Israels Regierungschef wird per Haftbefehl gesucht. Polen will ihn trotzdem nicht festnehmen, sollte er am Gedenken an die Befreiung von Auschwitz teilnehmen. Doch Netanjahu will gar nicht kommen.
Polen: Netanjahu würde bei Auschwitzgedenken nicht verhaftet
Polen hat dem mit Haftbefehl gesuchten israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu signalisiert, dass ihm bei einer möglichen Teilnahme an der Gedenkfeier zum 80. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz keine Verhaftung droht. Jeder Vertreter der israelischen Führung, der daran am 27. Januar teilnehmen wolle, könne sich sicher fühlen und werde nicht verhaftet, sagte Regierungschef Donald Tusk in Warschau. Einen entsprechenden Beschluss habe sein Kabinett verabschiedet.
Netanjahu hatte jedoch bereits vor Wochen mitgeteilt, dass die Gedenkfeier von Anfang an nicht in seinem Terminkalender stand.
Laut Tusk wird Israel durch seinen Bildungsminister vertreten sein. Ein Sprecher des polnischen Außenministeriums bestätigte, dass es bisher keine Hinweise darauf gibt, dass Netanjahu an der Gedenkfeier teilnehmen wird. Die Gedenkstätte hat bestätigt, dass bereits Delegationen aus zehn Ländern zugesagt haben.
Auschwitz ist weltweit als Synonym für den Holocaust und als Inbegriff des Bösen bekannt. Die deutschen Nationalsozialisten töteten allein dort über eine Million Menschen, hauptsächlich Juden. In ganz Europa wurden während des Holocaust etwa sechs Millionen Juden ermordet.
Umstrittener Haftbefehl gegen Netanjahu
Ende November wurden gegen Netanjahu und seinen ehemaligen Verteidigungsminister Joav Galant vom Internationalen Strafgerichtshof Haftbefehle wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Gazastreifen erlassen. Dies ist der erste internationale Haftbefehl gegen einen westlichen Regierungschef und führte zu heftiger internationaler Kritik.
Kanada, Italien und die Niederlande – das Gastland des Gerichts – erklärten unverzüglich, dass sie ihrer Verpflichtung nachkommen würden und Netanjahu bei einem Besuch festnehmen würden. Andere äußerten sich zurückhaltend. Frankreich beispielsweise erklärte, dass man das Recht respektieren werde. Gleichzeitig gab Paris zu bedenken, ob Netanjahu nicht doch Immunität genieße. Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban war eindeutig: Er lud Netanjahu demonstrativ ein und beabsichtigt, den Haftbefehl zu ignorieren.
Tusk verärgert über Initiative von Präsident Duda
Vor dem polnischen Kabinettsbeschluss hatte Präsident Andrzej Duda in einem Brief an Tusks Regierung gebeten, Netanjahu vor einer Verhaftung zu schützen. Tusk reagierte verärgert auf das Ansinnen von Duda. Dieser ist Mitglied der größten Oppositionspartei PiS und stellt sich gerne gegen die Regierung.
Duda habe gewusst, dass die Regierung an einem entsprechenden Beschluss zum Schutz von israelischen Vertretern bei der Gedenkfeier arbeite, sagte Tusk. «Es gibt Angelegenheiten, die man mit Diskretion behandeln sollte, besonders wenn sie so ein Gewicht haben und so kompliziert sind.»
Polens Ministerpräsident betonte, seine Regierung erkenne die Rechtssprechung des Internationalen Strafgerichtshofs grundsätzlich an. «Diese Entscheidung betrifft die Gedenkfeier zum Jahrestag der Befreiung von Auschwitz. Für uns ist es sehr wichtig, dass Polen nicht zu den Ländern gehört, die sich offen und demonstrativ über die Entscheidung internationaler Gerichtshöfe hinwegsetzen wollen.»