Die Freien Wähler könnten Bayerns Abstimmung im Bundesrat entscheidend beeinflussen. Die Brisanz hinter dem Krisentreffen ist bemerkenswert.
Bayerns Koalition vor Entscheidung über Milliarden-Schuldenpaket
Das Bemühen um Zustimmungsmehrheiten für das geplante Milliarden-Schuldenpaket von Union und SPD für Bundeswehr und Infrastruktur erreicht in Bayern den entscheidenden Moment: Am Montagnachmittag soll sich laut Berichten der Koalitionsausschuss von CSU und Freien Wählern treffen, um über das Abstimmungsverhalten Bayerns im Bundesrat zu beraten. Bisher hat niemand den Termin offiziell bestätigt, da die Brisanz hinter dem Krisentreffen durchaus bemerkenswert ist.
Um das Schuldenpaket am Freitag im Bundesrat passieren zu lassen, könnte die Zustimmung des Freistaats entscheidend sein. Dafür müssen sich jedoch CSU und Freie Wähler einig sein – doch bei den Freien Wählern gab es massive Bedenken. Dadurch sind nicht nur Milliarden für die Bundeswehr und die Sanierung der maroden Infrastruktur in Gefahr. Auch die mühsam erarbeitete Basis einer neuen schwarz-roten Regierung steht auf dem Spiel. In der CSU werden daher sogar Gedankenspiele hinter den Kulissen angestellt, ob die Bayern-Koalition am Ende ist. Ein Überblick:
Warum ist die Position Bayerns so wichtig?
Das Grundgesetz muss geändert werden, um das Paket zu ermöglichen, das von Union, SPD und Grünen ausgehandelt wurde und eine Lockerung der Schuldenbremse beinhaltet. Eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag am Dienstag ist erforderlich, gefolgt von einer Abstimmung im Bundesrat. Dort werden 46 von 69 Stimmen benötigt. Die Landesregierungen, die ausschließlich von CDU, SPD oder Grünen gestellt werden, verfügen jedoch nur über 41 Stimmen. Die sechs bayerischen Stimmen könnten daher entscheidend sein – es sei denn, andere Länder mit einer Regierungsbeteiligung von FDP, Linken oder BSW stimmen zu, was jedoch in den meisten Fällen noch unsicher ist.
Wozu der Koalitionsausschuss?
Die CSU hat das Paket in Berlin mitverhandelt und unterstützt es daher. Die Freien Wähler haben jedoch bisher ihre Zustimmung verweigert. Um Bayern im Bundesrat zustimmen zu lassen, muss die Koalition jedoch einig sein – andernfalls müsste sich der Freistaat enthalten, was einer Ablehnung gleichkäme. Daher plant die CSU im Koalitionsausschuss, in dem die Spitzen beider Parteien und ihrer Landtagsfraktionen vertreten sind, die Freien Wähler dazu zu bewegen, zuzustimmen.
Wie haben sich die Freien Wähler positioniert?
Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger hatte die Zustimmung seiner Partei nach einer Sitzung der FW-Landtagsfraktion am Mittwoch offen gelassen. «So, wie derzeit dieses Papier der schwarz-roten künftigen Koalition vorliegt, können wir nicht zustimmen, weil wir damit mehr Gefahr als Chance für die Stabilität unseres Landes sehen», so hatte er den Berliner Zwischenstand am Mittwoch kommentiert. Zudem verweisen die Freien Wähler auf ihren Koalitionsvertrag mit der CSU – dort werden derartige Schuldenpläne kategorisch ausgeschlossen. Umstritten war das Paket – jedenfalls der bis dahin bekannte Verhandlungsstand – auch unter Kommunalpolitikern der Freien Wähler.
Aiwanger hatte jedoch betont, dass das letzte Wort noch nicht gesprochen sei. Die CSU vertraut daher letztendlich auf ein Ja von Aiwanger. Besonders da es in der Zwischenzeit noch Änderungen an dem Paket gegeben hat. Es ist jedoch unklar, ob sich die Freien Wähler bereits am Montag festlegen werden oder ob sie beispielsweise ihre nächste Fraktionssitzung am Mittwoch abwarten möchten.
