Lange ließ der Kreml offen, wer zu den direkten Gesprächen mit der ukrainischen Seite in die Türkei reist. Jetzt sind die Namen bekannt: Putin schickt nur die zweite Garde. Wie reagieren die Ukrainer?
Putin bleibt Ukraine-Verhandlungen in Istanbul fern

Die Verhandlungen mit Vertretern Kiews zur Beendigung des Ukraine-Kriegs sollen heute in Istanbul beginnen, ohne dass Russlands Präsident Wladimir Putin anwesend ist. Anstelle von ihm wird sein Berater Wladimir Medinski die Delegation Moskaus leiten. Auch US-Präsident Donald Trump, der derzeit im Nahen Osten unterwegs ist, wird laut CNN auf eine Reise in die Türkei verzichten.
Neben dem russischen Präsidenten wird auch Putins erfahrener Außenminister Sergej Lawrow den Gesprächen fernbleiben. Medinski, der früher einmal Kulturminister war und als politisches Leichtgewicht gilt, war bereits 2022 an den Verhandlungen zur Beendigung des Krieges beteiligt. Die Gespräche endeten damals – ebenfalls in der Türkei – ohne Ergebnis.
Unklar war zunächst, wie die Ukraine auf das Fernbleiben Putins reagiert. Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte vor Bekanntwerden der russischen Delegationsbesetzung in seiner abendlichen Videobotschaft erklärt: «Die Ukraine ist zu jedem Format von Verhandlungen bereit und wir haben keine Angst vor Treffen.» Zuvor hatte Selenskyj immer wieder bekräftigt, dass er persönlich in der Türkei auf Putin warten werde und der Kremlchef selbst am Verhandlungstisch sitzen müsse, da er allein in Russland über Krieg und Frieden entscheide.
Putin macht umstrittenen Ideologen zum Chef-Unterhändler
Medinski ist im Vergleich dazu eine viel kleinere Figur. Der 54-Jährige wird als einer der einflussreichen Ideologen des Putin-Systems angesehen und vermittelte auch in Schulbüchern eine umstrittene Sichtweise der russischen und ukrainischen Geschichte, die unter Historikern diskutiert wird. Wissenschaftler und Kritiker des Kreml werfen ihm absichtliche Fälschungen und Geschichtsklitterung für politisch-propagandistische Zwecke vor.
Laut Putin gehören der russischen Delegation auch Vize-Außenminister Michail Galusin, General Igor Kostjukow vom russischen Generalstab sowie Vize-Verteidigungsminister Alexander Fomin an. Des Weiteren sollen Experten des Verteidigungsministeriums, des Generalstabs, des Außenministeriums und der Präsidialverwaltung teilnehmen.
Putin hatte vorgeschlagen, direkte Gespräche in Istanbul ab Donnerstag selbst zu führen, als Antwort auf Selenskyjs Forderung nach einer bedingungslosen Waffenruhe, die am Montag hätte beginnen sollen. Allerdings hat der Kremlchef bei seinem Vorschlag am Sonntag nicht angegeben, ob er persönlich anreisen wird. Er hatte sein Vorhaben auch mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan besprochen, der seit Beginn des russischen Angriffskriegs vor mehr als drei Jahren ein wichtiger Vermittler für beide Seiten ist.
Trump schickt Rubio, Witkoff und Kellogg nach Istanbul
US-Präsident Trump hatte die Ukraine dazu aufgefordert, in direkte Verhandlungen mit Russland einzutreten. Er wandte sich damit gegen ein Ultimatum Selenskyjs und der «Koalition der Willigen» aus Ukraine-Verbündeten, die zuerst eine Waffenruhe und dann Verhandlungen gefordert hatten. Zur «Koalition der Willigen» mit mehr als 30 Ländern gehören unter anderem Deutschland, Großbritannien und Frankreich.
Bevor die Medienberichte über seinen Verzicht publik wurden, hatte Trump am Mittwoch noch einmal bekräftigt, dass er bereit sei, nach Istanbul zu kommen – falls es eine Chance auf eine Lösung gebe. „Außenminister Marco Rubio wird jedoch auf jeden Fall in der Türkei sein“, sagte Trump während seiner Reise durch die Golfregion. Die Außenminister der Nato-Staaten beraten heute im türkischen Urlaubsort Belek nahe der Hauptstadt Antalya über die Forderung der USA nach einer drastischen Erhöhung der Verteidigungsausgaben.
Der ukrainische Außenminister Andrij Sybiha veröffentlichte auf der Plattform X Fotos von sich und Rubio, mit dem er sich in Antalya über Friedensbemühungen ausgetauscht hatte. Rubio soll laut seines Ministeriums erst nach dem Ende des Nato-Treffens am Freitag nach Istanbul weiterreisen. Neben ihm werden auch Trumps Sondergesandte Steve Witkoff und Keith Kellogg laut einer Mitteilung des Weißen Hauses anwesend sein.
Frühere Gespräche blieben ergebnislos
Russland und die Ukraine haben sich wiederholt beschuldigt, kein echtes Interesse an Friedensverhandlungen zu haben. Moskau beschuldigte die ukrainische Seite, mit westlicher Waffenhilfe weiterhin um die Rückeroberung der von Russland annektierten Gebiete kämpfen zu wollen. Kiew hingegen befürchtet, dass Moskau hauptsächlich weitere ukrainische Gebiete besetzen will, um die Staatlichkeit des Landes zu untergraben.
Unter Trump fungieren die USA als Vermittler in dem Konflikt. Im März fanden Verhandlungen unter Vermittlung der Amerikaner in Saudi-Arabien statt – jeweils separat mit der russischen und der ukrainischen Seite. Weder kam es zu direkten Gesprächen zwischen Russen und Ukrainern in Riad noch zu einer grundlegenden Einigung der Kriegsparteien.
Es gab zuletzt 2022 direkte Gespräche zwischen Russen und Ukrainern in der Türkei, um das Blutvergießen zu beenden. Die Unterzeichnung eines Abkommens scheiterte, da Russland ein Vetorecht gegen das Eingreifen anderer Staaten wie der USA oder Großbritanniens forderte. Die Ukraine wäre somit vom guten Willen des Kreml abhängig gewesen.