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Putin ersetzt Statthalter in Kriegsregion – Lawrow droht

Im Ukraine-Krieg will Russland mit Großangriffen die Kontrolle über möglichst viele umkämpfte Gebiete gewinnen – und zwar vor Trumps Amtseinführung als US-Präsident. Der Kreml setzt ein Zeichen.

Russische Soldaten versuchen ukrainische Truppen aus der Region Kursk zu verdrängen. (Archivbild)
Foto: Uncredited/Russian Defense MInistry Press Service via AP/dpa

Russlands Präsident Wladimir Putin hat überraschend den Parlamentsabgeordneten Alexander Chinstein zum neuen Gouverneur der an die Ukraine grenzenden Region Kursk ernannt. «Derzeit ist dort Krisenmanagement gefragt», kommentierte Putin die vom Fernsehen übertragenen Ernennung. Hintergrund der Personalie ist, dass die ukrainischen Streitkräfte bei einer überraschenden Gegenoffensive im Sommer Teile des russischen Grenzgebiets unter ihre Kontrolle gebracht hatten. Putins Außenminister Sergej Lawrow kündigte an, Russland werde alle Mittel einsetzen, um eine Niederlage im Krieg gegen die Ukraine abzuwenden.

Chinstein ersetzt den im Mai ernannten Gouverneur Alexej Smirnow, der vom Kremlchef ernannt wurde. Er war in den 1990er Jahren als Journalist tätig, ist jedoch seit 2003 Mitglied der Kremlpartei Einiges Russland und sitzt in der Staatsduma. Dort fiel Chinstein unter anderem durch die Denunziation von Homosexuellen und politisch Andersdenkenden auf. Aufgrund seiner Anzeigen leiteten russische Behörden mehrmals Ermittlungsverfahren ein.

Wahlergebnis kein Argument für Putin

Die Entlassung Smirnows kommt unerwartet, hatte er sich doch erst vor zwei Monaten bei der Regionalwahl mit Unterstützung des Kreml eine deutliche Mehrheit der Stimmen gesichert. Diese demonstrative Missachtung des Wahlergebnisses zeuge davon, dass der Kreml wisse, wie es zustande gekommen sei, kommentierte der kremlkritische Politologe Abbas Galljamow: Die Resultate «wurden geschönt und sind wertlos».

Chinstein wird als gut vernetzt in den Sicherheitsorganen angesehen. Bei seiner Ernennung wies Putin darauf hin, dass der 50-Jährige zwei Jahre lang Berater des Chefs der Nationalgarde war. Russische Einheiten bemühen sich seit Monaten, die in die Region Kursk eingedrungenen Ukrainer aus dem Land zu vertreiben. Berichten zufolge sind auch nordkoreanische Soldaten in der Region im Einsatz, die der mit Putin verbündete Machthaber Kim Jong Un entsandt hat.

Außenminister Lawrow: Sind bereit, jedes Mittel einzusetzen

Derweil macht der für seine markigen Drohungen gegen den Westen bekannte russische Außenminister Lawrow einmal mehr von sich reden. Die USA und ihre Verbündeten müssten verstehen, «dass wir bereit sind, jedes Mittel einzusetzen, damit ihnen nicht das gelingt, was sie als “strategische Niederlage Russlands” bezeichnen», sagte er auf Englisch in einem auf der Plattform X veröffentlichten Interview des umstrittenen US-Journalisten Tucker Carlson. «Sie kämpfen für den Erhalt der Hegemonie über die Welt in jedem Land, jeder Region, jedem Kontinent. Wir kämpfen für unsere legitimen Sicherheitsinteressen.»

Schwere Kämpfe an der Front

Die Auseinandersetzungen zwischen ukrainischen und russischen Truppen dauern unvermindert hart an der gesamten Front an. Der Generalstab in Kiew berichtete in seinem abendlichen Lagebericht von 170 Zusammenstößen. Die russischen Angreifer setzten dabei im Laufe des Tages 599 Drohnen ein. Die Angaben beider Kriegsparteien sind jedoch von unabhängiger Seite kaum zu überprüfen.

