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Neues Rentenalter? Reformdebatte geht weiter

Könnte der Rentenbeginn künftig an die Beitragsjahre gekoppelt werden? Der Vorschlag ruft kontroverse Reaktionen hervor. Die Rentenkommission dürfte viel zu diskutieren haben.

Deutschlands Experten diskutieren über das Rentenalter. (Archivfoto)
Foto: Felix Kästle/dpa

In der Diskussion über die bevorstehenden Rentenreformen in Deutschland wird zunehmend das Rentenalter in den Mittelpunkt gerückt. Ein kontroverser Vorschlag ist es, den Renteneintritt nicht mehr an ein festes Rentenalter zu binden, sondern an die Anzahl der Beitragsjahre. CSU-Chef Markus Söder zeigte sich gleichzeitig skeptisch gegenüber einer möglichen Erweiterung des Kreises der Beitragszahler.

«Ich weise da darauf hin, dass wir sehr zurückhaltend sind, Beamte damit einzubeziehen, Selbstständige, Sozialabgaben zu verlangen auf Dividenden», sagte der bayerische Ministerpräsident nach einer Sitzung des CSU-Vorstands in München. Er warnte vor einer «Enteignung der Mittelschicht». 

Union und SPD haben in einem Koalitionsausschuss mit Söder vereinbart, dass die angekündigte Rentenkommission für eine neue, grundlegende Reform unter anderem die Einbeziehung weiterer Gruppen in die gesetzliche Rente, also eventuell von Beamtinnen und Beamten, prüfen soll. Auch eine weitere Verlängerung der Lebensarbeitszeit über 67 hinaus soll geprüft werden. Für die Union sind Beamte in der Rentenversicherung bisher ein Tabu, für die SPD ist bisher längeres Arbeiten nicht akzeptabel.

Nun sagte Söder, die CSU werde zwar mit «großem Engagement» in die Arbeit der Rentenkommission gehen, bei der Frage nach der Einbeziehung weiterer Einzahler werde sie sich aber sehr zurückhalten: «Wir wollen nicht, dass die Rentenkommission ein Instrument des Klassenkampfes wird.»

SPD-Sympathie für Rente nach Beitragsjahren

Der Vorschlag, das Renteneintrittsalter an die Anzahl der Beitragsjahre zu koppeln, hat zu einer intensiven Debatte geführt. Der Wirtschaftsprofessor Jens Südekum hatte vorgeschlagen, den Renteneintritt nicht mehr an das Alter, sondern an die Anzahl der Beitragsjahre zu binden. Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) äußerte sich dazu im ARD-«Bericht aus Berlin»: «Ich finde die Idee grundsätzlich ganz gut.»

SPD-Generalsekretär Tim Klüssendorf schloss sich dem an. «Ich finde erst mal, dass es eine Idee ist, die deutlich besser geeignet ist, darüber zu diskutieren als eine schnöde Anhebung des Renteneintrittsalters», sagte Klüssendorf im «Frühstart» von RTL/ntv. Auch Söder zeigte sich hier offen. Diesen Grundgedanken finde er «sympathischer» als es an ein bestimmtes Alter zu koppeln. Auch hier gebe es aber noch viele Dinge zu bedenken, etwa wie in den Beitragsjahren wirklich gearbeitet worden sei, etwa durch Teilzeit.

Was Kritiker dagegen hervorbringen

Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, lehnt die Idee einer Koppelung hingegen ab. «Der Vorschlag wird die Altersarmut nicht reduzieren, sondern Ungleichheiten verstärken», sagte der Ökonom der «Rheinischen Post». Aus seiner Sicht würden auf diese Weise auch «Menschen und vor allem Frauen, die viele Jahre ehrenamtlich tätig waren oder sich um die Familie gekümmert haben, schlechter gestellt».

Auch die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) lehnt den Vorschlag einer neuen Berechnung nach Beitragsjahren ab. «Der von Bas unterstützte Vorschlag eines einzelnen Beraters ist eine Neuauflage der „Rente mit 63“ unter einer neuen Überschrift. Dieses war falsch, bleibt falsch – und wird auch zukünftig unter einer neuen Überschrift falsch», sagte BDA-Hauptgeschäftsführer Steffen Kampeter mit Blick auf die abschlagsfreie Rente nach 45 Versicherungsjahren.

Eine noch für Dezember angekündigte Rentenkommission soll bis zum Sommer Vorschläge zur langfristigen Sicherung der Alterseinkommen machen. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe: «Die Rentenkommission muss jetzt ohne Denkverbote und Vorfestlegungen arbeiten, ansonsten macht es keinen Sinn, sie einzurichten.» Er fügte hinzu: «Die Überlegung, das Renteneintrittsalter an die Zahl der Beitragsjahre zu koppeln, gehört da sicherlich dazu.»

Scharfe Kritik von links

Linke-Fraktionsvize Nicole Gohlke lehnte Südekums Vorschlag als «vergiftetes Angebot» ab. «Wer körperlich hart arbeitenden Menschen einen früheren Ruhestand ermöglichen will, rennt bei uns offene Türen ein. Aber das darf nicht gegen diejenigen ausgespielt werden, die sich für ein Studium entschieden haben.» Weil Akademiker wegen der Studienjahre in der Regel deutlich später zu arbeiten anfangen, könnte für sie eine Umsetzung von Südekums Vorschlag von Nachteil sein.

dpa