Ein Gesetzentwurf macht Wehrdienst-Pläne konkret. Das Vorhaben ist ein Baustein, um im Ernstfall 460.000 Soldaten unter Waffen zu haben. Der Sold für junge Leute könnte 1.800 Euro oder mehr betragen.
Pistorius legt Kabinett Gesetz für neuen Wehrdienst vor
Das Verteidigungsministerium legt mit einem Gesetzentwurf den Grundstein für die Einführung eines neuen Wehrdienstes in Deutschland. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) erwartet heute die Zustimmung des Bundeskabinetts zu seinen Plänen, die damit eine wichtige Hürde nehmen sollen. Erklärtes Ziel ist es, dass alle jungen Männer, die vom kommenden Jahr an 18 Jahre alt werden, in einem digitalen Fragebogen Auskunft über ihre Bereitschaft und Fähigkeit zum Militärdienst geben müssen, junge Frauen können dies machen.
«Das Gesetz zum Neuen Wehrdienst ermöglicht uns, die Wehrerfassung wieder zu installieren, die es seit Aussetzung der Verpflichtung zum Grundwehrdienst 2011 nicht mehr gibt. Wenn es morgen zum Verteidigungsfall käme, wüssten wir nicht, wen wir einziehen könnten, weil es keine vollständige Datengrundlage gibt», sagte der SPD-Politiker der Deutschen Presse-Agentur. «Mit der Aussetzung des Wehrdienstes sind Wehrerfassung und Wehrüberwachung zerschlagen worden, obwohl der Staat gesetzlich dazu verpflichtet ist.»
Zahl der Soldaten war zuletzt weiter im Sinkflug
Die Wehrpflicht wurde im Jahr 2011 in Deutschland unter Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) nach 55 Jahren ausgesetzt. Dies bedeutete das Ende der Wehr- und Zivildienstpflicht, da gleichzeitig praktisch alle Strukturen für die Wehrpflicht aufgelöst wurden.
Im Wehrpflichtgesetz ist jedoch weiterhin festgelegt, dass die Wehrpflicht für Männer im Falle der Feststellung des Spannungs- und Verteidigungsfalls durch den Bundestag wieder in Kraft tritt, ohne dass es nach 2011 konkrete Vorbereitungen für eine solche Situation gegeben hätte. Die Personalsorgen der Bundeswehr haben in letzter Zeit zugenommen, und die Anzahl der Soldaten ist bis Juni sogar unter 180.000 Männer und Frauen gesunken. Zudem gibt es rund 60.000 beorderte – also fest eingebundene – Reservisten.
Deutschland braucht im Ernstfall 460.000 Soldaten
Wegen der veränderten Sicherheitslage ist der Bedarf Deutschlands für die Nato-Ziele aber ganz anders. «Der deutsche Beitrag zur Bündnisverteidigung erfordert langfristig einen Verteidigungsumfang von insgesamt rund 460.000 Soldatinnen und Soldaten. Ein großer Teil davon, nämlich rund 260.000, muss aus der Reserve aufwachsen können», sagt Pistorius.
Ein paar Zahlen dazu: Aktuell gibt es in der Bundeswehr etwa 15.000 Plätze für die Ausbildung freiwillig Wehrdienstleistender, von denen regelmäßig 5.000 unbesetzt sind. Dies ist der Ausgangspunkt, der zuerst besetzt werden muss. Der Plan sieht vor, dass jedes Jahr zusätzlich 3.000 Ausbildungsplätze geschaffen werden. In Deutschland gibt es etwa 650.000 Menschen in einem Jahrgang, also mehr als 300.000 junge Männer.
Die Militärplaner sind zuversichtlich, dass sie durch die Verwendung eines verpflichtenden Fragebogens und eines freiwilligen Dienstes eine ausreichende Anzahl von Bewerbern gewinnen können. Die Wehrpflicht, die im Kriegsfall wieder in Kraft treten würde, wird dadurch weitgehend obsolet. Trotzdem baut die Regierung Strukturen wieder auf und bietet auch Frauen die Möglichkeit, ohne das Grundgesetz zu ändern.
Das Grundgesetz kennt eine Wehrpflicht nur für Männer
«Wir versenden einen digitalen Fragebogen. Junge Männer, die 18 Jahre alt werden, sind verpflichtet, ihn auszufüllen. Damit erheben wir die nötigen Daten, die wir für eine Erfassung brauchen. Die Musterung eines ganzen Jahrgangs ist nicht nötig», sagt Pistorius. «Auch die gleichaltrigen Frauen bekommen den digitalen Fragebogen. Sie sind allerdings nicht verpflichtet, ihn auszufüllen, da es im Grundgesetz nur eine Wehrpflicht für Männer, nicht aber für Frauen gibt.»
Die Grundausbildung für den neuen Wehrdienst soll sechs Monate dauern, mit der Möglichkeit, für Spezialisierungen um bis zu 23 Monate verlängert zu werden. Der Sold beträgt mindestens 1.800 Euro, je nach Umständen auch bis zu 200 Euro mehr.
Der weitere Zeitplan ist ehrgeizig und im Verteidigungsministerium hofft man, dass er nicht unter den Trümmern einer auseinanderbrechenden Ampel-Koalition verschüttet wird. Bundestag und Bundesrat beschäftigen sich mit dem neuen Wehrdienst. Es wird als möglich angesehen, dass das Gesetz dafür im Mai nächsten Jahres in Kraft treten könnte.