Die Stimmung in der größten Stadt der Türkei ist aufgeheizt. Anhänger der führenden Oppositionspartei CHP protestieren gegen Repressalien. Die Regierung von Präsident Erdogan will das nicht dulden.
Polizei blockiert Zentrale der Opposition in Istanbul
In Istanbul, der türkischen Metropole, protestierten Anhänger der größten Oppositionspartei CHP gegen die Absetzung der lokalen Parteispitze. Die Polizei sperrte die Gegend um die Parteizentrale im Stadtteil Sariyer vollständig ab. Trotzdem versammelten sich Demonstranten und versuchten, die Barrikaden zu durchbrechen, wie Halk TV berichtete. Der von Staatschef Recep Tayyip Erdogan ernannte Gouverneur von Istanbul verhängte ein dreitägiges Demonstrationsverbot in mehreren Bezirken.
CHP-Chef Özgür Özel rief die Anhänger in einer Rede am späten Sonntagabend dazu auf, trotz der Blockade zur Parteizentrale in Istanbul zu ziehen. «Wer die republikanische Volkspartei verteidigt, verteidigt die Republik», sagte er.
Parteichef Özel droht die Absetzung
Seit Monaten steht die CHP unter Druck und betrachtet sich als Opfer einer politisch motivierten Kampagne der Staatsführung. Auslöser der aktuellen Spannungen ist ein Gerichtsbeschluss vom Dienstag: Das Gericht hatte die gesamte Führung der CHP in Istanbul wegen angeblicher Unregelmäßigkeiten beim Parteitag vor zwei Jahren abgesetzt und die Ernennung eines Verwalters angeordnet. Die CHP versucht durch Proteste zu verhindern, dass der Verwalter und sein Team am Montag die Geschäfte in der Provinzzentrale in Istanbul übernehmen. Auch Parteichef Özel droht am 15. September die Absetzung.
Im März wurde der Istanbuler Bürgermeister und Rivale von Erdogan, Ekrem Imamoglu, aufgrund von Korruptionsvorwürfen und anderen Gründen verhaftet und abgesetzt. Dies führte zu landesweiten Protesten – auch weil Imamoglu als vielversprechender Gegner Erdogans bei einer zukünftigen Wahl angesehen wird. Erdogan wird vorgeworfen, politische Gegner mit autoritären Methoden zu bekämpfen und die Justiz des Landes zu beeinflussen. Die Regierung Erdogans weist diese Kritik zurück.
Die Opposition betrachtet die Maßnahmen gegen die CHP als politisch motiviert, um die Opposition zu schwächen und eine Präsidentschaftskandidatur von Imamoglu zu verhindern. Bei den Kommunalwahlen im März des letzten Jahres erzielte die CHP einen überraschenden Erfolg und gewann die meisten Bürgermeisterämter im Land. Seitdem wurden mehrere oppositionelle Bürgermeister verhaftet.