Die jahrelange Abhängigkeit Deutschlands von russischen Energielieferungen sei ein Fehler gewesen, sagt Ex-Kanzler Scholz in Schwerin. Dort ging es um die Erdgas-Pipeline Nord Stream 2.
Olaf Scholz: Wollte lange vor Ukraine-Krieg LNG-Terminals

Der ehemalige Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat betont, dass er schon viele Jahre vor dem Überfall Russlands auf die Ukraine für den Bau von LNG-Terminals an der deutschen Küste plädiert hat, um die Energieversorgung der Bundesrepublik flexibler zu gestalten. Scholz äußerte in Schwerin, dass die Abhängigkeit von Russland ein Fehler war.
Der 67-Jährige wurde im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern als Zeuge im Untersuchungsausschuss zur umstrittenen Nord Stream 2-Leitung für russisches Erdgas befragt. Die Pipeline durch die Ostsee wurde Ende 2021 fertig, ging aber wegen des russischen Überfalls auf die Ukraine im Februar 2022 nicht in Betrieb.
Scholz: Es war falsch, nur auf Pipelines zu setzen
«Ich habe es nie verstanden, warum Deutschland anders als viele andere Länder, zum Beispiel Belgien, nicht neben einer Pipeline-Infrastruktur auch eine LNG-Infrastruktur errichtet hat», so der Ex-Kanzler. «Aus meiner Sicht hätte man das immer machen müssen und man hätte sie sogar notfalls komplett aus Steuermitteln finanzieren müssen.»
Schon als Bürgermeister von Hamburg habe er sich dafür eingesetzt, dass LNG-Terminals einfacher errichtet werden könnten, sagte Scholz. Als er 2013 Mitglied der Bundesregierung geworden sei, habe er das dann auch auf den Weg gebracht worden. «Das war eine gute Entscheidung», sagte Scholz.
Laut Scholz konnte Deutschland sich nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine 2022 so schnell von russischen Erdgaslieferungen unabhängig machen, da bereits Projekte vorangetrieben worden waren. Er erwähnte die LNG-Terminals in Brunsbüttel, Stade und Wilhelmshaven.
International Warnungen vor Nord Stream 2
Vor dem Bau der Nord Stream 2-Erdgaspipeline durch die Ostsee hatten osteuropäische Länder und die USA immer wieder Bedenken geäußert. Im Jahr 2020 drohten die USA sogar mit Sanktionen gegen beteiligte Unternehmen. Als Reaktion darauf gründete Mecklenburg-Vorpommern eine Stiftung, um den Abschluss des Baus der Leitung für russisches Gas unter ihrem Schutz zu gewährleisten.
Die Nord Stream 2 AG, eine Tochtergesellschaft des russischen Gazprom-Konzerns, hat 20 Millionen Euro in die Stiftung eingebracht. Der Untersuchungsausschuss versucht zu ermitteln, wer die Idee hatte, die Stiftung für Klima- und Umweltschutz Mecklenburg-Vorpommern zu gründen, und ob es möglicherweise eine russische Einflussnahme gab.
Scholz sagte, die Bundesregierung sei von der Landesregierung MV über die Stiftungsgründung informiert worden, die Anfang 2021 nach einem Beschluss des Schweriner Landtags vollzogen wurde. Es habe seitens des Bundes keine intensive Beschäftigung damit gegeben. «Das war eine Angelegenheit von Mecklenburg-Vorpommern.»
Brief an US-Finanzminister Mnuchin wegen Sanktionen
Durch die Unterstützung der Stiftung wurde der Bau der Pipeline abgeschlossen. Laut Scholz hat sich auch die Bundesregierung bemüht, Sanktionen zu vermeiden. Der damalige Bundesfinanzminister und Vizekanzler, der 67-jährige Scholz, berichtete, dass er einen Brief an den früheren US-Finanzminister Steven Mnuchin geschrieben habe.
Letztlich wurde Nord Stream 2 nicht in Betrieb genommen. Als Bundeskanzler hat Scholz im Februar 2022 dafür gesorgt, dass die Betriebsgenehmigung für Nord Stream 2 nicht erteilt wurde, als der russische Krieg gegen die Ukraine ausbrach. Im Untersuchungsausschuss erklärte er, dass die Leitung heute in Betrieb wäre, wenn es nicht zu dem Krieg gekommen wäre.
Im September 2022 wurden Nord Stream 1 und 2 durch Explosionen schwer beschädigt. Im Verdacht, diese verursacht zu haben, stehen mehrere Ukrainer. Einer wurde in Italien festgenommen und soll an Deutschland ausgeliefert werden. Ein weiterer Verdächtiger wurde in Polen festgenommen, aber wieder auf freien Fuß gesetzt.
Untersuchungsausschuss auf Zielgerade
Zuletzt haben mehrere prominente ehemalige Bundespolitiker im Schweriner Untersuchungsausschuss ausgesagt. Bei seiner Befragung verteidigte Ex-Kanzler Gerhard Schröder (SPD) den Bau der Leitung als wichtig für die Versorgung Deutschlands mit billigem russischem Gas.
Der 81-Jährige bezeichnete sowohl Nord Stream 2 als auch die Gründung der Klimaschutzstiftung Mecklenburg-Vorpommern als eine «außerordentlich vernünftige Entscheidung». Unter ihrem Mantel wurde die Leitung fertig gebaut, nachdem die USA am Bau beteiligten Firmen mit Sanktionen gedroht hatten.
Sigmar Gabriel (SPD), der von 2013 bis Anfang 2017 Bundesminister für Wirtschaft und Energie und danach Bundesaußenminister war, räumte im Ausschuss Fehler im Umgang mit Russland ein. Wladimir Putin und dessen Absichten falsch eingeschätzt zu haben, sei «ist einer der größten Fehler der deutschen Außenpolitik, an dem ich beteiligt war», sagte er.








