gelächter als er sich bei einem Mädchen nach dem Tag erkundigte, als habe er das Datum seiner Wahl zum Papst nicht im Kopf. Offen ist noch, ob er wie frühere Pontifexe wieder in den Apostolischen Palast zieht oder wie Franziskus im Gästehaus Santa Marta wohnen bleibt. Die meisten tippen auf Palast.
Kein Wunschkandidat von Trump
Noch mehr als auf die Übereinstimmungen und Unterschiede zu Franziskus wird jedoch darauf geachtet werden, wie sich der US-Papst zum US-Präsidenten verhält. Donald Trump gehörte am Abend zu den allerersten Gratulanten. Auf seinem Online-Sprachrohr Truth Social jubelte er über eine «große Ehre», erstmals einen Papst aus den Vereinigten Staaten zu haben. Aber es ist nicht sicher, ob es bei dem Jubel bleibt: Trump wären andere, konservative US-Kardinäle sicherlich sehr viel lieber gewesen als Prevost.
Es wurde bemerkt, dass Leo XIV. in seiner ersten Rede auf Italienisch auch ein paar Sätze Spanisch sprach, aber kein einziges Wort Englisch. Dies sollte wahrscheinlich verdeutlichen, wie wichtig ihm Lateinamerika ist – die Region, aus der Millionen von Einwanderern stammen, die ohne Papiere in den USA leben. Er hat die Behandlung von solchen Migranten durch die Trump-Regierung mehrmals kritisiert. Der neue Papst steht eher in einer Linie mit einem ehemaligen Präsidenten aus seiner Heimatstadt Chicago: Barack Obama.
Kritik an US-Vize JD Vance
Im Februar, noch als Kardinal, stellte sich Prevost auch gegen Trump-Vize JD Vance. Der Neu-Katholik (seit 2019) hatte als «christliches Konzept» ausgegeben, dass «man seine Familie liebt, dann seinen Nächsten, dann seine Gemeinschaft, dann seine Mitbürger, und danach den Rest der Welt». Prevost teilte daraufhin auf der Plattform X einen Meinungsbeitrag: «JD Vance liegt falsch: Jesus fordert uns nicht auf, unsere Liebe zu anderen abzustufen.»
Dass Trump vor Beginn des Konklaves ein mit Künstlicher Intelligenz erstelltes Bild von sich selbst als Papst postete, dürfte dem neuen Pontifex auch nicht gefallen haben. Manche erwarten sogar, dass sich Leo XIV. zu einer Art «Gegenpapst» zum US-Präsidenten entwickeln könnte.
Der Benediktiner-Abt Nikodemus Schnabel zog schon einen Vergleich mit dem Pontifex, der in jüngerer Zeit den größten politischen Einfluss hatte. «Johannes Paul II., der Papst aus Polen, hat den Kommunismus erschüttert», sagte der Seelsorger in der ARD. «Ein US-Papst kann, glaube ich, ähnlich die USA erschüttern.»