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Politische Aufarbeitung nach Anschlag von Magdeburg

Welche Lehren lassen sich aus der Magdeburger Todesfahrt ziehen – gab es Versäumnisse der Behörden? Politiker versuchen, sich diesen Themen zu nähern. In Bremerhaven gab es eine neue Drohung.

In Magdeburg wird weiter getrauert um die Opfer des Anschlags. Zugleich beginnt die Aufarbeitung. (Archiv-Foto)
Foto: Klaus-Dietmar Gabbert/dpa

Nach dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Magdeburg mit fünf Toten und vielen Schwerverletzten beginnt die politische Untersuchung der Gewalttat. Der Ältestenrat des Landtags kommt heute in Magdeburg zusammen – das Leitungsgremium des Parlaments möchte sich ein Bild machen, wurde berichtet. Die Frage, ob die Todesfahrt hätte verhindert werden können, steht über allem – und welche Maßnahmen für einen besseren Schutz ergriffen werden sollten. Der Landkreistag wies darauf hin, dass ein absoluter Schutz auf Weihnachtsmärkten unmöglich sei.

Derweil wurde in der Nacht in Bremerhaven ein Mann festgenommen, der in einem Tiktok-Video schwere Straftaten auf dem Weihnachtsmarkt der Stadt angedroht hatte. Nach Bekanntwerden des Videos sei der Verfasser am Sonntagabend «sehr schnell» ermittelt und im Stadtgebiet vorläufig festgenommen worden, teilte die Polizei mit. Es bestehe keine Gefahr für die Bevölkerung. Weitere Details zum Festgenommen oder darüber, wie ernst die Drohungen waren, gab die Polizei zunächst nicht bekannt. 

Faeser will weitere Gesetzentwürfe durchbringen

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sprach sich nach der Magdeburger Todesfahrt im «Spiegel» dafür aus, noch ausstehende Gesetzentwürfe zur inneren Sicherheit umgehend zu beschließen. Sobald die Ermittlungen ein klares Bild vom Täter und den Hintergründen der Tat ergeben hätten, werde man daraus die notwendigen Schlüsse ziehen. Nach dem islamistischen Anschlag in Solingen habe man bereits das Waffenrecht verschärft und die Befugnisse der Sicherheitsbehörden gestärkt, sagte sie Ministerin. Am 23. August hatte ein Mann Solingen drei Menschen mit einem Messer getötet und acht weitere verletzt. Der mutmaßliche Attentäter, der Syrer Issa Al H., sitzt in Untersuchungshaft. 

Faser sagte, weitergehende Gesetzesänderungen habe vor allem die FDP blockiert. Die SPD-Ministerin nannte etwa das neue Bundespolizeigesetz, das die Bundespolizei stärken solle, oder die Einführung der biometrischen Überwachung, die die Union im Bundesrat aufgehalten habe. «All diese Gesetzentwürfe von uns könnten sofort beschlossen werden, wenn Union und FDP sich dem nicht verweigern», sagte Faeser. Die rot-grüne Bundesregierung hat nach dem Scheitern der Ampel keine Mehrheit im Bundestag mehr. 

Warnungen vor Symbolpolitik und vorschnellen Schlüssen

FDP-Generalsekretär Marco Buschmann warnte hingegen vor vorschnellen Schlüssen. «Unsere Aufgabe ist, den Opfern und ihren Angehörigen beizustehen. Schlecht wäre ein Überbietungswettbewerb um symbolische Maßnahmen. Das würde der schlimmen Situation nicht gerecht», sagte er dem «Spiegel». Auch SPD-Generalsekretär Matthias Miersch rief zur Besonnenheit auf: «Instrumentalisierungen oder vorschnelle Schlüsse helfen niemandem und spalten nur unsere Gesellschaft», sagte er dem «Spiegel». «Stattdessen sollten wir nach erfolgter Auswertung die notwendigen Lehren ziehen – sowohl für die Sicherheitsarchitektur als auch für den gesellschaftlichen Zusammenhalt.» 

Landkreise: Absoluter Schutz auf Weihnachtsmärkten unmöglich

Der Deutsche Landkreistag verweist darauf, dass es auch mit erhöhter Polizeipräsenz und mehr Kontrollen keine Sicherheitsgarantie auf Weihnachtsmärkten geben könne. «Es gibt überall eine höhere Präsenz von Polizei- und Ordnungskräften und auch in Magdeburg sind die Zugänge polizeilich kontrolliert und Taschen durchsucht worden.», sagte Landkreistags-Präsident Achim Brötel (CDU) dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). «Es wird aber einen absoluten Schutz nicht geben können.»

Aufgrund der Gefahren durch Messerattacken seien die gesetzlichen Voraussetzungen bis hin zu generellen Verboten bereits deutlich verschärft worden, sagte er. Außerdem seien Weihnachtsmärkte und ähnliche Veranstaltungen Orte der Begegnung und des Miteinanders. «Daher muss man bei aller abstrakten Gefahr auch mit Augenmaß vorgehen, damit sie es bleiben können.»

AfD lädt zur Kundgebung in Magdeburg

Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck rief in einer Videobotschaft dazu auf, «sich nicht vom Hass anstecken» zu lassen. Rechte Gruppen hatten bereits kurz nach der Tat in Magdeburg zu Demonstrationen aufgerufen. Für den frühen Montagabend hat die AfD nun zu einer Kundgebung auf den Magdeburger Domplatz mit anschließendem Trauermarsch eingeladen. Dazu werden die AfD-Vorsitzende Alice Weidel und mehrere AfD-Landespolitiker erwartet. In der Einladung hieß es, die schreckliche Tat zeige auf dramatische Weise die Gefahren der derzeitigen Einwanderungspolitik. 

Parallel zur AfD-Veranstaltung hat eine Initiative namens «Gib Hass keine Chance» zu einer Menschenkette um den Alten Markt aufgerufen. Dort war der Täter Taleb A. am Freitagabend mit einem Auto über den Weihnachtsmarkt gerast und hatte fünf Menschen getötet und 200 verletzt. 

Täter war den Behörden kein Unbekannter

Taleb A. befindet sich in Untersuchungshaft. Der Arzt aus Bernburg südlich von Magdeburg kommt aus Saudi-Arabien, lebt seit 2006 in Deutschland und erhielt 2016 Asyl als politisch Verfolgter. Er war in den letzten Jahren an verschiedenen Stellen auffällig. Laut BKA-Chef Holger Münch wurde nach einem Hinweis aus Saudi-Arabien im November 2023 ein Verfahren gegen den Mann eingeleitet. Die Angelegenheit war jedoch unspezifisch – und der Mann war nicht für Gewalthandlungen bekannt.

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) hat eine Person mit Informationen über den späteren Täter des Anschlags in Magdeburg an die Polizei verwiesen. Laut dem Amt entspricht dies dem üblichen Vorgehen in solchen Fällen, wie es der Deutschen Presse-Agentur auf Anfrage mitteilte. Es wurde nicht darauf eingegangen, ob das Bamf auch selbst die Polizei informiert hat. Zuvor hatte das Bundesamt auf der Plattform X bekannt gegeben, dass der Hinweis im Spätsommer des vergangenen Jahres über Social-Media-Kanäle eingegangen sei.

dpa