Pistorius warnt vor Zusammenarbeit mit Bündnis Sahra Wagenknecht und betont Bedeutung klarer Haltung in Sicherheitsfragen für Wahlerfolg.
Verteidigungsminister Pistorius ruft SPD zur Geschlossenheit auf
Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hat seine Partei mit Blick auf die kommende Bundestagswahl zur Geschlossenheit aufgefordert. Um erfolgreich zu sein, empfiehlt er eine klare Positionierung in Sicherheitsfragen sowie einen Schwerpunkt auf Industrie- und Wirtschaftspolitik. «Es ist für die SPD, für ihre ursprüngliche Kernwählerschaft essenziell», sagte Pistorius der Deutschen Presse-Agentur in Berlin.
«Dass die aktuellen Umfragewerte niemanden in der SPD glücklich machen, versteht sich von selbst. Ich bin auch nicht zufrieden mit 15 oder 16 Prozent. Wir müssen analysieren, was die Ursache dafür ist», sagte Pistorius im dpa-Gespräch, das kurz vor dem Aus der Ampel-Koalition geführt wurde. Es gebe dafür mehr als einen Grund.
Er nennt das Aufkommen von populistischen Parteien, eine «zerfledderte Parteienlandschaft» und eine Krisenmüdigkeit vieler Menschen, «die Zweifel haben, ob wir die multiplen Krisen bewältigen können».
Warnung vor dem BSW und den Putin-Verstehern
Pistorius warnt vor einer Zusammenarbeit mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), wie es die SPD in Brandenburg anstrebt. «Das BSW steht weder für unsere Westbindung noch für die Nato-Mitgliedschaft. Es leugnet, dass wir uns schützen und verteidigen können müssen», sagt Pistorius.
Das BSW habe Verständnis für den russischen Präsidenten Wladimir Putin und damit für die Behauptung, die Nato habe Russland bedrängt und dadurch den Krieg überhaupt erst ausgelöst. Es sei gegen die Unterstützung der Ukraine, die ihre Freiheit und ihre Souveränität und nicht zuletzt das Völkerrecht verteidige. Pistorius: «Damit steht es also gegen alles, was die Mehrheit der Sozialdemokraten und auch die Mehrheit in Deutschland für richtig hält.»
Pistorius der beliebteste Politiker Deutschlands
Der Niedersachse hatte das Ministerium Anfang vergangenen Jahres aus dem Amt des Landesinnenministers in Hannover übernommen. Aus der Union war da als «Besetzung aus der B-Mannschaft» bezeichnet worden.
Pistorius hat schnell die Spitzenposition in den Zustimmungswerten erreicht. Erst wieder am Freitag: Laut einer Forsa-Umfrage wünscht sich die Mehrheit der Deutschen Pistorius als SPD-Kanzlerkandidaten bei der vorgezogenen Neuwahl (57 Prozent). Bundeskanzler Olaf Scholz (ebenfalls SPD) erreicht hingegen nur 13 Prozent in der Befragung.
«Ich bin nicht angetreten, um beliebtester Politiker zu werden. Wie diese Werte zustande kommen, sollten besser andere beurteilen. Und ja, ich freue mich über die Zustimmung und bin nicht frei von Eitelkeit. Es wäre unehrlich, etwas anderes behaupten zu wollen», sagt Pistorius. Auch freut er sich, dass seine Heimatstadt Osnabrück ihm die Justus-Möser-Medaille als höchste Auszeichnung verleihen will.
Pistorius wird häufig als Reservekanzlerkandidat bezeichnet. Er selbst vermeidet jedoch das Thema und betont stets seine Loyalität gegenüber dem Kanzler, wenn er nach Fragen gefragt wird. Es wurde auch eine Entscheidung getroffen.
«Es gibt keine Rufe», sagt Pistorius
Antwort: Haben Sie tatsächlich Rufe gehört? «Nein», antwortet Pistorius. Schlafen Sie also mit offenem Fenster? «Nur wegen der frischen Luft. Es gibt keine Rufe.»
Auch in einer künftigen Regierung wäre er aber gern wieder Verteidigungsminister, «weil ich noch einiges vorhabe». «Wir stellen die Bundeswehr neu auf, damit sie den Anforderungen aufgrund der neuen Bedrohungslage in Europa gerecht werden kann», sagte er. «Ich kann mich bei all den Herausforderungen auf eine leistungsstarke Truppe verlassen, zu der ich ein sehr gutes Verhältnis aufgebaut habe.»
Wenn die SPD ihn auswählt, plant er, im Wahlkreis Stadt Hannover II zu kandidieren und um ein Mandat zu kämpfen. In diesem Fall würde er die Nachfolge des sozialdemokratischen Urgesteins antreten. Kurt Schumacher und Erich Ollenhauer – beide Vorsitzende in der Nachkriegszeit – hatten diesen Wahlkreis 42. Auch Helmut Rohde, der im Kabinett von Willy Brandt und später Helmut Schmidt war.
Pistorius geht davon aus, dass für die SPD nochmal mehr drin ist. Die Bundestagswahl im Jahr 2021 habe aber gezeigt, dass Wahlumfragen keine Wahlen seien. «Monate lang haben wir in Umfragen bei 15 Prozent gelegen. Am Ende waren wir klarer Wahlsieger. Oder 2005: Damals haben wir innerhalb von drei Monaten einen 20 Prozentpunkte-Abstand zur Union auf einen Prozentpunkt abgeschmolzen», sagte Pistorius. Die Stimmung bis zur nächsten Bundestagswahl könne sich noch stark verändern.
Pistorius sagte: «Ich glaube, dass wir ein Ergebnis wie 2021 wieder erreichen können. Aber dafür müssen wir uns zur Decke strecken. Wir müssen klar sein in dem, was wir wollen und dabei als Partei geschlossen auftreten.»
Auf eine Frage äußert er sich überzeugt: «Ja, man kann einen Teil der Wähler von der AfD zurückgewinnen – mit einer ernsthaften, pragmatischen, an der Wirklichkeit orientierten Industrie- und Wirtschaftspolitik.» Pistorius begrüßt, dass Lars Klingbeil und Olaf Scholz dieses Thema «sehr klar adressieren».
Populisten lassen sich vor Putins Karren spannen
Er nehme populistische und extremistische Bestrebungen in Deutschland wahr, die Putins Geschäft betreiben und sich vor seinen Karren spannen lassen. «Sie übernehmen Putins Argumentation und stellen einseitige Erwartungen an uns, an die Regierung – etwa, dass wir abrüsten sollten, während Putin weiterhin massiv aufrüstet», sagt Pistorius. Oder es werde gefordert, «dass ein Frieden in der Ukraine herbeigeführt werden müsse – mit einem kriegführenden Russland, das gar nicht über Frieden verhandeln will».
«Wir müssen uns in Acht nehmen, auch in der SPD, dass wir uns von diesen Parolen nicht verwirren lassen», warnt Pistorius. Die SPD sei eine Friedenspartei, die für Entspannungspolitik stehe. «Willy Brandt, Helmut Schmidt und andere wussten, dass man nur dann auf Augenhöhe über Frieden und friedliche Koexistenz verhandeln kann, wenn dies aus einer Position der Stärke heraus geschieht. Leider ist diese Erkenntnis teilweise verloren gegangen. Manche fürchten sich möglicherweise vor der Reaktion der Wählerinnen und Wählern. Andere verweigern vielleicht schlicht die Realität. Ein Problem wird aber nicht kleiner, wenn man es verdrängt. Es wird größer.»