Ist schon absehbar, wie sich die Freien Wähler entscheiden?
Nein. Einige fordern aus ihren Reihen klare Maßnahmen, wie die FW-Jugend, neue Schulden strikt abzulehnen. Andere vertreten die Ansicht, dass es kaum möglich sei, der Stärkung der Bundeswehr zu widersprechen – schließlich wollen dies auch die Freien Wähler. Des Weiteren sind die Kommunen dringend auf finanzielle Mittel für Infrastruktur – und andere Ausgaben angewiesen.
Ist die Bayern-Koalition in Gefahr?
Das wird im Freistaat seit einigen Tagen hinter vorgehaltener Hand diskutiert und durchgespielt: Was, wenn die Freien Wähler bei ihrem Nein bleiben? Manch einer hält es durchaus für denkbar, dass Markus Söder dann nichts anderes übrig bleibt, als die Koalition platzen zu lassen. Insbesondere dann, wenn auch andere Länder im Bundesrat am Ende nicht zustimmen könnten und eine Enthaltung Bayerns bedeuten würde, dass es keine Mehrheit gäbe. Würde Söder dann eher die Koalition als das Berliner Paket platzen lassen? Möglich. Aus den Reihen der CSU war zuletzt immer wieder betont worden, dass die Parteien der Mitte zusammenstehen müssten. Das Schlagwort «staatspolitische Verantwortung» ist seit Tagen in aller Munde.
Die Koalition zwischen CSU und Freien Wählern ist seit Jahren belastet. Beide Seiten misstrauen einander und der Ton hat sich im Gegensatz zur ersten Legislaturperiode als Regierungspartner deutlich verschärft. Das Verhältnis zwischen Söder und Aiwanger ist auch persönlich seit Jahren extrem belastet.
Hätte Söder CSU Koalitions-Alternativen in Bayern?
Ja, sogar mehrere, wobei eine (mit der AfD) nach Ansagen Söders grundsätzlich und eine (mit den Grünen) wegen ideologischer Unterschiede faktisch ausscheidet. Denkbar wäre aber eine Koalition mit der SPD. Für die gibt es auch Avancen: «Die bayerische SPD ist bereit, in die Staatsregierung einzutreten», sagte Landtagsvizepräsident Markus Rinderspacher dem «Tagesspiegel»: «Mit der SPD wäre ein klares Ja Bayerns im Bundesrat zum Infrastruktur- und Verteidigungspaket garantiert.»
Allerdings: Eine CSU-SPD-Koalition hätte im Landtag nur die denkbar knappste Mehrheit von einer Stimme – wäre also für Söder beim Regieren ein Risiko. Aus den Reihen der Freien Wähler heißt es, derartige Gedankenspiele seien «lächerlich» und in der Praxis nicht durchzuhalten, da dann bei jeder Abstimmung immer alle Abgeordneten von CSU und SPD anwesend seien müssten, um die Mehrheit sicherzustellen. Fakt ist aber auch, dass es in anderen Ländern durchaus schon derart knappe Mehrheiten gegeben hat, die auch eine Wahlperiode überstanden haben.
Für wahrscheinlicher wird deshalb zumeist gehalten, dass die Freien Wähler das Berliner Paket am Ende noch mittragen, wenn auch nur zähneknirschend. Einige in der Partei rechnen gar damit, dass sie bei den Verhandlungen auch was Greifbares herausholen können – so wurde etwa gefordert, den Länderfinanzausgleich neu zu regeln. Auch CDU-Chef Friedrich Merz geht davon aus, dass Bayern im Bundesrat zustimmen wird. «Ich bin sehr zuversichtlich, dass auch in Bayern alle Beteiligten um ihre Verantwortung wissen», sagte er der «Bild am Sonntag».