Aserbaidschans Wirtschaft lebt vom lukrativen Verkauf von Öl und Gas. Kann das kleine und streng autoritär regierte Land glaubwürdig und erfolgreich eine UN-Klimakonferenz leiten? Viele hegen Zweifel.
Öl-Dynastie als Klimaretter? Aserbaidschan und der UN-Gipfel
Aserbaidschan verdient sein Geld mit Öl und Gas – und ist gleichzeitig Gastgeber der am Montag beginnenden Weltklimakonferenz. Wie passt das zusammen? Der mit eisenharter Hand regierende Staatschef Ilham Aliyev hofft auf einen Image-Gewinn. Doch Klimaschützer hegen Zweifel, ob die kleine Ex-Sowjetrepublik mit ihrem Fokus auf fossile Energie den Mammut-Gipfel glaubwürdig leiten kann. Die Wahl Bakus als Austragungsort für den Formel-1-Zirkus leuchte jedenfalls eher ein als für eine UN-Konferenz zur Rettung des Klimas, meinen die Umweltschützer von Greenpeace.
Schon vor Monaten sorgte es für Irritationen, dass der aserbaidschanische Umweltminister Mukhtar Babayev als Präsident der Konferenz, im UN-Jargon COP29 genannt, vorgesehen ist – obwohl er früher lange für den staatlichen Ölkonzern Socar gearbeitet hat. Laut Schätzungen der Organisation Global Witness plant Aserbaidschan, seine klimaschädliche Gas- und Ölproduktion noch deutlich zu erhöhen.
Vor Kurzem sorgte der Chef des aserbaidschanischen COP29-Teams erneut für Aufsehen: Laut einem Bericht der BBC soll er seine Position genutzt haben, um Treffen für mögliche Gas- und Öl-Deals zu arrangieren. Ein heimlich aufgenommenes Video zeigt, wie Elnur Soltanov mit einem Mann, der sich als potenzieller Investor ausgibt, über Investitionsmöglichkeiten im Socar-Konzern spricht. Das COP-29-Team hat auf eine Anfrage der BBC zunächst nicht reagiert.
Von Greenpeace heißt es in einem Statement für die Deutsche Presse-Agentur, es sei nicht leicht, sich Redlichkeit und echte Ambitionen bei einem Staat vorzustellen, der seinen Reichtum fossilen Energieträgern verdanke. «Der Verdacht liegt nahe, dass sich Aserbaidschan mit einer internationalen High-Level-Konferenz in erster Linie schmücken und das eigene Image innerhalb der Weltgemeinschaft aufpolieren will.»
Song Contest und Formel 1 in der schillernden Hauptstadt
Bereits jetzt finden in der glitzernden Hauptstadt Baku regelmäßig Formel-1-Rennen statt, außerdem war sie Gastgeber des Eurovision Song Contest (ESC) und Austragungsort der Fußball-EM. Während Andersdenkende in dem Land am Kaspischen Meer als politische Gefangene festgehalten werden, setzt der 62-jährige Machthaber mit seiner Frau Mehriban Aliyeva nun darauf, als Gastgeber für Dutzende Staats- und Regierungschefs aus aller Welt zu dienen.
Aliyev, der enge Verbindungen nach Russland und zur Bruderstaat Türkei hat, regiert das Land im Südkaukasus mit etwa zehn Millionen Einwohnern seit über 20 Jahren mit eiserner Hand – als Nachfolger seines Vaters Heydar Aliyev, der während der Sowjetzeit das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei in Aserbaidschan leitete. Die Wahlen in diesem dynastisch geführten Staat gelten weder als fair noch frei. Bei den Wahlen im Februar wurde Ilham Aliyev zum Sieger erklärt, nachdem er 92 Prozent der Stimmen erhalten hatte.
Schon wieder keine Proteste in der Stadt möglich
Menschenrechtsaktivisten haben seit Jahrzehnten die Situation in der ehemaligen Sowjetrepublik kritisiert. Zuletzt hat die Organisation Human Rights Watch (HRW) von einer Verschärfung der Maßnahmen gegen Andersdenkende gesprochen. In den letzten beiden Jahren hat die Regierung härter gegen Kritiker vorgegangen und Dutzende festgenommen, so HRW. HRW beklagt auch, dass es in Aserbaidschan kaum noch unabhängige Organisationen und Medien gibt. Laut Bericht ist unter den Inhaftierten auch der Menschenrechtsaktivist Anar Mammadli, der vor seiner Festnahme eine Initiative für Klimagerechtigkeit mitbegründet hat.
Darya Sotoodeh von der Klimabewegung Fridays for Future stuft dies alles als höchst problematisch ein. Die Klimakonferenz in Baku sei nach der in Ägypten und in Dubai die Dritte in Folge in einem autoritär regierten Staat. «In Baku ist schon wieder kein zivilgesellschaftlicher Protest in der Stadt möglich. Proteste können nur auf dem Konferenzgelände stattfinden, das man überhaupt nur mit einer Akkreditierung der Vereinten Nationen betreten darf», sagte sie der Deutschen Presse-Agentur. Und auch die Agenda der Gastgeber sei ihr unklar: «Wir hinterfragen, inwiefern diese Präsidentschaft wirklich das Ziel hat, den alternativlosen Ausstieg aus allen fossilen Energien auf dieser Klimakonferenz fortzusetzen.»
Auch das Europaparlament kritisierte Menschenrechtsverletzungen: Die Abgeordneten forderten in einer rechtlich nicht bindenden Resolution, dass die EU ihre Gasabhängigkeit von Aserbaidschan beenden müsse, aufgrund der Unterdrückung von Journalisten, Aktivistinnen und Oppositionellen.
Unter den korruptesten Staaten der Welt
Aserbaidschan, das in Deutschland wiederholt wegen Gefälligkeiten für Amtsträger kritisiert wurde, zählt immer noch zu den korruptesten Ländern der Welt. Laut der Organisation Transparency International belegt das Land den 154. Platz von 180 im Korruptionswahrnehmungsindex.
Aliyev sitzt fester im Sattel denn je, seit er sich im vorigen Jahr nach dem mit türkischer Hilfe gewonnen Krieg gegen das kleine Nachbarland Armenien für die Rückeroberung der Konfliktregion Berg-Karabach feiern ließ. Der Triumph sollte auch die Unzufriedenheit in der Gesellschaft über Probleme wie die hohe soziale Ungleichheit übertünchen. Jahrzehntelang war Karabach umkämpft, inzwischen verhandeln die beiden verfeindeten Nachbarn unter getrennter Vermittlung der EU und Russlands über einen Friedensvertrag.
Durch die Angriffe der aserbaidschanischen Armee flohen mehr als 100.000 Karabach-Armenier. Armenien warf Aserbaidschan Vertreibung und «ethnische Säuberung» vor. Genau dort soll nun nach Angaben einer dem Energieministerium unterstellten Agentur eine «grüne Energiezone» entstehen. Ziel sei, das Gebiet mit umweltfreundlicher Energie zu versorgen.