Ein falscher Klick legt Londons gesamte Haushaltspläne offen, noch bevor die Finanzministerin im Parlament zum Mikrofon greift. Der Inhalt hat Sprengkraft.
Panne in London: Plan für Staatsfinanzen landet vorab online

Laut einem Dokument des britischen Amts für Haushaltsaufsicht plant die britische Regierung, ein Defizit im Haushalt in Höhe von 26 Milliarden Pfund (29 Mrd. Euro) durch Steuererhöhungen zu decken.
Das Amt veröffentlichte die vollständigen Details der Finanzplanung von Finanzministerin Rachel Reeves durch einen beispiellosen Patzer mehr als eine halbe Stunde bevor sie ihre Pläne wie geplant im Parlament vorstellen konnte.
«Da hat wohl jemand zu früh auf den Knopf gedrückt»
Die Teilnehmer einer Expertenrunde bei der BBC starrten nach der Veröffentlichung plötzlich alle wie gebannt auf ihre Laptop-Bildschirme und lasen wahlweise Absätze aus dem seit Wochen von Spekulationen begleiteten Dokument vor. «Da hat wohl jemand zu früh auf den Knopf gedrückt», sagte einer der Experten.
Auch die Finanzmärkte reagierten unmittelbar auf die versehentlich veröffentlichten Informationen, noch bevor Reeves ihre Pläne selbst kommentieren konnte. Die hoch sensiblen Informationen sind für die Käufer von Staatsanleihen von großer Bedeutung und bestimmen, zu welchen Kosten sich der Staat bei ihnen verschulden kann, um Ausgaben zu finanzieren. Glücklicherweise reagierten die Märkte milde auf ihre Pläne; die Zinsen für Staatsanleihen fielen leicht.
Steuererhöhungen von 26 Milliarden Pfund
Der Haushaltsplan sieht konkret Steuererhöhungen in Höhe von weiteren 26 Milliarden Pfund bis zum Ende ihrer Amtszeit vor.
Die wichtigste Maßnahme ist eine Art stille Steuererhöhung, die in Deutschland als kalte Progression bekannt ist. Die Regierung plant, die Schwellenwerte einzufrieren, ab denen höhere Steuersätze greifen. Wenn die Löhne wie in den vergangenen Jahren nominal steigen – zum Beispiel durch Tarifabschlüsse oder zur Inflation ausgleichend -, rutschen viele Arbeitnehmer automatisch in höhere Steuerklassen. Sie zahlen dann mehr Steuern, obwohl sie inflationsbereinigt nicht mehr Geld im Portemonnaie haben. Aufgrund dieses Effekts erwartet der Staat jedoch höhere Steuereinnahmen.
Finanzministerin gibt zu, Wahlversprechen zu brechen
Finanzministerin Reeves sagte, mit dem Einfrieren der Schwellenwerte bitte sie «alle, einen Beitrag zu leisten». Sie räumte ein, dass sie mit diesem Schritt Wahlversprechen der Labour-Partei breche, weil es sich «um eine Entscheidung handelt, die arbeitende Menschen treffen wird».
In den letzten Monaten hat die Haushaltsplanung eine enorme öffentliche Aufmerksamkeit erhalten. Obwohl die Labour-Partei seit der Wahl vor rund anderthalb Jahren über eine große Mehrheit im Parlament verfügt, gelingt es ihr bislang nicht, entschlossen zu regieren und auch schwierigere oder unpopuläre Reformen durchzusetzen. In den Umfragen ist ihre Beliebtheit zuletzt rapide gesunken, während die rechtspopulistische Partei Reform UK mit immer größerem Abstand führt.
Weil die Wirtschaft nur schwach wächst, die Kosten für die Staatsfinanzierung wegen der hohen Zinsen gestiegen sind und die Regierung für Ausgabenkürzungen keine Mehrheit in den eigenen Reihen organisieren konnte, wurde das Budget von manchen Beobachtern als «Schicksalsmoment» der Regierung beschrieben.
Die Regierung hatte zuletzt die Spekulationen selbst angeheizt, als sie vorübergehend darauf hinwies, dass sie ihr zentrales Wahlversprechen einer unveränderten Einkommensteuer brechen könnte – nur um diesen Vorschlag dann zehn Tage später wieder zurückzuziehen.








