Vor einem entscheidenden Treffen der Nato-Verteidigungsminister legt Deutschland erste Karten auf den Tisch. Klar ist: Deutschland braucht zehntausende Soldaten mehr.
Pistorius: Brauchen bis zu 60 000 aktive Soldaten mehr

Laut Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) in Brüssel vor einem Treffen der Nato-Verteidigungsminister müssen für die neuen Nato-Planungsziele zur verstärkten Verteidigungsfähigkeit bis zu 60.000 zusätzliche Soldaten in der aktiven Truppe der Bundeswehr eingesetzt werden.
«Wir gehen davon aus – das ist aber auch nur eine Daumengröße, um es klar zu sagen – dass wir rund 50.000 bis 60.000 Soldatinnen und Soldaten in den stehenden Streitkräften mehr brauchen als heute. Und gleichzeitig wird sich die Frage natürlich stellen: Reicht der neue Wehrdienst aus über die nächsten Jahre?», sagte Pistorius.
Die Nato will ihre militärischen Fähigkeiten zur Abschreckung und Verteidigung angesichts der anhaltenden Bedrohung durch Russland extrem ausbauen. Generalsekretär Mark Rutte hatte am Vortag in Brüssel gesagt: «Wir benötigen mehr Ressourcen, Truppen und Fähigkeiten, um auf jede Bedrohung vorbereitet zu sein und unsere kollektiven Verteidigungspläne vollständig umzusetzen.» Oberste Priorität hätten die Luft- und Raketenabwehr, weitreichende Waffensysteme, Logistik und große Verbände von Landstreitkräften.
Streitkräfte brauchen schon jetzt dringend mehr Personal
In der Bundeswehr ist die Zahl der Soldaten trotz mehr Einstellungen im vergangenen Jahr erneut leicht gesunken, während der Altersdurchschnitt gestiegen ist. Zum Jahresende 2024 gab es laut Verteidigungsministerium rund 181.150 Soldatinnen und Soldaten. Ein Jahr zuvor waren es noch etwa 181.500 Männer und Frauen in Uniform. Das erklärte Ziel waren zuletzt jedoch 203.000 aktive Soldaten in den Streitkräften.
Vor einem Jahr hatte Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) sein Modell für einen neuen Wehrdienst vorgestellt und dabei auch Zahlen zum Bedarf an Soldaten in der stehenden Truppe sowie der Reserve genannt. Er sprach insgesamt von rund 460.000 Soldatinnen und Soldaten: Genauer gesagt 203.000 Männer und Frauen der stehenden Streitkräfte, die 60.000 vorhandenen Reservisten sowie 200.000 zusätzliche Reservisten, die nun erforderlich seien. Es wird erwartet, dass die Obergrenze von 460.000 Soldaten beibehalten wird, aber möglicherweise mehr aktive Soldaten und weniger Reservisten eingeplant werden.
Deutschland hatte sich in den 2+4-Verträgen verpflichtet, die Zahl seiner Soldaten auf 370.000 Mann zu beschränken. Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages schrieb dazu im Februar 2025, der Begriff der Personalstärke sei nicht genau definiert, die Formulierung lege nahe, «dass es sich dabei nur um die aktive, ständig verfügbare Truppenstärke handelt, also um regulär im Dienst befindliche Soldaten (Berufssoldaten, Soldaten auf Zeit, Grundwehrdienstleistende)».
Neue Diskussion um Wehrpflicht?
Unterdessen ist eine neue Diskussion um einen verpflichtenden Wehrdienst absehbar. So sagte der neue Wehrbeauftragte des Bundestages, Henning Otte (CDU), dem «Tagesspiegel», «massiv» steigende Nato-Anforderungen seien ohne einen teilweise verpflichtenden Wehrdienst und eine attraktivere Bundeswehr kaum zu erfüllen. Er forderte: «Das Verteidigungsministerium sollte einen konkreten Vorschlag vorlegen, in dem die Hürden für einen Wechsel hin zur Verpflichtung eines gewissen Kontingents junger Leute nicht zu hoch sind.»