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Proteste in Frankreich – schwieriger Start für neuen Premier

Gleich am Tag seiner Amtseinführung erwarten Frankreichs neuen Premier Protestblockaden im ganzen Land. Die französischen Behörden sind in Alarmbereitschaft. Gleichzeitig muss ein Sparhaushalt her.

Frankreich erwartet eine Protestwelle.
Foto: Aurelien Morissard/AP/dpa

Einen Tag nach der Ernennung eines neuen Premierministers erwartet Frankreich weitere Proteste. Mit den Demonstrationen, die sich gegen die seit längerem angekündigten Sparpläne richten, soll das ganze Land blockiert werden. Die Behörden machen sich auch auf Sabotageaktionen gefasst. Für den neuen Premier Sébastien Lecornu stehen nun Gespräche mit den verschiedenen politischen Lagern an, um zu einem Sparhaushalt für das hoch verschuldete Land zu kommen.

Das genaue Ausmaß der Proteste ist ungewiss. Auch wer genau hinter dem Aufruf «Bloquons tout» (Lasst uns alles blockieren) steht, ist nicht klar. Die Protestaufforderungen erfolgen dezentral, viele verschiedene Seiten wollen ihrem Ärger Luft machen. Unter anderem Linke, Gelbwesten-Gruppierungen und Gewerkschaften wie etwa die der Eisenbahner riefen zum Protest auf.

Die Proteste sind hauptsächlich eine Reaktion auf den Sparhaushaltsvorschlag des bisherigen Premierministers François Bayrou. Am Montag hat er nach nicht einmal neun Monaten im Amt in der Nationalversammlung eine Vertrauensfrage verloren und damit seine Mitte-Rechts-Minderheitsregierung gestürzt.

Innenminister: 80.000 Polizeikräfte mobilisiert

Die Regierungsbeamten sind in erhöhter Wachsamkeit: Innenminister Bruno Retailleau hat angekündigt, 80.000 Polizeikräfte einzusetzen und entschlossen gegen Blockadeaktionen vorzugehen. Die Sicherheitskräfte sollten bereits ab dem Vorabend im Einsatz sein.

Im Alltag können Einschränkungen auftreten. Die französische Bahn hat Beeinträchtigungen im Regionalverkehr angekündigt. Die Abläufe an französischen Flughäfen könnten ebenfalls ins Stocken geraten, so die französische Zivilluftfahrtbehörde DGAC. Auch in Unternehmen und an Universitäten sind laut französischen Medien Protestaktionen geplant.

Es ist unwahrscheinlich, dass der Druck von der Straße nachlassen wird: Die Gewerkschaften haben für den 18. September zu landesweiten Streiks und Kundgebungen gegen den Sparkurs der Regierung aufgerufen. Die Proteste nehmen mittlerweile das Ausmaß eines Generalstreiks an.

Auch Macron in der Schusslinie der Proteste

Auch Staatschef Emmanuel Macron steht unter Druck. Die altlinke Partei LFI forderte seinen Rücktritt. Die Rechtsnationalen wollten mit einer Parlamentsauflösung den Weg für Neuwahlen freimachen. Dass Macron schon einen Tag nach der verlorenen Vertrauensfrage von Bayrou einen neuen Premier ernannte, kann auch als Versuch gewertet werden, selbst aus der Schusslinie zu kommen.

Der Premierminister und ehemalige Verteidigungsminister Lecornu wird als enger Vertrauter von Macron angesehen – ob ihm das hilft, bleibt abzuwarten. Die ersten Reaktionen der bisherigen Opposition waren alles andere als positiv.

Seit der Parlamentswahl im letzten Jahr ist die Nationalversammlung stark gespalten. Macrons Mitte-Leute, Le Pens Rechtsnationale und das linke Lager stehen als drei große Blöcke gegenüber. Keiner von ihnen hat eine eigene Mehrheit.

Zeit drängt bei Haushalts-Aufstellung

Lecornu wird nun mit den politischen Kräften in der Nationalversammlung konsultieren, um den dringend benötigten Haushalt zusammenzustellen, wie es in der Mitteilung des Élysée-Palastes zu seiner Ernennung heißt. Es wird auch erwähnt, dass Lecornu Vereinbarungen für die Entscheidungen der kommenden Monate treffen soll. Es wird vermutet, dass Lecornu erkundet, welche Parteien Teil einer Koalition sein könnten, wer ihn akzeptieren könnte oder zumindest bei bestimmten Themen bereit wäre, gemeinsame Sache zu machen.

Es wird behauptet, dass Lecornu einen gewissen Draht zur rechtsnationalen Führungsfigur Marine Le Pen hat. Er wird als Politiker angesehen, der von der bürgerlichen Rechten toleriert wird und dem im linken Lager zumindest keine Komplett-Ablehnung entgegenschlägt.

Lecornu sprach noch am selben Abend seiner Ernennung direkt die Menschen im Land an. Er betonte, dass er die Erwartungen verstehe, die Schwierigkeiten kenne und versprach, mit Demut zu handeln.

dpa