Nach Protesten gegen Rechtsruck starten FPÖ und ÖVP Gespräche. Spannungen und Differenzen bleiben bestehen.
Österreich: FPÖ und ÖVP beginnen Koalitionsverhandlungen
Die rechtsextreme FPÖ und die konservative ÖVP haben begonnen, Verhandlungen über eine Regierungskoalition in Österreich zu führen. Diesen Beschluss der Parteispitzen teilte die ÖVP mit, während am Abend Tausende Menschen in mehreren Städten gegen einen Rechtsruck protestierten.
Nachdem die FPÖ im Herbst die Wahl gewonnen hatte, versuchte die bisherige Kanzlerpartei ÖVP zunächst, eine Koalition aus den Parteien der Mitte zu bilden. Nachdem diese Gespräche am vergangenen Wochenende gescheitert waren, erhielt FPÖ-Chef Kickl von Bundespräsident Alexander Van der Bellen den Regierungsauftrag – und somit die Möglichkeit, Kanzler zu werden.
«Wir treten in Verhandlungen mit der FPÖ ein», sagte ÖVP-Chef Christian Stocker. Als die «wichtigsten Eckpfeiler» für seine Partei dabei nannte er erneut die Bewahrung der liberalen Demokratie, Österreichs EU-Mitgliedschaft und die Ablehnung russischer Einflussnahme. Er sprach damit indirekt die EU-kritische und russlandfreundliche Haltung der FPÖ an, die als mögliche Stolpersteine gelten.
ÖVP und FPÖ stimmen weitgehend in ihrer restriktiven Haltung gegenüber Zuwanderung überein. Es ist noch unklar, ob sie ihre außenpolitischen Differenzen überwinden können, um eine Regierung zu bilden. Zwischen den beiden Parteien bestehen auch atmosphärische Spannungen. Kickl hatte beispielsweise vor Beginn der Verhandlungen von der ÖVP gefordert, Verantwortung für die Wirtschaftskrise zu übernehmen. Die ÖVP hat hingegen die FPÖ wiederholt als Sicherheitsrisiko für Österreich bezeichnet.
Proteste in Wien, Innsbruck, Salzburg und Graz
Vor dem Kanzleramt in Wien protestierten mehrere tausend Menschen gegen die Bildung einer Rechts-Regierung unter Führung der FPÖ. In Innsbruck, Salzburg und Graz versammelten sich jeweils mehrere Hundert Menschen.
Die Demonstranten in Wien hielten Schilder und Transparente mit Botschaften in die Höhe wie «Wir wollen kein rechtsextremes Österreich» und «Nie wieder ist jetzt». Viele Slogans richteten sich auch gegen FPÖ-Chef Herbert Kickl als möglichen nächsten Kanzler. Die Menge buhte, als während der Demonstration bekannt wurde, dass die FPÖ und die konservative ÖVP formell den Beginn von Koalitionsverhandlungen beschlossen hatten.
Organisiert wurde die Demonstration in Wien von sozialen und kirchlichen Organisationen sowie von Gruppen, die sich für Umweltanliegen und Flüchtlinge einsetzen. «Es droht ein autoritärer Angriff auf Demokratie, Menschenrechte, Umweltschutz und den sozialen Zusammenhalt in unserem Land», hieß es in ihrem Protestaufruf. Auch linke Parteien waren bei der Kundgebung vertreten.