Berichte über eine Beteiligung Nordkoreas am Ukraine-Krieg lösen weltweit Besorgnis aus. In Washington ist von etwa 10.000 nordkoreanischen Soldaten zur Unterstützung Russlands die Rede.
Pentagon: 10.000 Soldaten aus Nordkorea in Russland
Nach Einschätzung des US-Verteidigungsministeriums beläuft sich die Zahl der nach Russland entsandten Soldaten aus Nordkorea auf etwa 10.000. «Wir gehen davon aus, dass Nordkorea insgesamt etwa 10.000 Soldaten zur Ausbildung nach Ostrussland geschickt hat, die wahrscheinlich in den nächsten Wochen die russischen Streitkräfte in der Nähe der Ukraine verstärken werden», sagte die stellvertretende Pentagon-Sprecherin Sabrina Singh. Ein Teil dieser nordkoreanischen Soldaten sei bereits näher an die Ukraine herangerückt. Befürchtet werde ein Einsatz im russischen Gebiet Kursk nahe der Grenze zur Ukraine.
Sollten die Soldaten aus Nordkorea tatsächlich auf dem Schlachtfeld zum Einsatz kommen, bedeute dies eine weitere Eskalation des Kriegsgeschehens und zeige auch «die zunehmende Verzweiflung» von Russlands Präsident Wladimir Putin auf, dessen Streitkräfte auf dem Schlachtfeld «außerordentliche Verluste» erlitten hätten, sagte Singh. Es sei «ein Hinweis darauf, dass Putin möglicherweise in größeren Schwierigkeiten steckt, als den Menschen bewusst ist». Der Einsatz der Nordkoreaner im russischen Angriffskrieg hätte auch «schwerwiegende Auswirkungen auf die Sicherheit in Europa und im indopazifischen Raum», warnte Singh.
Nach Angaben aus Russland wurde die nordkoreanische Außenministerin Choe Son Hui erneut in Moskau erwartet, nachdem sie bereits im Januar zu einem dreitägigen Besuch in der russischen Hauptstadt gewesen war. Putin selbst bestreitet nicht die Anwesenheit nordkoreanischer Soldaten und verweist darauf, dass auch die Ukraine auf Personal aus Nato-Staaten zurückgreife.
Selenskyj dringt bei Nordischem Rat auf Nato-Einladung
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj warnt seit Tagen vor einer weiteren Eskalation in dem Krieg, sollte Russland die Nordkoreaner im Kampf einsetzen. Die Ankunft der nordkoreanischen Soldaten war auch Thema bei seinem Auftritt in Island beim Treffen des Nordischen Rates, wo er vor den Regierungschefs von Dänemark, Finnland, Schweden, Norwegen und Island erneut mehr Militärhilfe und vor allem die Einladung zu einem Nato-Beitritt forderte.
Man rechnet nicht damit, dass die Ukraine der NATO während des aktuellen russischen Angriffskriegs beitritt, aber sehr wohl mit einer Einladung zur Mitgliedschaft als konkretes Zeichen, sagte Selenskyj in seiner Rede in Reykjavik.
«Schutzwall gegen Russlands imperiale Ambitionen»
Selenskyj bat die Regierungschefs des Nordischen Rates, auch Druck auf Deutschland auszuüben. Er erwarte «eine politische Entscheidung, die geopolitische Klarheit für die Ukraine und ganz Europa bringen und uns in der Diplomatie mit Russland stärken würde», sagte er. «Wenn die Ukraine eine Einladung in die Nato erhält, wird sie zu einem unüberwindbaren Schutzwall gegen Russlands imperiale Ambitionen.» Sein Land verdiene eine ehrliche Antwort. «Bitte arbeiten Sie mit Partnern in ganz Europa – insbesondere in Berlin – zusammen, damit wir diese geopolitische Klarheit gemeinsam erreichen können.»
Selenskyj hatte in diesem Monat auch Kanzler Olaf Scholz (SPD) und andere europäische Staats- und Regierungschefs getroffen, um für eine rasche Einladung in die Nato zu werben. Die Forderung ist Kernpunkt des von ihm so bezeichneten «Siegesplans» im Kampf gegen den seit fast 1.000 Tagen andauernden russischen Angriffskrieg. Der Chef seines Präsidentenbüros, Andrij Jermak, wird heute (19.30 Uhr Ortszeit; Mittwochmorgen deutscher Zeit) zu einem Treffen mit US-Außenminister Anthony Blinken in Washington erwartet.
Präsident fordert Waffenkäufe und Investitionen
Selenskyj bedankte sich bei Dänemark und den anderen Ländern für ihre bisherige Militärhilfe und Investitionen in die Waffenproduktion in der Ukraine. Sein Land benötige unabhängig von Lieferengpässen oder wechselnden politischen Stimmungen weiterhin Artilleriegeschosse und Drohnen.
«Wir sehen, dass Putin seine Waffenproduktion hochfährt und Schurkenregime wie Pjöngjang ihn dabei unterstützen. Nächstes Jahr will Putin die gleiche Menge an Munition wie die EU produzieren. Wir müssen jetzt handeln, um das zu verhindern», so Selenskyj. Deshalb dränge er darauf, die Investitionen in die Waffenproduktion zu erhöhen, besonders um Langstreckenwaffen und Drohnen herzustellen, «Schlüsselwerkzeuge zur Einschränkung der russischen Fähigkeiten».
Er forderte die Mitglieder des Nordischen Rates auf, Artilleriegeschosse in Drittstaaten einzukaufen, um den ukrainischen Soldaten an der Front zu helfen. «Unser Team wird Sie mit allen notwendigen Informationen über die Länder versorgen, die diese Munition liefern können.» Zugleich rief er die Staaten dazu auf, selbst ihre Verteidigungsindustrie weiterzuentwickeln. «Europa braucht industrielle Stärke und Unabhängigkeit von anderen Teilen der Welt», unterstrich Selenskyj.
Verletzte bei neue russischen Angriffen in Charkiw
Bei einem neuen Luftangriff auf das historisch bedeutende Gebäude Derschprom in der ostukrainischen Stadt Charkiw wurden laut Behörden mindestens sieben Personen verletzt. Selenskyj verurteilte den Angriff auf eines der bekanntesten Gebäude des Konstruktivismus, das während der kommunistischen Herrschaft das erste sowjetische Hochhaus war. Das Gebäude stand kurz davor, in die Liste des Weltkulturerbes der UNESCO aufgenommen zu werden.
Auch weitere Städte waren Ziel neuer russischer Angriffe. Selenskyj verlangte eine Verschärfung des Drucks auf Russland und eine weitere Isolierung des Landes durch Sanktionen.