Die Frontabschnitte, die am härtesten umkämpft waren, lagen erneut im Süden der Ukraine, wo die Russen versuchen, die Städte Kurachowe und Pokrowsk einzunehmen. Eine ähnlich kritische Situation herrscht im Frontabschnitt zwischen den Gebieten Donezk und Saporischschja um die Ortschaft Welyka Nowosilka. In Kursk im Westen Russlands hingegen ist nach den schweren Angriffen der letzten Wochen etwas Ruhe eingekehrt – der ukrainische Generalstab berichtete jedenfalls von deutlich weniger Gefechten als zuvor.

Kreml sucht nach Schlupfloch für Gaslieferungen ins Ausland

Derweil versucht Kremlchef Putin, die wirtschaftlichen Auswirkungen seines Angriffskriegs auf das eigene Land zu minimieren. So hat er ausländische Käufer von der Pflicht befreit, für russisches Gas auf ein Konto der Gazprombank einzuzahlen. Im neuen Dekret ist nur noch von einer «bevollmächtigten Bank» die Rede. Die Änderung soll dabei helfen, weiter russisches Gas in EU-Länder zu verkaufen, nachdem die Gazprombank vor zwei Wochen von den USA auf die Sanktionsliste gesetzt worden war.

Putin hatte im April 2022 kurz nach Beginn des von ihm befohlenen Angriffskriegs gegen die Ukraine und den ersten Sanktionen gegen Russland entschieden, dass Kunden in westlichen Ländern nur noch Gas erhalten, wenn sie das Geld auf ein Rubel-Konto der Gazprombank einzahlen. Diese Maßnahme sollte damals den Rubel unterstützen und gleichzeitig die Stärke des Kremls im Konflikt mit dem Westen zeigen.

Seitdem ist der Anteil russischen Pipelinegases innerhalb der EU kontinuierlich gesunken. Einige Länder wie die Slowakei und Ungarn kaufen es jedoch immer noch. Die Sanktionen der USA gegen die Gazprombank haben diese Lieferungen erschwert, was auch den Kursverfall des Rubels in den letzten Wochen beschleunigt hat. Russland hofft inzwischen, die Sanktionen mit anderen Banken umgehen zu können.

Selenskyj erinnert an gescheitertes Sicherheitsabkommen

“Während die Kämpfe an der Front weitergehen, sorgt sich die Ukraine aufgrund des bevorstehenden Machtwechsels in den USA um die Unterstützung ihres wichtigsten Verbündeten und größten Waffenlieferanten. Es wird befürchtet, dass der zukünftige US-Präsident Donald Trump einen Waffenstillstand zugunsten des militärisch überlegenen Nachbarn Russland durchsetzen könnte und die Ukraine nicht die gewünschten Sicherheitsgarantien erhält.”

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj erinnerte zum 30. Jahrestag des Budapester Memorandums an das Scheitern des 1994 geschlossenen Sicherheitsabkommens und forderte effektive Garantien. «Jeder in der Welt weiß dadurch, dass die bloße Unterschrift eines Staats, irgendwelche Zusicherungen oder Versprechungen als Sicherheit nicht ausreichen», sagte Selenskyj in seiner abendlichen Videobotschaft. Mit dem – in Budapest unterzeichneten – Memorandum verpflichtete sich die Ukraine gemeinsam mit Kasachstan und Belarus dazu, ihre Kernwaffen an Russland abzugeben. Im Gegenzug erhielt das Land Sicherheitsgarantien – auch aus Moskau.

Diese Sicherheitsgarantien seien unwirksam gewesen, sagte Selenskyj mit Blick auf den von Russland entfesselten Angriffskrieg. Für einen echten Frieden brauche die Ukraine wirksame Garantien. «Das heißt, ein echtes Bündnis und ein realistisches Sicherheitsfundament im Land.» Konkret bedeute dies Waffen und Zusammenhalt, um sich im Notfall verteidigen zu können. Selenskyj möchte sein Land schnell unter den Schirm der Nato bringen, damit es bei einem möglichen Waffenstillstand vor erneuter russischer Aggression geschützt wäre. 

Russland verlangt als Voraussetzung für Friedensverhandlungen nicht nur Gebietsabtretungen von der Ukraine, sondern auch den Verzicht auf einen Nato-Beitritt und eine eigene schlagkräftige Armee. Dadurch würde das deutlich kleinere Nachbarland in Zukunft weiteren russischen Angriffen hilflos ausgeliefert sein.

dpa