Geplant sind 15.000 neue Wehrdienstleistende und ein höherer Sold für Zeitsoldaten, um genügend Bewerbungen zu gewinnen.
Neuer Wehrdienst: Pistorius plant verpflichtende Musterung ab 2027

Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) formuliert mit dem geplanten neuen Wehrdienst auch Grundvoraussetzungen für eine Aktivierung der Wehrpflicht im Notfall. Im Gesetzentwurf werde der Bundesregierung die Möglichkeit eingeräumt, «mit Zustimmung des Deutschen Bundestages die verpflichtende Heranziehung von Wehrpflichtigen zu veranlassen, wenn die verteidigungspolitische Lage dies erfordert», zitierte der «Spiegel» aus dem Papier.
Laut Entwurf soll eine Einberufung zudem möglich sein, wenn die verteidigungspolitische Lage «einen kurzfristigen Aufwuchs der Streitkräfte zwingend erfordert, der auf freiwilliger Grundlage nicht erreichbar ist». Als Voraussetzung wird demnach aber auch genannt, dass Maßnahmen zur Steigerung der Attraktivität des Wehrdienstes nicht rechtzeitig zu genügend freiwilligen Bewerbungen führen.
Mehr Geld soll Attraktivität steigern
Geplant ist, mit 15.000 neuen Wehrdienstleistenden zu starten und ab 2027 eine verpflichtende Musterung einzuführen. Der Pool, den der neue Wehrdienst anspricht, umfasst die Altersgruppe der 18- bis 25-Jährigen.
Pistorius verfolgt auch verschiedene Strategien, um den Dienst attraktiver zu gestalten. Dazu gehört auch eine Erhöhung des Soldes. In Zukunft sollen Wehrdienstleistende als Zeitsoldaten bezahlt werden und somit mehr als 2000 Euro netto monatlich erhalten.
Pistorius muss in seiner Partei kämpfen
Der SPD-Politiker will den Gesetzentwurf Ende August dem Kabinett vorlegen. Union und SPD hatten sich in ihrem Koalitionsvertrag auf einen Wehrdienst verständigt, «der zunächst auf Freiwilligkeit basiert». Das Wort «Wehrpflicht» kommt darin nicht vor. Hier hatte sich die SPD in den Verhandlungen gegen CDU/CSU durchgesetzt.
Auf dem SPD-Parteitag Ende Juni drohte jedoch schwerer Streit über die Option eines verpflichtenden Wehrdienstes im neuen Gesetz. Der offene Konflikt konnte vermieden werden. Nach stundenlangen Krisengesprächen änderten die Jusos einen Initiativantrag ab, der die Verankerung eines obligatorischen Wehrdienstes im geplanten Gesetzentwurf abgelehnt hätte.
«Wir wollen keine aktivierbare gesetzliche Möglichkeit zur Heranziehung Wehrpflichtiger, bevor nicht alle Maßnahmen zur freiwilligen Steigerung ausgeschöpft sind. Maßnahmen zur Musterung, Erfassung und Wehrüberwachung wehrpflichtiger junger Männer wollen wir ermöglichen», heißt es im dann beschlossenen Text – der Pistorius aber Spielraum gab.
Das Geld für mehr Verteidigung ist schon da
Die Wehrpflicht wurde 2011 ausgesetzt, bleibt jedoch im Grundgesetz verankert. Sie kann durch eine einfache Mehrheit der Regierungskoalition von Union und SPD wieder eingeführt werden. Eine allgemeine Dienstpflicht, die auch für Frauen gelten würde, erfordert eine Änderung des Grundgesetzes. Die erforderliche Mehrheit ist derzeit nicht absehbar.
Das erklärte Ziel war zuletzt jedoch eine Personalstärke von 203.000 aktiven Soldaten in den Streitkräften. Gemäß den neuen Nato-Zielen muss die Bundeswehr mindestens 60.000 zusätzliche Männer und Frauen sowie 200.000 Reservistinnen und Reservisten erreichen.
Politiker und Sicherheitsexperten drängen jedoch auf eine rasche Stärkung der Verteidigungsfähigkeit. Sie verweisen auf die umfangreiche Aufrüstung Russlands, durch die Präsident Wladimir Putin sich militärische Fähigkeiten über das Maß des Ukraine-Kriegs hinaus angeeignet hat.
Nun fehlen aber noch die Soldaten
Die Nato hat sich auf ihrem Gipfeltreffen in Den Haag verpflichtet, die Verteidigungsausgaben in beispielloser Weise anzuheben. Dies erfolgte unter dem Eindruck von Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine und auf Drängen von US-Präsident Donald Trump.
Spätestens ab 2035 sollen jährlich fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts in Verteidigung und Sicherheit investiert werden, so viel wie seit dem Kalten Krieg nicht mehr. Bisher lag das Ziel bei zwei Prozent. Nun sollen mindestens 3,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes aufgewendet werden, um «Kernanforderungen im Verteidigungsbereich» zu decken. Zudem werden 1,5 Prozent an Ausgaben für militärisch nutzbare Infrastruktur oder auch Terrorismusbekämpfung angerechnet.
Im vergangenen Jahr ist die Zahl der Soldaten in der Bundeswehr trotz mehr Einstellungen erneut leicht gesunken, während der Altersdurchschnitt gestiegen ist. Zum Jahresende 2024 gab es laut Verteidigungsministerium rund 181.150 Soldatinnen und Soldaten. Ein Jahr zuvor, am 31. Dezember 2023, waren es noch etwa 181.500 Männer und Frauen in Uniform. Inzwischen wird über eine Trendumkehr aus dem Verteidigungsministerium berichtet.